Archiv für den Tag: 9. September 2017

Ausbildungsstudie: Selbstverwirklichung und Spaß zuerst

Jede Menge Spaß – Berufserfolg verliert für junge Menschen an Bedeutung

Tagesspiegel, 06.09.2017, Laurin Meyer
Berufliche Prioritäten verlieren für junge Menschen an Bedeutung. Sie setzen in ihrem Leben eher andere Prioritäten. Das zeigt die mittlerweile dritte McDonald´s-Ausbildungsstudie, die das Unternehmen beim Institut für Demoskopie Allensbach (IfD) in Auftrag gegeben hat. […]

„Der Beruf als Vehikel, um zufrieden zu sein, verliert an Bedeutung“, sagte IfD-Geschäftsführerin Renate Köcher, die die Studie am 05.09.2017 in Berlin vorstellte. Stattdessen würden Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung wichtiger. […]

Dazu ein Blick in die Studie: In der jungen Generation [haben] Lebensziele an Bedeutung gewonnen, die stärker den persönlichen Bedürfnissen und der Selbstverwirklichung entsprechen. So hat sich innerhalb der letzten vier Jahre der Anteil der unter 25-Jährigen, denen es im Leben ganz besonders wichtig ist, Spaß zu haben und das Leben zu genießen, von 44 auf 50 Prozent erhöht. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil derer, die die eigenen Interessen und Hobbys zum Wichtigsten im Leben zählen, von 36 auf 44 Prozent. Und auch der Wunsch, seine Ideen und Vorstellungen vom Leben verwirklichen zu können, hat sich zwischen 2013 und 2017 in der jungen Generation verstärkt. (S. 12)

Die Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt [sind] für viele so groß wie nie. Paradox: Genau das scheint jedoch viele zu überfordern. So findet es ein Großteil viel schwieriger als früher, Entscheidungen über die berufliche Zukunft zu treffen. Jeder vierte Schüler hat noch keine konkrete Vorstellung vom Leben nach der Schulzeit.

Dazu aus der Studie: Lediglich 18 Prozent haben Jobmessen bei der Berufsinformation als besonders hilfreich empfunden. […] So gelten besonders persönliche Informationen, insbesondere von Personen mit Erfahrungen in dem Beruf oder Ausbildungszweig, für den man sich interessiert, als besonders glaubwürdig: 73 Prozent der 15- bis 24-Jährigen sind überzeugt, dass Gespräche mit Leuten, die den Beruf ausüben, den man selbst anstrebt, besonders zuverlässig sind. 67 Prozent empfinden das auch für Gespräche mit Personen, die die gleiche Ausbildung bzw. das gleiche Studium machen, 65 Prozent für Gespräche mit den Eltern. (S. 69)

Gelingt der Übergang in den Beruf, dann kann er einen großen Schub für die Persönlichkeitsentwicklung mit sich bringen. Gelingt er nicht, kann die gesamte weitere Persönlichkeitsentwicklung darunter leiden.

Dazu berichtet Susanne Vieth-Entus im TSP vom 04.09.2017: Wie groß die Lücke ist, die zwischen der Schule und dem Schritt in die Ausbildung klafft, zeigt ein Blick in den Brennpunktbezirk Berlin/Mitte. Hier gaben die Sekundarschulen bei einer Umfrage die Auskunft, dass nur jeder 20. Zehntklässler in eine duale Ausbildung übergeht. Für rund 50 Prozent hieß es, dass sie in die Arbeitslosigkeit gehen oder „Maßnahmen besuchen, die nicht zu einem Berufs- oder Bildungsabschluss führen“.

Aber selbst wenn es gelingt, einen Ausbildungsvertrag abzuschließen, sind damit die Probleme bei Weitem nicht gelöst: Jeder vierte Berliner Betrieb gab bei der jüngsten IHK-Ausbildungsumfrage als Grund für nicht besetzte Lehrstellen an, dass die jungen Leute den Vertrag gelöst hatten.

Hinzu kommt als Problem, dass es mit dem Herausfinden der eigenen Stärken nicht getan ist, wenn generell „Leistungsbereitschaft, Motivation und Belastbarkeit zur Ausbildungsreife fehlen“, wie die IHK-Betriebe feststellen.

Bereits am 15.10.2015 schrieb Susanne Vieth-Entus im TSP:  Eine Sekundarschule im Bezirk [Berlin/Mitte], die nicht genannt werden möchte, berichtet, dass 2014 nur sechs von über 120 Absolventen eine betriebliche Ausbildung begonnen haben; vier von ihnen gaben auf, „weil die Eltern nicht dahinter standen, oder weil es den Schülern zu anstrengend war“, wie der Rektor resümiert. Diese Bilanz ist für die Schule vor allem deshalb niederschmetternd, weil die Schüler „von hinten bis vorn gepimpt und beraten“ worden seien, um einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Einen Grund für den Misserfolg sieht der Schulleiter in der „Sozialisation“ der Schüler: „Sie bekommen bestimmte Dinge nicht vorgelebt.“ Oft habe in der Familie kaum jemand einen Beruf. „Die Schüler erfahren, dass sich auch ohne Arbeit ganz gut leben lässt. Darum sehen sie nicht ein, warum sie um sechs Uhr aufstehen und acht Stunden lang schuften sollen“, berichtet eine Schulleiterin im selben Bezirk.

zm Artikel:  http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/ausbildungsstudie-berufserfolg-verliert-fuer-junge-menschen-an-bedeutung/20287234.html

zur Studie: https://karriere.mcdonalds.de/docroot/jobboerse-mcd-career-blossom/assets/documents/McD_Ausbildungsstudie_2017.pdf
Für die Ausbildungsstudie 2017 wurden insgesamt 1.564 mündlich-persönliche Interviews mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von 15 bis 24 Jahren geführt.

siehe auch: http://www.tagesspiegel.de/berlin/schulabgaenger-im-berliner-brennpunkt-wenn-die-duale-ausbildung-zum-fremdwort-wird/12451900.html