„Die Diskussion über Inklusion auf den harten Boden der Tatsachen zurückzuführen“

Datum:  25.05.2015
Inklusion an Schulen aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer
Meinungen, Einstellungen und Erfahrungen Ergebnisse einer repräsentativen Lehrerbefragung

Presseerklärung Verband Bildung und Erziehung (VBE)
(…) Es ist ist bislang wenig darüber bekannt, wie die Lehrer an allgemeinbildenden Schulen selbst als – neben den Eltern und Schülern – direkt Betroffene zum Thema Inklusion stehen, welche Chancen und Probleme sie konkret sehen und welche Erfahrungen sie selbst bislang gemacht haben. Vor diesem Hintergrund hat forsa im Auftrag des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) eine bundesweite Repräsentativbefragung unter Lehrern an allgemeinbildenden Schulen durchgeführt, um in dieser Gruppe erstmals ein fundiertes Meinungsbild zum Thema Inklusion zu ermitteln. Im Rahmen der Untersuchung wurden bundesweit insgesamt 1.003 Lehrer an allgemeinbildenden Schulen in der Zeit vom 2. März bis 16. April 2015 in Deutschland befragt.

Auszüge der Repräsentativbefragung:

  • Bei der – offen und ohne jede Vorgabe gestellten – Frage nach den Argumenten, die gegen eine gemeinsame Unterrichtung sprechen, werden sowohl grundsätzliche (pädagogische) Argumente genannt als auch solche, die sich auf die Ausstattung der Schulen und die Qualifizierung des Personals beziehen. Der häufigste grundsätzliche Einwand betrifft das Argument, dass eine individuelle Förderung beider Gruppen bei einer gemeinsamen Unterrichtung nicht möglich sei. Weitere Argumente sind eine Überforderung der Kinder mit einer Behinderung bzw. die Benachteiligung der Kinder ohne eine Behinderung. Auch die Überforderung der Lehrkräfte wird als Gegenargument genannt.
  • Unter den Gründen gegen eine gemeinsame Unterrichtung, die sich auf die fehlenden Rahmenbedingungen beziehen, wird vor allem das fehlende Fachpersonal an Regelschulen und die dafür unzureichende Ausbildung der Lehrer genannt. Dann folgen die materielle und finanzielle Ausstattung der Schulen, die aus Sicht der Lehrer gegen eine gemeinsame Unterrichtung von Kindern mit und ohne Behinderung sprechen. Auch bei dieser Frage wird von einem Teil der Lehrer angemerkt, dass das Für und Wider einer gemeinsamen Unterrichtung auch abhängig ist von der Art bzw. der Schwere der Behinderung eines Kindes.
  • Die überwältigende Mehrheit der Lehrer (97 %) spricht sich dafür aus, auch bei Einrichtung eines inklusiven Schulsystems die bisherigen Förder- und Sonderschulen alle (55 %) oder mindestens teilweise (42 %) zu erhalten. Nur 2 Prozent halten Förder- und Sonderschulen perspektivisch für entbehrlich. Für einen (mindestens partiellen) Erhalt der Förder- und Sonderschulen sprechen sich im übrigen Lehrer an Schulen, in denen es bereits inklusive Lerngruppen gibt, genauso häufig aus wie Lehrer an Schulen ohne Erfahrung mit inklusiven Lerngruppen.
  • Nur 13 Prozent beurteilen das Fortbildungsangebot in ihrem Bundesland, um sich auf die Arbeit mit inklusiven Schulklassen vorzubereiten, als (sehr) gut. 77 Prozent der Lehrer beurteilen das Fortbildungsangebot hingegen als weniger (41 %) oder überhaupt nicht gut (36%). Auch in dieser Frage ergeben sich zwischen den einzelnen Schulformen oder dem Grad der eigenen Erfahrung mit inklusiven Lerngruppen nur graduelle Unterschiede.
  • 75 Prozent der Lehrer geben an, dass an ihrer Schule bereits Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet werden. In 9 Prozent der Fälle ist dies geplant, 14 Prozent geben an, dass dies nicht geplant sei.
  • Lehrer, an deren Schule es bereits inklusive Lerngruppen gibt, geben die Zahl der Kinder in diesen Gruppen im Durchschnitt mit 18 Kindern an. Die Zahl der Kinder in diesen Gruppen mit sonderpädagogischem Förderbedarf wird im Schnitt mit 4 Kindern angegeben.
  • 29 Prozent der Lehrer, die an Schulen unterrichten, in denen bereits inklusive Lerngruppen bestehen, geben an, dass die Klassengröße von inklusiven Klassen im Vergleich zu nicht inklusiven Klassen verkleinert worden sei. 65 Prozent geben dagegen an, dass die Klassengröße beibehalten wurde, 4 Prozent, dass die Klasse sogar vergrößert wurde.
  • 65 Prozent der Lehrer, die Schulen mit inklusiven Lerngruppen unterrichten, geben an, dass solche Gruppen für gewöhnlich nur von einer Person unterrichtet werden. 34 Prozent geben an, dass solche inklusiven Lerngruppen für gewöhnlich von zwei oder mehr Personen unterrichtet werden. Wo Letzteres der Fall ist, unterrichtet der Fachlehrer vor allem gemeinsam mit einem Sonderpädagogen (82 %), deutlich seltener dagegen gemeinsam mit einem anderen Fachlehrer (29 %), einem Assistenten (25 %) oder mit einem Lehrer in Ausbildung oder im Praktikum (18 %).
  • Nur wenige der Lehrer an Schulen mit inklusiven Lerngruppen geben an, dass es an ihrer Schule Maßnahmen zur Unterstützung bei der Bewältigung von möglichen physischen oder psychischen Belastungen durch die inklusive Unterrichtung gebe (7 %). 87 Prozent der Lehrer geben an, dass es keine derartigen Unterstützungsmaßnahmen gebe.

zum Artikel:  VBE Pressemitteilung und FORSA-Umfrageergebnisse zum Thema: Inklusion an Schulen aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer, 18.05.2015

weitere Artikel zu Inklusion:   Seitenleiste unter „Schule und Inklusion“