Archiv für den Tag: 9. Dezember 2017

«Eine gute Schule für unsere Kinder»

Baden-württembergische Eltern brachten folgende Anzeige in der „Stuttgarter Zeitung“ am 23.04.2016. Heute so aktuell wie damals!

Elternanzeige als PDF-Datei

Die Ungereimtheiten der Bildungspolitik der vergangenen Jahre hatten einige Eltern motiviert, mit anderen Eltern ins Gespräch zu kommen und aktiv zu werden. Das Ergebnis war eine Anzeige in der «Stuttgarter Zeitung» im April 2016, von über 100 Eltern unterschrieben. Sie ist auf ein enormes Echo gestoßen, woraufhin die Elterninitiative Schule Bildung Zukunft gegründet wurde. Für den 7. Oktober 2017 hatte die baden-württembergische Elterninitiative Schule Bildung Zukunft zu einer Vorstellung der Initiative und zu einem Vortrag mit Diskussion nach Böblingen geladen.

Gegen «Neue Lernkultur im Musterländle»

Der Erziehungswissenschaftler Matthias Burchardt von der Universität Köln erklärte in seinem Vortrag die Hintergründe der von den Eltern geschilderten Entwicklung. Der Referent kennt die Situation in Baden-Württemberg. 2012 und 2013 war er Lehrstuhlvertreter an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Aus nächster Nähe war er mit dem Umbau des baden-württembergischen Schulsystems in den Jahren 2011 bis 2016 konfrontiert. Mit seinem Artikel in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» vom Mai 2013, «Neue Lernkultur im Musterländle», trug er maßgeblich dazu bei, dass der geistige Vater des baden-württembergischen Gemeinschaftsschulmodells – der Schweizer Bildungsunternehmer Peter Fratton mit seinen 4 pädagogischen Urbitten, «Erziehe mich nicht, bringe mir nichts bei, erkläre mir nicht, motiviere mich nicht»1 – den Hut nehmen musste. Aber die Bildungspolitik blieb vorerst die gleiche.

Täuschung mit schönen Worten …

Burchardt stellte einleitend fest, dass an vielen Schulen – auch in Baden-Württemberg – nicht mehr das unterrichtet wird, was an Bildung notwendig ist, damit unsere Gesellschaft und Demokratie funktionieren kann. Er sprach von einer Täuschung mit schönen Worten und verdeutlichte dies mit verschiedenen Beispielen aus dem Wortkasten der «Schulreformer». So spreche man von einem «individualisierenden Unterricht», trage aber nichts zur Ausbildung von Individualität und Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen bei. Man spreche vom «selbstgesteuerten Lernen», lasse Kinder und Jugendlich aber eher vereinzeln und auf ihrem Weg in eine durch zwischenmenschliche Bindung gefestigte Selbstständigkeit im Stich. Man spreche von einer «Orientierung an der Arbeitswelt», bereite die jungen Menschen aber in keiner Weise auf die tatsächlichen Anforderungen im Berufsleben vor.

… und «Zahlenzauber»

Hinzu komme ein «Zahlenzauber». So rühme sich die Bildungspolitik, die Abiturientenzahlen enorm erhöht zu haben, verschweige dabei aber, dass diese Vermehrung auf Kosten der Qualität erreicht wurde. Er verwies auf das Beispiel des kompetenzorientierten Unterrichts, der dazu geführt hat, dass Neuntklässler schriftliche Abituraufgaben im Fach Biologie lösen können – weil es ausreichend viel Punkte gibt, wenn man die Texte in den Aufgabenmaterialien lesen und verstehen kann.

Akteure ohne demokratische Legitimation

Am Werk seien bildungspolitische Akteure ohne politisches Mandat. Burchardt nannte die OECD und eine Reihe privater Stiftungen wie Bertelsmann, Bosch oder Breuninger. Sie bestimmen die schulpolitische Agenda, nicht mehr die demokratisch gewählten Volksvertreter und schon gar nicht die Bürger selbst. Völlig unbegründet werde behauptet, die Schulreformen seien wie die Folgen eines Naturgesetzes, «alternativlos» und nur von «Experten» in die Wege zu leiten. Weiterlesen