Bertelsmann Stiftung als „Reformwerkstatt“ und als „Politikberatung“

Datum:  Dezember 2012
Über den Wert von Bertelsmann-„Studien“
Von Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL)

Die bildungspolitische Debatte ist immer weniger orientiert an den Kriterien Rationalität und Ehrlichkeit, sondern immer mehr geprägt von Schreckensszenarien gewisser Organisationen und Stiftungen.
Damit solche Szenarien ihre Wirkung entfalten können, werden sie als „Studien“ und damit als „Wissenschaft“ verkauft. Wenn der Initiator einer solchen „Studie“ auch noch OECD oder Bertelsmann heißt, dann steht eine solche „Studie“ kurz vor der Heiligsprechung zur apokalyptischen Offenbarung.
Diese Art von Handwerk versteht die Bertelsmann Stiftung hervorragend – übrigens nicht nur im Bereich Bildungspolitik, sondern auch in den Bereichen Kommunalpolitik, Außenpolitik, Europapolitik, Wirtschaftspolitik, Sozialpolitik, Gesundheitspolitik usw. Auf all diesen Feldern sieht sich die Stiftung als „Reformwerkstatt“ und als „Politikberatung“.
Die Bertelsmann Stiftung verfügt über enorme Ressourcen. 1977 gegründet, hält sie mittelbar rund 77 Prozent der Aktien der Bertelsmann SE & Co. KGaA. Das erlaubt ihr nicht nur die Beschäftigung von über 300 Mitarbeitern, sondern größte mediale Verbreitung über die in ihrer Hand befindlichen Sender und Printmedien. Weil die Bertelsmann-Familie Mohn rund drei Viertel der Bertelsmann-Aktien auf die Stiftung übertragen hat, sparte sie obendrein vermutlich gut zwei Milliarden Erbschafts- und Schenkungssteuer. Die Bertelsmann Stiftung mit ihrem Jahresetat von rund 60 Millionen Euro und mit einem Gesamtvolumen aller ihrer Projekte seit 1977 in der Höhe von rund 800 Millionen Euro arbeitet so gesehen also de facto mit öffentlichem Geld, ohne dafür gegenüber einer Exekutive oder Judikative Rechenschaft ablegen zu müssen. (…)
Insofern ist es an der Zeit, dass der Bertelsmann Stiftung endlich der (Schein-) Heiligenschein des angeblich selbstlosen Innovator und Impulsgebers genommen wird. Die Impulse der Stiftung bauen nämlich fast immer auf der Skandalisierung irgendwelcher vermeintlicher Missstände auf. Da ist man sich auf für gnadenlose Verzerrungen nicht zu schade. Zum Beispiel behauptete die Bertelsmann Stiftung nach der ersten PISA-Studie, Deutschland sei auf „hinteren Plätze“ zusammen mit „Klassenkameraden aus Mexiko und Brasilien“ gelandet. Aber das ist die Basis dafür, dass die Bertelsmann Stiftung mit Blick auf PISA dann meint, von sich selbst behaupten zu können: „Das Ergebnis der Studie (gemeint ist PISA; JK) unterstreicht, wie wichtig im Land der Dichter und Denker privatwirtschaftliche Bildungsinitiativen sind.“ Um dann fortzufahren: „….Nicht zuletzt haben Einrichtungen wie die Bertelsmann Stiftung durch ihre vielfältigen Aktivitäten dazu beigetragen, dass auch in Deutschland neue, innovative Schulkonzepte eine Chance bekommen.“ (…)

zum Artikel:  Deutscher Lehrerverband (DL), Aktuell, Dezember 2012, Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL), Über den Wert von Bertelsmann-„Studien“
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