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Die „Bildungs“-Stiftungen als Türöffner

Perfektes Zusammenspiel

Manfred Fischer für Schulforum-Berlin

Geht es um die „Digitale Schule“, dann hebt der ehemalige Schulleiter Jacob Chammon, der die Deutsch-Skandinavische Gemeinschaftsschule in Berlin geleitet hat, eifrig die Hand, um Gehör zu finden. [1] Seit 1. April 2020 ist er als geschäftsführender Vorstand des Forum Bildung Digitalisierung tätig. Betrachtet man die Strategie der in diesem Forum zusammengefassten Stiftungen – darunter die Deutsche Telekom Stiftung, die Bertelsmann Stiftung, die Robert Bosch Stiftung, die Wübben Stiftung [2] – und die mit ihnen verbundenen Konzerne sowie deren Aktivitäten untereinander genauer [3], entdeckt man ein „perfektes Zusammenspiel: Die Stiftungen wirken wie ein Türöffner“. [4] So gibt das Forum „Empfehlungen, erarbeitet praktische Lösungen und leistet Orientierungshilfe für schulische Veränderungsprozesse.“ [5] Zu jeder sich ihnen bietenden Gelegenheit melden sich deren „Experten“ zu Wort, um ihre „revolutionierenden digitalen Bildungskonzepte“ voranzubringen. Ihre „Empfehlungen“ sind passgenau ausgerichtet an den Medien- und IT-Produkten der jeweiligen Technologieunternehmen im Hintergrund.

Administrativer Druck gefordert

Eine der „Orientierungshilfen“ zur Einführung „digitaler Tools“ führt sogar so weit, dass von den „Bildungsexperten“ gefordert wird, „mehr administrativen Druck auf die Schulen“ auszuüben. [6] Deutlich wird: Es geht darum, das „digitale Bildungskonzept“ der Stiftungen gewinnbringend für die Unternehmen an unseren Schulen umzusetzen – ganz ohne demokratische Kontrolle und öffentliche und fachwissenschaftliche Diskussion. Dazu äußert sich Josef Kraus, ehemaliger Präsident des Deutschen Lehrerverbands, mit einem exemplarischen Beispiel für das Vorgehen der Bildungsstiftungen: „Die Bertelsmann-Stiftung ist eine Krake, die sich jeder demokratischen Kontrolle entzieht.“ [7] Von den Akteuren wird vordergründig angegeben, sich für den Bildungserfolg der Schülerinnen und Schüler, für Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit einzusetzen und den Lehrkräften wird versprochen, sie für wichtige pädagogische Aufgaben zu entlasten. Dies soll, so wird beschworen, mit Hilfe der verschiedensten „digitalen Tools“ möglich sein. [8]

Werbewirksame Produktbeschreibungen

Fakt zu den vielen Erfolgsversprechen der „segensreichen [!] Wirkung“ der „digitalen Tools“ ist: Es gibt keine kontrollierten Studien über die Lernwirksamkeit der digitalen Lernwerkzeuge. Auch fehlen Studien zu der Belastbarkeit, d.h. zur Glaubwürdigkeit der Aussagen zu den Lehr- und Lernprodukten. Die Erfolgsversprechen basieren auf Aussagen einzelner Akteure und Lobbyisten oder entspringen der werbewirksamen Produktbeschreibung der Hersteller. [9] Deutlich wird: Das Vorgehen der Akteure und die „Empfehlungen“ dienen der Verschleierung, z.B. von ideologischen oder ökonomischen Interessen.

Individuelle Bildung für alle im Tausch gegen Daten von jedem

Unberücksichtigt bleibt, dass die durch die „digitalen Tools“ vielfältig gesammelten Daten nicht nur bei Schulen, sondern – so gewollt – bei den Startups und Unternehmen landen. Vorgegeben wird, damit den individuellen Lernprozess der Schülerinnen und Schüler zu optimieren. Dazu bedarf es personenbezogener Daten, mehr Daten und noch mehr Daten – dem „Schmierstoff“ dieses digitalen Bildungsmodells. Das Geschäftsmodell lautet: „Individuelle Bildung für alle im Tausch gegen Daten von jedem“. [10]

Dieses „Geschäft“ mit unseren Schülerinnen und Schülern scheint dem ehemaligen Berliner Bildungssenator, Jürgen Zöllner, heute aktiv in der Wübben Stiftung, keine Kopfschmerzen zu bereiten, wenn er schreibt: „Datenschutz ist zum Kult geworden, der zum Selbstzweck mutiert“. Weiter führt er aus, dass „innovative Schulen mit ebensolchen Lehrkräften […] mit absurden bürokratischen und datenschutzrechtlichen Steinen, die ihnen in den Weg gelegt werden“ zu kämpfen hätten. [11] Heißt innovatives Vorgehen die Aussetzung eines Grundrechtes, der Grundlage unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft?

Dazu die Beauftragten für den Datenschutz und Informationsfreiheit Maja Smoltczyk (Berlin) und Dieter Kugelmann (Rheinland-Pfalz): „[W]enn Datenschützer:innen fordern, dass die Digitalisierung der Schulen datenschutzgerecht erfolgen muss, dient dies nicht der Verhinderung von Digitalisierung, […] es geht darum, für Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte einen geschützten Raum zu schaffen, in dem ihre Daten sicher sind, nicht missbraucht und irgendwann gegen sie verwendet werden“. [12] Auch ist einzubeziehen, dass die Schaffung einer den gesamten Bildungsweg durchziehenden, personenbezogenen, unkontrollierbaren Datensammlung erhebliche pädagogische und ethische Konsequenzen mit sich bringt. Zum jetzigen Zeitpunkt sind die damit einhergehenden Risiken kaum abschätzbar.

Design der Tools

Den Schulleitungen, Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern ist zu empfehlen, bei der Digitalisierungsstrategie ihrer Schule zu berücksichtigen, dass hinter jeder Lernsoftware, „hinter jeder digitalen Lernplattform, jeder App, jeder Schulverwaltungssoftware, eine bestimmte, zu einem programmierbaren Design verdichtete Idee von Schule, von Lernen oder Lernzuwachs, von SchülerInnen oder Lehrkräften“ steht. […] D.h. bei der „Nutzung eines Tools lassen sich die NutzerInnen automatisch auf eine bestimmte Sichtweise auf […] Bildung ein“ ohne zu wissen „wie Bildung und Lernen in der konkreten Software verstanden werden“ und ob diese mit den eigenen „Werten und Ideen von Lernen und Bildung zusammenpasst“. [13]

Ohne Kommentar

Als Fazit ist anzumerken, dass bei der Nutzung digitaler Lerntools durch die Schülerinnen und Schüler von den „Bildungsexperten“ die Vereinzelung beim Lernen, die Abschaffung des Unterrichts, die Auflösung der Klassengemeinschaft, der Verlust von Sozialkompetenzen, ja auch die Aussetzung eines Grundrechts kommentarlos hingenommen wird. Der Hype, der um die „Digitale Schule“ gemacht wird, ist gerade auch Schülerinnen und Schülern von sogenannten „Tabletklassen“ bewusst, die fordern:

Weniger bringt mehr!

[1] TSP, 22.09.2021, Amory Burchard, Digitale Schule „nach Corona“ – Bildungsexperten warnen vor Rückkehr zum klassischen Frontalunterricht (Titel in der Onlineausgabe)

[2] Es sind dies derzeit neun Stiftungen: Die Deutsche Telekom Stiftung, die Bertelsmann Stiftung, die Robert Bosch Stiftung, die Siemens Stiftung, die Dieter Schwarz Stiftung, die Joachim Herz Stiftung, die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft, die Stiftung Mercator und die Wübben Stiftung.

[3] Weitere Informationen:  Förschler, Annina (2018): Das „Who is Who?“ der deutschen Bildungs-Digitalisierungsagenda. In: Pädagogische Korrespondenz, Heft 58, 2018, S. 31-52. 

[4] Christian Füller (2016): Perfektes Zusammenspiel. In: GEW Landesverband Hamburg, Bildungspolitik, E&W 06/2016.   

[5] https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/in-vielfalt-besser-lernen/projektnachrichten/lehrkraefte-plus-1-1

[6] Tagesspiegel, 22.09.2021, Amory Burchard, Digitale Schule „nach Corona“ – Bildungsexperten warnen vor Rückkehr zum klassischen Frontalunterricht (Titel in der Onlineausgabe)

[7] Die Bertelsmann-Stiftung, so Josef Kraus, ehemaliger Präsident des Deutschen Lehrerverbands, reduziere Bildung auf „Quantifizierbares“, um sie wirtschaftlich verwertbar zu machen – im Dienste des Bertelsmann-Konzerns: „Die Bertelsmann-Stiftung ist eine Krake, die sich jeder demokratischen Kontrolle entzieht.“

[8] Trendstudie „KI@Bildung“ (2021): „Lehren und Lernen in der Schule mit Werkzeugen Künstlicher Intelligenz“, S. 4. Die Studie war im Auftrag der Deutschen Telekom-Stiftung durchgeführt worden, veröffentlicht am 1.7.2021.

[9] Siehe dazu die Besprechung der Studien für Schulforum-Berlin: „Personalisiertes Lernen mit digitalen Medien. Ein roter Faden“ der Robert Bosch Stiftung (2018) sowie KI@Bildung – Lehren und Lernen in der Schule mit Werkzeugen Künstlicher Intelligenz – Schlussbericht – der Deutschen Telekom Stiftung (2021)

[10] Jörg Dräger, Ralph Müller-Eiselt (2018): Die digitale Bildungsrevolution, S. 24.

[11] Jürgen Zöllner, Impaktmagazin Spezial, Bildungspolitik in Zeiten der Pandemie ein Aufruf zum Aufbruch. Zöllner gehört dem Kuratorium der Wübben Stiftung an, formiert unter dem Dach des „Forum Bildung Digitalisierung“.

[12] Tagesspiegel, 5.2.2021, Dieter Kugelmann, Maja Smoltczyk, Datenschutz ist kein Supergrundrecht – Aber er ist ein Grundrecht. Onlineversion: Die billige Suche nach Sündenböcken löst keine Probleme„Schluss mit den Attacken auf den Datenschutz“

[13] Siegrid Hartong u.a. (2021): Unblack the Box, Anregungen für eine (selbst)bewusste Auseinandersetzung mit digitaler Bildung. In: Lankau, Ralf (Hrsg.): Autonom und mündig am Touchscreen, Weinheim und Basel: Beltz, S. 201 – 212.

„Bildung“ ist ihr Geschäft!

Wem nutzt eine „digitale Revolution“ an unseren Schulen?

Dieser Beitrag wurde in modifizierter Form als Leserbrief im Tagesspiegel veröffentlicht zu einem Text von Jörg Dräger vom 22.09.2020, Bitte keine Pseudo-Digitalisierung in der Schule.

Das Unternehmen Bertelsmann mit der Bertelsmann Education Group zählt zu den zehn größten Medienunternehmen weltweit und ist genau dort tätig, wo auch seine Stiftung ihr Zukunftsthema sieht: in der Digitalisierung der Schule. „Bildung“ ist ihr Geschäft. Es wundert also den Pädagogen nicht, wenn Jörg Dräger, Mitglied des Vorstands der Bertelsmann-Stiftung, bei jeder sich ergebenden Gelegenheit zu Wort meldet:

„Digitalisierung muss […] die Pädagogik revolutionieren“. An anderer Stelle sagt er: „Die digitale Revolution an unseren Schulen ist also eine pädagogische, keine technische Revolution.“ Was heißt das konkret für den Unterricht unserer Schüler?

Nach Dräger bedarf es dazu einer „neuen Pädagogik, mit der Personalisierung des Lernens im Mittelpunkt“. Er fordert, dass die „Lerninhalte und ihre Vermittlung passgenau“ an die „Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler auszurichten“ sind. Doch die Grundlage für das sogenannte individualisierte oder personalisierte Lernen ist, dass möglichst viele Daten über jeden Schüler erfasst, vom Lernprogramm analysiert, ausgewertet und gespeichert werden („Learning Analytics“). Das verschweigt er!

Die Schüler werden von einem Algorithmus gesteuert, an ihrer Seite ein zum Coach bzw. Lernbegleiter degradierter Lehrer. Für diese „Pädagogische Revolution“ braucht es „digitale Endgeräte, Lernvideos und -software […], um die herkömmlichen Abläufe der schulischen Wissensvermittlung aufzubrechen.“ Alles andere ist für Dräger „Pseudo-Digitalisierung“.

Unter Federführung der konzernnahen Stiftung kommt den Lehrkräften und Schülern nun der Bertelsmann-Konzern mit seiner kompletten Verwertungskette für digitale Lehr- und Lernprodukte sowie einer multimedial gestalteten Lehr-Lern-Umgebung „zu Hilfe“.

Mittlerweile sehen auch Schüler, dass es bei der Digitalisierung der Schule nur vordergründig um Lernförderung geht. Die Auswirkungen der Vereinzelung beim individuellen Lernen, der Frontalunterricht vor dem Bildschirm, das Fehlen einer empathischen Resonanz, die Auflösung der Klassengemeinschaft und die unkontrollierbare Nutzung und weitere Verwertung ihrer gespeicherten Daten werden verschleiert. Zu diesem Vorgehen haben Schülerinnen und Schüler der Sophie-Scholl-Oberschule Berlin in einem Zeitungsbeitrag geschrieben: „Wir sind gegen die Digitalisierung von Schulen, weil wir nicht wollen, dass unsere Daten ausgekundschaftet und benutzt werden. […] Wir haben als Jugendliche das Recht, Fehler zu machen und daraus zu lernen, ohne dass sie uns im späteren Leben zum Verhängnis werden.“

Wir brauchen keine „digitale Revolution“ an unseren Schulen nach den ökonomischen Interessen und „Bildungs“-Vorstellungen der konzernnahen Bertelsmann-Stiftung [1].

Für die Schule und den Unterricht in der Klassengemeinschaft ist festzuhalten, dass auch der Verlust von Sozialkompetenzen, sprachlichem Ausdrucksvermögen und vernetztem Denken sich gerade nicht durch die „Schul-Digitalisierungs-Revolution“ verbessern lassen – denn Lernen braucht die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden.

Ständig wiederholte Rufe nach einer „pädagogischen Revolution“ helfen hier nicht weiter!

Manfred Fischer, Lehrer. Text für Schulforum-Berlin

[1] Die Stiftung, so Josef Kraus, ehemaliger Präsident des Deutschen Lehrerverbands, reduziere Bildung auf „Quantifizierbares“, um sie wirtschaftlich verwertbar zu machen – im Dienste des Bertelsmann-Konzerns: „Die Bertelsmann-Stiftung ist eine Krake, die sich jeder demokratischen Kontrolle entzieht.“


Weitere Informationen:

Bertelsmann-Stiftung – „Bildung“ ist ihr Geschäft

Die Bertelsmann-Stiftung prangert regelmäßig Missstände im deutschen Schulwesen an. Das müsste Lehrergewerkschaft und -verbänden eigentlich recht sein. Ist es aber nicht. https://www.tagesspiegel.de/wissen/bertelsmann-stiftung-bildung-ist-ihr-geschaeft/14700072.html

Die Bertelsmann Stiftung wirbt intensiv für die Digitalisierung in Schulen und Hochschulen. Das passt perfekt in die Strategie des gleichnamigen Konzerns: Das Bildungsgeschäft ist seine neue „Cash-Kuh“. https://www.gew-hamburg.de/themen/bildungspolitik/perfektes-zusammenspiel

Kaum eine Woche vergeht, ohne dass Autoren der Bertelsmann-Stiftung das Land belehren wollen. Sie kommen selbstlos daher – und regen viele auf. Zurzeit zum Beispiel die Lehrer. https://www.sueddeutsche.de/bildung/gesellschaft-und-politik-das-glashaus-1.3899280-0#seite-2

Annina Förschler (2018): „Das ‚Who is who?‘ der deutschen Bildungs-Digitalisierungsagenda – eine kritische Politiknetzwerk-Analyse“. In: Pädagogische Korrespondenz, 58/18. Siehe auch: https://schulforum-berlin.de/das-who-is-who-der-deutschen-bildungs-digitalisierungsagenda/

Jochen Krautz (2020): Digitalisierung als Gegenstand und Medium von Unterricht. GBW-Flugschrift 1; Ralf Lankau (2020): Alternative IT-Infrastruktur für Schule und Unterricht. GBW-Flugschrift 2, https://bildung-wissen.eu/gbw-flugschriften

Die Revolution des Lernens hat begonnen

Sprechblasen zum Thema Lernen

… von Prof. Ada Pellert aus dem Interview in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vom 09.06.2020 mit der Überschrift „Die Revolution des Lernens hat begonnen“. Christian Füller im Gespräch mit der Rektorin der Fernuniversität Hagen.

Auf die Frage, ob „Rückkehr zum normalen Unterricht überhaupt wünschenswert ist“, sagt Prof. Pellert:

„Seifenspender sind gut, aber gutes Lernen ist wichtiger. Wir haben in den vergangenen Wochen eine neue Praxis von Lernen kennengelernt. Es wäre jammerschade, wenn wir das einfach wieder vergäßen.“

Die Richtung ihrer Botschaft, hin zu einem „kulturellen Umbruch“, wird deutlich, wenn sie ausführt:

 „Überall in der Bildungsrepublik finden sich Beispiele von Lernen, die in meinen Augen ein Vorgeschmack auf die Zukunft sind. Wir stecken mitten in einer Kulturrevolution des Lernens“.

Um ihre Aussage zu belegen, bemüht sie ein Beispiel aus dem letzten Jahrhundert. Die „Stoffvermittlung alter Schule hat ausgedient“, um dann sogleich ihr Lied für die Digitalisierung des Unterrichts weiter zu singen:

„Wir können die Lehrkraft durch digitale Werkzeuge für das freispielen, was lernpsychologisch fundamental ist: eine Beziehung herzustellen. Das kann nur eine Person.“

Wie man sich die „neue Praxis von Lernen“ vorzustellen hat, soll uns wohl der Versuch einer Schulleiterin zeigen, die „Nathan der Weise“ im Chat gelesen hat. Ein „Vorgeschmack“:

 „Die Lehrerin“, so führt sie aus, „hat die Ringparabel in die Lebenswelt der Schüler gebracht. So funktioniert gutes Lernen – auch wenn es auf den ersten Blick absurd erscheint, sich über Lessing per Emojis auszutauschen.“

Erleichterungspädagogik
Konrad Paul Liessman stellt zur „Reduktion und Vereinfachung“ der Sprache und dem „Entgegenkommen, vor allem wenn es auch als Unterrichtsprinzip reüssieren sollte“, die Frage:
„[B]edeutet eine stark vereinfachte Sprache nicht auch ein stark vereinfachtes Bewusstsein?“ (S. 134)
Und er fährt weiter fort:
„Lesen und Schreiben sind Kulturtechniken, deren grundlegende Beherrschung unerlässlich ist. Dass der Erwerb dieser Techniken nicht jedem leichtfällt, ist kein Grund, das Betrachten von Bildern zu einem Akt des Lesens und das Ankreuzen von Wahlmöglichkeiten zu einem Akt des Schreibens hochzustilisieren. Besser wäre es, all jene, die Schwierigkeiten beim Erwerb dieser Fähigkeiten haben, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen, damit sie wirklich lesen und schreiben lernen. (S. 147)
Aus: Liessmann, Konrad Paul (2014): Geisterstunde. Die Praxis der Unbildung. Prof. Liessmann lehrt Philosophie an der Universität Wien.

Diese Art des Fernhaltens der Schüler von der „literarischen Kultur“ erreicht die Lehrerin durch Anbiederung und Niveausenkung im Unterricht. Prof. Ada Pellert dazu unterstützend:

„Die sozialen Medien mit ihren Tools und Werkzeugen sind nun mal die Umgebung der Jugendlichen.“ Sie argumentiert weiter: „Im Chat bringe ich Nathan der Weise leichter in die Welt der Schülerinnen und Schüler, als wenn ich sie im Klassenzimmer um 11.15 Uhr bitte, die Ringparabel zu erklären.“

Die Willkommensklasse „10w“ von Iyad Abo Faroch, der vor fünf Jahren aus Aleppo flüchtete, war lange sein zweites Zuhause, erzählt der Abiturient. Syrer, Afghanen, sogar Koreaner waren dabei. Die Schule sei der einzige Ort gewesen, an dem die geflüchteten Jugendlichen ihren Problemen entfliehen konnten. Das schlechte Essen im Heim, die Wohnungssuche, die unzähligen Besuche im Jobcenter waren kurz vergessen. Stattdessen wurde gelesen, etwa „Nathan der Weise“ von Gotthold Ephraim Lessing. „Das ist eines meiner absoluten Lieblingsbücher“, erzählt Iyad in seinem tadellosen Deutsch. Das A2 Niveau habe er nach nur vier Monaten in der Willkommensklasse gemacht. Dabei kannte er bei seiner Ankunft an der deutsch-österreichischen Grenze kaum zwei Sätze in der fremden Sprache. Aus: TSP, 21.06.2020, Beilage Abitur 2020, Aleksandra Lebedowicz, „Er hat´s geschafft“. Herzlichen Glückwunsch zum erfolgreich gemeisterten Abitur am Dreilinden-Gymnasium in Berlin-Zehlendorf.

Das für die Rektorin der Fernuniversität Hagen funktionierende „Bildungskonzept“ erklärt sie am Beispiel des „flipped classroom“ folgendermaßen:

„[D]as Modell für hybriden Unterricht ist: Schüler schauen zu Hause ein für sie vom Lehrer aufgenommenes Input-Video – und sprechen dann mit ihm im Unterricht darüber, individueller als in einer normalen Schulstunde.“

Diese, von ihr zurechtgelegte Vorgehensweise, begründet sie damit:

„Weil die Lehrkraft nicht mehr von vorne Wissen vermittelt, sondern individuell auf Fragen und Probleme der Schüler eingeht.“ Sie fährt weiter fort: „In einem Einzel-Videogespräch kann sich ein Lehrer zum Beispiel viel mehr Zeit für einen Schüler nehmen, als wenn er auf einem Schulflur schnell ein paar Hinweise gibt.“

Hier diskreditiert und reduziert Prof. Ada Pellert bewusst den persönlichen Kontakt, das menschliche Gegenüber, die Bedeutung der Beziehung beim Lernen, auf eine flüchtige Begegnung im Schulflur. Die für das Lernen wesentlichen Aspekte, die Bedeutung der Klassengemeinschaft, der Austausch und das Hin und Her, der Diskurs in der Klasse, erwähnt sie gar nicht.  

Vor Euphorie oder Zustimmung sei also gewarnt. Gerade beim “digitalen Lernen“ vor einem Bildschirm bleiben das Frontale und das Autoritäre erhalten, sie erscheinen nur in einer „coolen“ Form.

Da stellt man sich die Frage: Hat die Wirtschaftswissenschaftlerin und Rektorin der Fernuniversität Hagen mit ihren Aussagen wirklich die Schüler im Auge oder vertritt sie in euphemistischer Weise die Interessen der Medien- und IT-Industrie? Die Beispiele wiederholen sich von deren Lobbyisten und den konzernnahen Stiftungen. Klar ist: Es geht nicht nur um die fünf Milliarden Euro des „Digitalpaktes“, vielmehr müssten „2,8 Milliarden Euro jährlich [!] investiert werden, um all unsere Grundschulen und weiterführenden Schulen mit entsprechender Infrastruktur auszurüsten“. Die „Finanzierung ist eine milliardenschwere Daueraufgabe“, so die Bertelsmann Stiftung in einer Studie von 2017.

Lesen sie mehr darüber: „Das Bildungsgeschäft ist eine Cash.-Kuh“, siehe auch: „Ihr Geschäft ist die Digitalisierung“ sowie „Lobbyismus macht seit langem nicht mehr Halt vor dem Klassenzimmer“.

Seit September 2016 ist Prof. Ada Pellert, Vorsitzende der Kooperationsplattform Digitale Hochschule NRW (DH-NRW), seit August 2018 Mitglied des Digitalrates der Bundesregierung.

Auswahl der „Sprechblasen“ aus dem Interview, die Anmerkungen dazu sowie die Textauswahl im Kasten durch Schulforum-Berlin. Bilder: Screenshot aus Apple Color Emoij, F.A.S., 25.05.2014, Nur noch Analphabeten.


Weitere Stimmen zum Thema:

Wir Lehrerinnen und Lehrer sind aufgerufen, die „neoliberalen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und Grundlagen unserer Arbeit mitzudenken. Nur so können wir verhindern, dass unser soziales Engagement für unsere Schülerinnen und Schüler instrumentalisiert wird. Voraussetzung dafür bleibt, dass wir insbesondere in Krisenzeiten wohlklingende Begriffe, forcierte Entwicklungen und uns als alternativlos präsentierte einfache Lösungen kritisch in den Blick nehmen. Sozialer Spaltung im Bildungssystem werden wir erst wieder etwas entgegenzusetzen haben, wenn Etikettenschwindel nicht mehr Schule machen kann.“ Aus: „Die Geister die wir rufen…“ – Bildungspolitik und soziale Spaltung, Marc Mattiesson

Die Hochschulen mussten nach dem Corona-„Lockdown“ ihre Lehre auf digital organisierte Formate umstellen. Auch hier sind Bestrebungen im Gange, solche „digitalen Formate“ für die Lehre über das Sommersemester hinaus zu verstetigen. Dagegen regt sich breiter Widerspruch. Mehr Infos und zur Petition.

„Digitalisierung“ ist ein beliebtes Schlagwort der Hochschullandschaft. Wir halten an dieser Stelle fest: Diese Krise ist keine Chance, sondern ein riesiges Problem. Das gilt in der jetzigen Situation auch für die Digitalisierung. Denn Online-Lehre kann und darf die Präsenzlehre nicht ablösen. Aus: Studentischer Forderungskatalog zur Lage der Hochschulen, Überschrift „Digitalisierung“.

Wir wollen aber gerade nicht nur Stoff vermitteln, sondern junge Menschen prägen und sie bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung begleiten. Das kann nur gelingen, wenn wir diese Menschen von Angesicht zu Angesicht sehen und erleben können. Es geht nicht darum, sie stromlinienförmig einzunorden. Aber Neugier und geistige Offenheit können und müssen wir immer wieder einfordern.
Von einem Zentrum für Hochschuldidaktik erhielt ich vor einigen Tagen einen Fragebogen zur rein digitalen Lehre. Die meisten Fragen waren eingeleitet mit Sätzen wie „An der digitalen Lehre gefällt mir…“ oder „Der Vorteil der digitalen Lehre liegt darin…“. Ganz am Ende kam endlich ein Freifeld: „Ein weiteres digitales Semester ist…“. Meine Antwort war klar: „… eine Katastrophe.“
Aus: GBW, 09.06.2020, Prof. Peter Oestmann, Von Angesicht zu Angesicht

„Schulen sind der Aufklärung und nicht der Verklärung verpflichtet“

„Die gekaufte Schule“ titelte das Nachrichtenmagazin Der Spiegel vor einigen Jahren, die Wochenzeitung Die Zeit überschrieb einen Beitrag gar mit „Gehirnwäsche“. Der stetig wachsende Einfluss von Industrie und Wirtschaft auf Schülerinnen und Schüler schafft es immer wieder in die Öffentlichkeit. […] [M]it dem unlängst verabschiedeten „Digitalpakt“ gewinnt die Frage nochmals zusätzlich Bedeutung, ob – und wenn ja, inwieweit – diese Lehr- und Lernmaterialien als Träger didaktischer Innovationen oder aber als Instrumente interessengeleiteter Einflussnahme zu deuten sind. […] Die Akteure dieses Lobbyismus an Schulen – Unternehmen, Verbände, Stiftungen, Initiativen, aber auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – machen ihre Motive jedenfalls unmissverständlich deutlich: […] Effizienter als im Klassenraum wird eine PR-Agentur oder ein Unternehmen den „Werbe“-Etat kaum einsetzen können. [1]

Wie Dax-Unternehmen an Schulen Lobbyismus betreiben

Die Studie der Otto-Brenner-Stiftung analysiert Formen, Umfang und Inhalte von Lobbyismus an Schulen, 7.10.2019 [2]

Sanierungsbedürftige Schulgebäude, gesunkene Schulbuchetats, begrenzte Kopierkontingente und die wachsende Bedeutung fachfremder Lehrkräfte ebnen mehr und mehr Privatunternehmen den Weg hinter die Schultore. Das ist ein Ergebnis der Studie „Wie DAX-Unternehmen Schule machen“, die jetzt von der Otto Brenner Stiftung veröffentlicht worden ist. Die Untersuchung analysiert den stetig wachsenden Einfluss von Industrie und Wirtschaft auf die Schulen in Deutschland. Sie zeigt, dass Unternehmen intensiver denn je im einstigen „Schonraum Schule“ für ihre Produkte und Dienstleistungen werben, dort um künftige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer buhlen oder mittels Lehrmaterialien auf die Prägung der Vor- und Einstellungen von Schülerinnen und Schülern setzen. Kostenlose Unterrichtsmaterialien stellen dabei der Studie zufolge die prägendste Form der Beeinflussung dar.

Zwei Drittel der DAX-Unternehmen in Schulen präsent

Studienautor Tim Engartner, Professor für die Didaktik der Sozialwissenschaften mit dem Schwerpunkt politische Bildung an der Goethe-Universität Frankfurt, hat erstmalig die Verbreitung von Lehr- und Lernmaterialien durch große deutsche Unternehmen untersucht. Sein Befund: Zwanzig von dreißig DAX-Unternehmen bieten entsprechende Materialien an. „Die Finanzierung, Entwicklung und zumeist kostenlose Verbreitung von Unterrichtsmaterialien stellen heute das zentrale Vehikel zur Einflussnahme auf den Unterricht dar“, konstatiert Engartner. Der profilierte Experte auf dem Gebiet der (schulischen) Lobbyismus-Forschung hat zudem festgestellt, dass Unternehmen bisweilen dieses Engagement mit der Entsendung unternehmenseigener Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Lehrpersonal verbinden. Engartner befürchtet, dass der „unternehmerische Zugriff“ auf die Schule als „Erfahrungs-, Schutz-und Sozialisationsraum für Kinder und Jugendliche“ durch die steigende Zahl fachfremder Lehrkräfte und die Erosion der Lernmittelfreiheit künftig noch zunehmen wird. Wie die Studie zeigt, reicht das Engagement schon jetzt von Unterrichtsmaterialien, die das Zeichnen von Briefmarken thematisieren (Deutsche Post), über die Gestaltung von Wimmelbüchern (Bayer) bis hin zu Illustrationen im Pixi-Format (Deutsche Börse). Die Materialien orientieren sich dabei inhaltlich meist an den Aktivitäten und Branchen der Unternehmen. Sie unterscheiden sich jedoch nicht nur thematisch, sondern auch mit Blick auf Qualität und Intensität. „Die meisten der untersuchten Unterrichtsmaterialien lösen keinen Allgemeinbildungsanspruch ein, sondern fokussieren Themen der Finanz-, Energie- und Automobilwirtschaft“, bilanziert Jupp Legrand, Geschäftsführer der Otto Brenner Stiftung. Und weil dies in teils tendenziöser Art und Weise geschieht, diene das Schul-Engagement oftmals weniger der Förderung des Gemeinwohls, als dem Eigennutz der Unternehmen, so die Analyse von Autor und Stiftung.

Die Kleinsten der Kleinen im Visier

Fast alle der im Feld der Unterrichtsmaterialien aktiven DAX-Unternehmen (17 von 20) adressieren mit speziellen Angeboten explizit auch Grundschulkinder (Primarstufe), einige wenige erstellen zusätzlich Materialien für Kindergärten. „Die Kleinsten der Kleinen schon direkt anzusprechen zeigt exemplarisch, um was es mit diesem Engagement viel zu oft geht: Frühzeitige Kundengewinnung, aber auch die Propagierung bestimmter Weltbilder“, konstatiert Legrand, „der `Schonraum Schule ́ wird damit zum Marktplatz und die Lerninhalte verlieren ihre demokratische Legitimation.“ Vielfach stünde nicht die Würde des Menschen im Mittelpunkt dieser unternehmerischen Bemühungen, sondern die Freiheit des Marktes, heißt es im Vorwort des Geschäftsführers zur Studie. Als Konsequenz schlagen Autor und Stiftung eine stärkere Regulierung privater Lehr-und Lernmaterialien vor. So gäbe es zwar lobenswerte Beispiele, wie sich Schulen gegen Lobbyeinflüsse wehren, aber eine „kohärente Praxis kritischer Wachsamkeit“, beispielsweise durch eine bundesweite Prüfstelle für Unterrichtsmaterialien privater Content-Anbieter, liege „leider noch in weiter Ferne“, stellt Prof. Engartner nüchtern fest. Er appelliert an die bildungspolitisch Verantwortlichen, diese (Schul)Aufgabe koordiniert anzugehen.
[1] Jupp Legrand  im Vorwort der Studie (S. 1)
[2] Text siehe Pressemitteilung zur Studie der Otto-Brenner-Stiftung
Zur Studie: Tim Engartner: „Wie DAX-Unternehmen Schule machen – Lehr- und Lernmaterial als Türöffner für Lobbyismus“, OBS-Arbeitsheft 100, Frankfurt am Main, Oktober 2019
Siehe auch: Schule im Dienst der Konzerne? von René Scheppler


Stifter und Schenker
Wie der Kommerz das Klassenzimmer kapert

Von wegen Dichter und Denker. Was Kinder in Deutschlands Schulen zu lernen haben, wird immer stärker von den Marketingabteilungen der Industrie bestimmt. Daimler, Allianz und VW sind in Deutschlands Lehranstalten längst mehr als nur ein gern gesehener Gast. Sie richten Feste und Wettbewerbe aus, finanzieren Labore, offerieren Lehrerfortbildungen, machen Klassenfahrten möglich – und helfen so, die Schandflecke eines kaputtgesparten Bildungssystems zu kaschieren. Obendrein sorgen sie mit massenhaft Unterrichtsmaterial zum Nulltarif dafür, dass der Nachwuchs seine Rolle als braver Staatsbürger und willfähriger Konsument einübt. […] Nicht das Kindes- und Gemeinwohl zählen, sondern der Eigennutz der Unternehmen.

Zum Interview mit Prof. Engartner: Nachdenkseiten, 16.10.2019, Ralf Wurzbacher im Gepräch mit Tim Engartner

Das „Who is who?“ der deutschen Bildungs-Digitalisierungsagenda

Annina Förschler (2018): „Das ‚Who is who?‘ der deutschen Bildungs-Digitalisierungsagenda – eine kritische Politiknetzwerk-Analyse“. In: Pädagogische Korrespondenz, 58/18: S. 31-52. Siehe auch unter „Bücher“.

Akteurs-Netzwerk der Digitalisierungsagenda von Bildung in Deutschland

Abb.1: Akteurs-Netzwerk der Digitalisierungsagenda von Bildung in Deutschland. Annina Förschler (2018): „Who is who?“ der deutschen Bildungs-Digitalisierungsagenda – eine kritische Politiknetzwerk-Analyse [Vergrößerung mit KLICK aufs Bild]

Annina Förschler stellt in ihrem Beitrag „Who is who?“ die Akteure, deren „Veröffentlichungen und Ereignisse im Rahmen der Digitalisierungsagenda von Bildung“ tabellarisch [Tab. 1, S. 34-38] dar. Im Diagramm [Abb. 1, S. 43] wird das „komplexe Netzwerkgeflecht“ der verschiedenen Akteure deutlich. In einer fünfseitigen Tabelle stellt sie die Entwicklung der „politischen Aktivitäten in Richtung Datafizierung und Digitalisierung von Bildung“ den „Aktivitäten (neuer) intermediärer Akteure (NROs, NGOs, Wissenschaftliche Institute, Stiftungen, Vereine, For-Profit-Unternehmen) in Richtung Datafizierung und Digitalisierung von Bildung“ gegenüber. Ihre Forschungsergebnisse umfassen den Zeitraum von 2000 bis 2018.

Sie zeigt auf, „wie sich im Kontext von Entstehung und Wandel der deutschen Digitalisierungsagenda nach und nach neue Akteure im Bildungsbereich formiert haben (und weitere formieren), während sich der Diskurs zunehmend verdichtet und an Fahrt aufgenommen hat.“ (S. 46)

„[D]er Diskurs [wird] über das Veröffentlichen von Strategie- und Positionspapieren, Handlungsempfehlungen, öffentlichwirksamen Studien und Online-Auftritten wirkmächtig beeinflusst und (mit)gestaltet und (auch) darüber Einfluss auf bildungspolitische Entscheidungen und Agenden-Ausrichtungen genommen.“ (ebd.)

„Daher scheint es als dringend notwendig, die in Ansätzen dargestellten Interessen, Handlungslogiken und (ökonomischen) Zielsetzungen sowie die unterschiedlichen Formen der Einflussnahme der (neuen, intermediären) Akteure auf die Bildungspolitik zukünftig noch genauer zu dechiffrieren und in den Fokus der (wissenschaftlichen und öffentlichen) Wahrnehmung zu bringen, um den Diskurs um digitale Bildung [1] und das vorherrschende Narrativ kritisch zu ergänzen und mitzugestalten.“ (S. 48)

 [1] [E]s ist kritisch anzumerken, dass die Bezeichnung „digitale Bildung“ irreführend ist und eher als positiv konnotiertes, euphemistisches Synonym für die Einführung digitaler Lehr- und Lernmittel sowie das Forcieren digitaler Kompetenzen im Diskurs genutzt wird. […] (Fußnote S. 32)

Dieser Beitrag sowie das Diagramm (Abb.1) erscheint mit freundlicher Genehmigung der Autorin auf Schulforum-Berlin.

Siehe auch:  Schul-Digital-Pakt: Bildungs-Stiftungen planen den „Systemwechsel“
„Lobbyismus macht seit langem nicht mehr Halt vor dem Klassenzimmer“

Digitalisierung im Bildungsbereich

Der Philologenverband Baden-Württemberg hat im März 2019 ein Positionspapier zur Digitalisierung im Bildungsbereich vorgelegt. Nachfolgend ein Auszug daraus.

Welche Hoffnungen werden in der öffentlichen Diskussion mit der Digitalisierung im Bildungsbereich verbunden? Welche Risiken und Gefahren birgt sie?

Zunächst werden die oft genannten Vorteile und Chancen beschrieben (Kursivdruck). Danach wird dazu Stellung bezogen:

1. Lernen wird anschaulicher durch den Einsatz digitaler Medien (Audio, Video, Internet, Beamer, Smartboards), Virtual Reality, 3 D-Brillen usw. Schüler ‘erleben’ Lerngegenstände zum Beispiel im Sprach-, Geographie- oder Biologieunterricht hautnah, neuartige Einsatz- und Demonstrationsmöglichkeiten für Lehrkräfte und Schüler.

Ja, das Lernen kann durch den Einsatz digitaler Medien anschaulicher werden. Aber Anschaulichkeit ist kein Zweck an sich, sondern dient als Grundlage für darauf aufbauende Abstraktion. Wenn nur auf Anschaulichkeit gesetzt wird, verkümmert die eigene Vorstellungskraft und die gedankliche Abstraktionsfähigkeit. Verständnis beruht auch nicht nur auf visueller Anschaulichkeit, sondern dem Be-Greifen, feinmotorischem, körperlich-sinnlichem Lernen, anfassen, machen, schreiben. Virtuelle Realität ist kein vollwertiger Ersatz für Lernen in der realen Welt.

2. Lernen wird zum Spiel: Auf ‘Gamifizierung’ (‘Gamification’) beruhende Lernprogramme motivieren Schüler durch individuelle Belohnung und Lernanreize: ‘Du schaffst auch noch den nächsten Level!’

Ja, spielerische Elemente können den Unterricht bereichern und die Motivation steigern, gerade Jungen können durch den Wettbewerbscharakter von Spielen aktiviert werden. Aber Unterricht darf nicht ausschließlich oder zum größten Teil Spielcharakter haben und ‘Fun’ vermitteln, denn es geht um Lernen fürs Leben, und das Leben ist nun mal kein Spiel, keine Ponyhof-App, in der man immer mit viel Spaß das nächste Level erreicht. Für das Leben müssen Schüler auch Frustrationstoleranz lernen, die Fähigkeit, Aufgaben zu bewältigen, die nicht immer Spaß machen, die Erkenntnis gewinnen, dass die Freude beim Lernen auch durch die erfolgreiche Bewältigung schwieriger, ja auch langweiliger Aufgaben bestehen kann. Die Aufmerksamkeitsspanne und Konzentrationsfähigkeit werden auch durch langweilige Arbeitsschritte trainiert, ständige Bespaßung lässt sie verkümmern.

3. Lernen wird individualisiert – Mit Heterogenität kann dadurch besser umgegangen werden, sodass alle Lerntypen, hochbegabte und schwächere Schüler, Schüler aus bildungsnahen und bildungsfernen Schichten optimal lernen: Lernsoftware geht durch ‘intelligente’ Algorithmen auf die individuellen Bedürfnisse, Stärken und Schwächen des Lerners ein. Der digitale Coach ist nie ungeduldig, hat immer Zeit, ist immer freundlich und ermutigend. Der Schüler kann gemäß seinen Bedürfnissen, auf individuellen Lernwegen und in seiner Geschwindigkeit lernen. Lehrkräfte werden entlastet und können sich besser um die Förderung einzelner Schüler kümmern.

Ja, Lernsoftware kann bestimmte Lern- bzw. Unterrichtsphasen durch automatisierte Individualisierung unterstützen, gerade in Übungsphasen basaler Kompetenzen in der Mathematik oder dem Fremdsprachenunterricht (Vokabellernen, Verbkonjugationen, Rechtschreibung …). Aber gerade gymnasialer Unterricht geht weit über den Erwerb, die Übung und Festigung basaler Kompetenzen hinaus: Er ist durch darauf aufbauenden Dialog, Diskussion und Reflexion von Schülern untereinander und mit dem Lehrer gekennzeichnet, was nicht durch Lernprogramme simuliert werden kann. Die Individualisierung ist auch kein Wert an sich, sie darf nicht zur Vereinzelung im persönlichen Lernatelier, zu einer Art Kaspar-Hauser-Pädagogik führen, die soziales Lernen in der Gruppe gefährdet. Eine weitere Gefahr besteht im Datenschutzbereich: Durch intelligente Lernsoftware fallen gewaltige Mengen personenbezogener Daten an, die von interessierter Seite für die Erstellung umfangreicher Persönlichkeits-, Lern- und Kompetenzprofile verwendet werden könnten. Dies muss kontrolliert bzw. von vornherein verhindert werden. Im Übrigen befördert effektive Individualisierung nicht unbedingt das, was gemeinhin unter Bildungsgerechtigkeit verstanden wird: Gut gemachte Individualisierung ermöglicht den stärkeren Schülern, die über mehr Vorwissen verfügen, ein noch schnelleres Voranschreiten als schwächeren, sodass die Leistungsschere in der Lerngruppe durch wirksame Individualisierung noch stärker auseinanderklaffen wird.

4. Lernen wird aktiver und kreativer: Schüler werden von Konsumenten der Lerninhalte zu Produzenten multimedialer Projekte und Präsentationen. Schüler reagieren nicht nur auf Fragen des Lehrers, sondern werden kreativ und können so ihre Talente und ihre Persönlichkeit besser entfalten.

Ja, gerade die Ergebnissicherung und Vertiefung von Unterrichtseinheiten durch kreatives Gestalten und die Motivation, die durch den Stolz auf ein gelungenes Produkt entsteht, sind eine enorme Bereicherung für den Unterricht. Projekt- und produktorientiertes Arbeiten (Referat, Wandzeitung, Plakat, szenisches Gestalten, musikalisches Gestalten) hat deshalb auch seit Jahrzehnten einen berechtigten, aber auch klar begrenzten Platz im gymnasialen Unterricht. Digitale Geräte und Anwendungen können natürlich gerade bei der Erstellung digitaler Projekte hervorragende Unterrichtsmedien sein. Aber Schüler können sich nicht alles selbst durch Projektarbeit beibringen: Gelungener Unterricht besteht aus einem breiten Mix vielfältiger Unterrichtsmethoden, Sozial- und Lernformen. Berücksichtigt werden muss auch der Zeitbedarf projektorientierten Arbeitens, sodass Aufwand und Ertrag in einem vertretbaren Verhältnis stehen müssen.

5. Bildungsgerechtigkeit, Demokratisierung, Aktualität: Informationen und Lernmedien werden in digitaler Form in Echtzeit einfach, kostengünstig für jedermann und global verfügbar.

Es gibt viele Bücher, Texte, Medien kostenlos und leicht zugänglich im Internet. Aber das Problem ist die Wertung, die nicht durch bloßes Vorhandensein der Medien gegeben, sondern nur durch Kompetenzerwerb des Nutzers ermöglicht wird, da es ebenso Fehlinformationen, Täuschungen, Manipulationsversuche etc. kostenlos global zugänglich gibt.

6. Lehrkräfte werden entlastet und können sich besser um einzelne Schüler kümmern: Schüler lernen selbstständig in digitalen Lernumgebungen, der Lehrer hat Zeit, sich im Unterricht um einzelne Schüler mit Unterstützungsbedarf zu kümmern.

Ja, in den sinnvollerweise begrenzten Phasen, in denen die Schüler, wie weiter oben beschrieben, selbstständig lernend oder produktiv mit digitalen Medien und Geräten arbeiten, bietet dies eine punktuelle Entlastung der Lehrkraft in der jeweiligen Unterrichtssituation. Allerdings ist dies nur eine Verlagerung der Lehrerarbeit, denn diese Selbstlernphasen müssen aufwendig von der Lehrkraft vor- und nachbereitet werden. Und zuallererst müssen erst einmal die notwendigen Voraussetzungen an den Schulen geschaffen werden! Dies erfordert für die Lehrkräfte an anderer Stelle enormen Zusatzaufwand durch die Planung und Ausrüstung der Schulen mit der notwendigen Infrastruktur und den entsprechenden Geräten, die ja auch regelmäßig gewartet und mit Updates versorgt, von bedenklichen Inhalten und Viren freigehalten und repariert werden müssen, ganz zu schweigen von den im Vorfeld zu erstellenden pädagogischen Konzepten zum didaktisch sinnvollen Einsatz der digitalen Möglichkeiten im Unterricht und entsprechenden Fortbildungsaufwand. Insgesamt entsteht durch die Digitalisierung schulischer Bildung erheblicher Mehraufwand für die Lehrkräfte, der durch eine Arbeitszeitsenkung bzw. die Aufstockung von Anrechnungsstunden für die mit der Digitalisierung verbundenen Zusatzaufgaben aufgefangen werden muss. Eine weitere Belastung entsteht durch die Entgrenzung der Arbeitszeit, wenn von Lehrkräften erwartet wird, schulische Aufgaben über digitale Informations- und Kommunikationsplattformen auch noch zuhause in der eigenen Freizeit zu erledigen. Wenn die Verwendung digitaler Endgeräte von Lehrkräften erwartet wird, müssen diese zuallererst vom Dienstherrn mit denselben für den Dienstgebrauch ausgestattet werden.

7. Lernen wird zeit- und ortsunabhängig: Schüler können auf Unterrichtsmaterialen auch von Zuhause zugreifen, angefangene Arbeiten beenden und im Krankheitsfall einfacher Versäumtes nachholen. Auch Vertretungsstunden können so besser vorbereitet werden.

Ja, Online-Lernvideos ermöglichen, dass sie auch die Erklärungen des Lehrers zum Beispiel vor einer Klassenarbeit noch einmal anhören können, in ihrem Tempo und so oft wie nötig. Am effektivsten sind dabei aber selbst erstellte Videos des eigenen Lehrers. Lernplattformen wie Moodle ermöglichen Schülern den Zugang zu Lernmaterialien von zuhause aus. Digitale Kommunikation ermöglicht Information und Beratung außerhalb der Schule und des Unterrichts. All dies darf aber nicht zur Entgrenzung der Arbeitszeit der Lehrkräfte führen.

8. Statt im Computerraum lernen Schüler im internetgestützten ‘Flipped Classroom’ außerhalb der Unterrichtszeit zuhause und wenden dann im Unterrichtselbständig das Gelernte an, während der Lehrer sich den individuellen Problemeneinzelner Schüler zuwendet. (Mit Tablets und W-LAN Anbindung kann injedem Raum der Schule digital gelernt werden.)

Das kennen wir schon. Früher nannte man das Hausaufgaben, d. h. es gibt schon immer die Möglichkeit, den Unterricht dadurch vorzuentlasten, dass Schüler zuhause nicht nur das im Unterricht Gelernte üben, sondern auch schon einmal für ein neues Thema erste Informationen selbst recherchieren, einem Text Informationen entnehmen usw. Das hat allerdings immer schon nur eingeschränkt funktioniert (welcher Schüler hat die Kurzgeschichte tatsächlich zuhause gelesen, die dann im Deutschunterricht behandelt werden soll?) Natürlich kann hierfür die Verwendung digitaler Geräte und Medien eingesetzt werden, wenn sie einen didaktischen Mehrwert haben. Allerdings ist dies an vielfältige Voraussetzungen und Ressourcen geknüpft: Schüler müssen die digitalen Geräte (Smartphone, Tablet, PC …) samt der erforderlichen Programme bzw. Apps samt breitbandigen Internetanschluss zur Verfügung haben (Wer finanziert das? Die Eltern? Die Schule? Die Gemeinde? Das Land?). BYOD (‘ Bring Your Own Device’ – Bring‘ dein eigenes Gerät mit) ist hier keine Lösung, sondern wirft die Frage der Chancengleichheit auf. Besonders problematisch wird es für die Lehrkräfte, wenn von ihnen erwartet wird, dass sie außerhalb der Schulzeit dann womöglich doch noch als Ansprechpartner für Fragen oder technische Probleme zur Verfügung stehen sollen (Entgrenzung der Arbeitszeit). Wenn die Schüler die digitalen Geräte und das Internet völlig selbständig zuhause nutzen, stellt sich die Frage nach der Aufsicht, des Jugendschutzes bzw. der Verhinderung von Medienmissbrauch.

9. Lehrkräfte werden zum ‘Lerncoach’, zum Begleiter des selbstständigen Lernens der Schüler: Sie haben nicht mehr die Rolle der ‘allwissenden’ Wissensvermittler,sondern begleiten und unterstützen individuelle Lernprozesse derSchüler.

Ja, der Lernprozess setzt natürlich die Aktivität und eine gewisse Selbstständigkeit des Schülers voraus. Dies kann in geeigneten Unterrichtssituationen durch Software und digitale Geräte unterstützt werden. Jeder Lehrer wusste aber schon immer, dass Lehrer sehr viel mehr als Lernbegleiter sind. Die Lehrperson ist zentral für den Lernprozess der Schüler: Lehrer verkörpern und vermitteln Unterrichtsinhalte, motivieren Schüler, gestalten und stützen aktiv Lernprozesse, minimieren Störungen usw. Dies zeigt auch die empirische Bildungsforschung, nicht erst seit der großen Meta-Studie ‘Visible Learning’ von John Hattie.

10. Digitalisierung der Bildung muss möglichst früh einsetzen und kann auch in der Grundschule oder sogar schon im Vorschulbereich die Motivation erhöhen und Lernerfolge steigern.

Ja, digitale Geräte, Smartphones und Tablets üben zweifellos einen großen Reiz aus – gerade auch auf kleine Kinder. Zunächst müssen die Schüler aber erst einmal die grundlegenden Kulturtechniken (Lesen, Rechnen, Schreiben, verbundene Handschrift) erwerben. Dies ist auch Voraussetzung für den erfolgreichen Übergang auf weiterführende Schulen, insbesondere das allgemeinbildende Gymnasium. Digitale Medien und Geräte können in der Grundschule im Einzelfall, in wohlüberlegten und zeitlich begrenzten Unterrichtssituationen, zum Einsatz kommen. Lehrer und Eltern sind aber fürsorgepflichtig und müssen die zu frühe und vor allem übermäßige Konfrontation mit Medien und Geräten verhindern. Je jünger die Kinder sind, umso zurückhaltender sollten digitale Geräte eingesetzt werden. Gefahren durch Medienmissbrauch und Sucht dürfen nicht vernachlässigt werden. Steve Jobs, Chefmanager der Firma Apple und Erfinder des iPads, hatte laut Medienberichten seinen eigenen Kindern die Nutzung von Tablets verboten.

11. Schüler werden durch digitalisierte Bildung besser auf die Anforderungen der künftigen Arbeitswelt in der Wirtschaft 4.0 vorbereitet.

Gymnasiale Bildung darf nicht für die Zwecke bestimmter gesellschaftlicher Interessengruppen instrumentalisiert werden, zum Beispiel für die Bedürfnisse der Wirtschaft. Dies wäre eine unzulässige Verzweckung und Verengung unseres Bildungsverständnisses. Das Ziel gymnasialer Bildung liegt in der Person des Schülers, in der Entwicklung einer umfassend informierten, verantwortungsvollen und autonomen Persönlichkeit, die ein gelingendes Leben in einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung ermöglicht. Die Bildung selbst denkender, mündiger Bürger ist die Grundvoraussetzung für den Fortbestand unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Eine solche umfassende Bildung ist dann auch eine gute Grundlage für die anschließende berufliche Bildung – sei es im universitären oder im dualen Bereich. In dem Maße, in dem digitale Geräte und Medien einer solchen umfassenden Bildung wirksam dienen, sind sie am allgemeinbildenden Gymnasium hoch willkommen.

Zum gesamten Beitrag: https://www.phv-bw.de/images/download/2019/PhV_BW-Positionspapier Digitalisierung WEB.pdf

Zum Dossier der GEW: 2016 hat die Kultusministerkonferenz (KMK) die Strategie “Bildung in der digitalen Welt” beschlossen. Die GEW fasst zentrale Aspekte der Strategie zusammen und ordnet diese vor dem Hintergrund ihrer bildungspolitischen Positionen ein.


Anmerkung zur Digitalisierung im Bildungsbereich von Schulforum-Berlin:

Digitale Schulen oder: Fortschritt ist eine Schnecke
Obwohl die boomende IT-Branche händeringend nach Fachkräften sucht, „schreiben unsere Kinder jedoch weiter auf Kreidetafeln“ und ohne „schnellen Internetanschluss“ wird die Schule zum „letzten Hort des Analogen“. So beschreibt Prof. Gesche Joost [1] die Schule in ihrem Beitrag im Tagesspiegel vom 15.11.2017 und stellt auch noch die rhetorische Frage: „Wie kann das sein?“ Als Lobbyistin der IT-Industrie kennt sie natürlich die Antwort und nimmt dazu eine Studie der Bertelsmann Stiftung zu Hilfe. Laut deren Darstellung müssten „2,8 Milliarden Euro für die digitale Infrastruktur jährlich in Schulen investiert werden“. Die digitale Bildung ist, so führt sie weiter aus, „nicht nur eine Frage der Hardware, sondern einer gemeinsamen Strategie, die Bildung des 21. Jahrhunderts neu erfinden kann“.

Mit der Digitalisierung aber haben vor allem die Stiftungen mit Technologie- und Softwareunternehmen im Hintergrund eine völlig neue Mission. Sie rollen, so auch Prof. Joost, unter großen Worten wie „Unterstützung der Inklusion“ und „Unterstützung der Vielfalt“ ein Trojanisches Pferd in die Schulen:  Das “digitalisierte Lernen“ samt Laptops und Zusatzequipment. Jedoch: „Unter der Oberfläche wirken mächtige ökonomische Interessen in Form von Absatzpotenzialen von Hard- und Software und Kundengewinnungsmaßnahmen“.

Dazu LobbyControl: „Schulen sind dafür ein besonders geeigneter Ort, denn die Beeinflussung von Kindern wirkt ein Leben lang. Schulen sind in diesen Fällen nur Mittel zum Zweck. Das eigentliche Ziel ist die Politik, denn diese lässt sich einfacher für Konzern-Belange einspannen, wenn das Unternehmen auf Zustimmung in der Bevölkerung verweist.“ […]
Da die Unternehmen den Bereich „Digitalisierung in der Bildung“ als Einfallstor für ihre ökonomischen Interessen nutzen, „gilt es eine gesellschaftliche Debatte zu führen mit dem Ziel, Standards für eine Bildung in Zeiten der Digitalisierung festzulegen. Dazu gehören auch Fragen des Datenschutzes und der Abhängigkeit von einzelnen Herstellern. Wenn diese Debatte ausbleibt, überlässt die Gesellschaft es den IT-Konzernen darauf Antworten zu geben.“ [2]

LobbyControl spricht in diesem Zusammenhang sogar davon, dass sich die Bildungsministerien – gerade bezüglich des Themas Digitalisierung – von „Konzernen vor sich hertreiben [lassen], anstatt demokratische Prozesse zum Umgang mit Digitalisierungsanforderungen an Schulen zu organisieren.“ Öffentliche Aufgaben würden zunehmend durch Private übernommen und dadurch „Teile der Bildung der demokratischen Kontrolle entzogen“. [3]

Vor Euphorie oder Zustimmung sei also gewarnt. Gerade beim “digitalen Lernen“ vor einem Bildschirm bleiben das Frontale und das Autoritäre erhalten, sie erscheinen nur in einer „coolen“ Form. Die Schüler werden von einem Algorithmus diktiert mit einem zum Coach bzw. Lernbegleiter degradierten Lehrer.
Bildung jedoch – auch im 21. Jahrhundert – ist ein „harmonisches Ganzes, das das Emotionale einbezieht, mit dem Ziel, dem Menschen die Ermächtigung zum Selberdenken zu geben. Nur das macht den Wissensträger mündig und unabhängig. Den Lehrer und den menschlichen Verstand ersetzen kann die digitale Technik nicht. Für die Erziehung zur Selbständigkeit, gerade in der politisch gewollten Heterogenität in den Schulklassen, braucht es besonders und immer mehr den analogen sozialen Verbund.“ [4]

[1] Internetbotschafterin der Bundesregierung bei der EU-Kommission von März 2014 bis Juni 2018. Seit Mai 2015 sitzt Joost auch im Aufsichtsrat der SAP SE.
[2] siehe LobbyControl
[3] Kaske/Kamella (2017): Lobbyismus an Schulen. S. 11,15. Siehe auch: „Who is who“ der deutschen Bildungs-Digitalisierungsagenda, Annina Förschler, Pädagogische Korrespondenz, 58/18, S. 31 – 52, (S. 48)
[4] NZZ, 26.05.2017, Claudia Wirz, Unser Lehrer Doktor Tablet
Vollständiger Beitrag und weitere Quellen siehe Schulforum-Berlin