Archiv des Autors: fischerman

Ich habe einen Entschluss gefasst – Wie ich ein guter Schüler wurde

Vom schlechten Schüler zum 1,0-Abi

Pauken, lesen, melden: Eine knallharte Anleitung zum Schulerfolg. Geschrieben von einem, der erst in der Oberstufe beschlossen hat, sich anzustrengen.
16.02.2016, Christine Brinck

Schüler träumen vom Nürnberger Trichter. Manche legen immer noch das Buch unters Kopfkissen, weil das Wissen vielleicht doch osmotisch durch die Federn ins Gehirn dringt. (…) Lernen für die Klassenarbeit oder die Klausur, der direkte Weg vom Lesen der Texte zum Begreifen des Stoffs gilt dagegen als mühsam. (…)

Irgendwann vor Beginn der Oberstufe ging dem Schüler, der eher mit Dreien, Vieren und Fünfen unterwegs war, der seinen Lehrern auf die Nerven ging, einmal sogar schon vor dem Rauswurf stand, ein Licht auf. Ihm wurde klar, dass er unter seinen Möglichkeiten blieb. Er war keiner von den Jungs, die ein besonderes Talent hatten und sonst Durchschnitt waren. Er war einfach insgesamt ein uninspirierter, fauler Schüler, der auch gern mal schwänzte. Und dann beschloss er, ein gutes Abitur zu machen.

Als er sich in den Sommerferien vor der Oberstufe an den Schreibtisch setzte, schwor er sich, „alles zu tun, um mein Ziel zu erreichen … Ich war bereit, meine komplette Freizeit aufzugeben, falls mein Ziel dies verlangte. Hätte ich jeden Nachmittag sechs Stunden lernen müssen, hätte ich es ohne mit der Wimper zu zucken getan.“ Radikal? Er hielt durch.
Während die anderen sich im Schwimmbad tummelten, füllte er seine Wissenslücken auf, die sich in den früheren Jahren aufgetan hatten. Die ersten Monate des Semesters waren noch kein Zuckerschlecken, immer wieder musste er Grundlagenstoff nachlernen, um die angepeilten Punkte schaffen zu können. So saß er schon drei, vier Stunden jeden Nachmittag in seinem Zimmer und lernte. Kein Trichter, kein Schleichweg, keine Abkürzung, einfach nur pauken. Warum gab er nicht auf? Was war sein Geheimnis?

„Dass ich die Schule zu meiner obersten Priorität machte und alles andere hintanstellte.“ (…)

In einem freilich unterscheidet sich der zielstrebige Junge von den meisten Quartalsarbeitern: „Ich wusste aber die ganze Zeit über, dass ich auf der Stelle mit all den netten Freizeitaktivitäten aufhören würde, sobald meine Leistungen in der Schule nachließen.“ Der einst schlechte Schüler entwickelte eine „I will do it at any cost“-Mentalität, um auch für Rückschläge gewappnet zu sein und ständige Kurskorrekturen vornehmen zu können, wenn das Ziel, die besagte 1,0, aus dem Visier zu geraten drohte. (…)

Die größte Gefahr und Zeitverschwendung sieht Weinstock in Planlosigkeit bei der Recherche im Internet. (…)

Weinstock ist sich auch nicht zu schade, seinen Lesern, die ja eben noch seine Schulkollegen waren, Ratschläge zu erteilen, die schon Muttern und die Grundschullehrerin dem Klein-Chaoten gepredigt haben: Arbeitsplatz aufräumen, Schulmappe richtig und insbesondere vollständig packen, Hausaufgaben als Segen betrachten und vor allem melden! Melden! Melden! „Du wirst merken“, schreibt Weinstock, „dass es Spaß macht, sich am Unterrichtsgeschehen zu beteiligen. Es ist auf jeden Fall deutlich unterhaltsamer, als unbeteiligt im Stuhl zu hängen und auf den Sekundenzeiger der Armbanduhr zu starren!“ (…)

Weinstock, eben noch Schüler, jetzt Student, ist kein Pädagoge, er hat sich seine Theorien, wie man von Durchschnitt auf Überdurchschnitt kommt, selbst zusammengebastelt. Fortan können Oberstufenschüler von seiner Erfahrung profitieren. Nicht alle Nachahmer werden durchhalten, aber manche werden wohl mit Gewinn seine Anleitungen für ein besseres Abiturergebnis nutzen. (…)

zum Artikel:  Der Tagesspiegel, Wissen und Forschen, 16.02.2016, Christine Brinck, Vom schlechten Schüler zum 1,0-Abi


Ergänzung zu obigem Artikel:

Danksagung (S. 170, 171): (…) Als Allererstes möchte ich mich deshalb bei meiner Familie bedanken. Ihr seid die wichtigsten Menschen in meinem Leben und ohne euch wäre ich nichts. Mama, Papa, Schwester Estelle, Großmutter Renate, Großmutter Aldona und alle weiteren Familienmitglieder – einer für alle und alle für einen!
Besonders herzlich möchte ich mich auch bei meinen Lehrern und bei meiner Schulleitung bedanken, dass sie mich damals nicht aufgegeben haben, sondern mir eine zweite Chance gaben und mich aktiv und selbstlos gefördert haben. Dafür werde ich euch für immer dankbar sein. Wir sind eindeutig die allerbeste Schule, weil wir die allerbesten Lehrer haben! Ich möchte mich auch für all das Wissen bedanken, das ihr mir vermittelt habt, und für die humanistischen Werte, die ihr mir an dieser interreligiösen Schule täglich vorgelebt habt. (…) Danken möchte ich auch Herrn Döring, meinem langjährigen Nachhilfelehrer, dessen geniale Erklärungen mir immer sehr weiterhalfen. (…)
Meinen Cousin Leo möchte ich hiermit offiziell herausfordern, meinen Schnitt zu schlagen. Viel Glück, Leo! (…)  Greif an!

David Weinstock: Schluss mit Ungenügend! Wie ich vom schlechten Schüler zum 1,0 Abiturienten wurde – und wie du das auch schaffst.


siehe auch: „Schluss mit ungenügend!“
Vom Nichtsblicker zum Einser-Schüler

Interview mit David Weinstock im Fritz-Radio,  11 Minuten


Bei John Hattie, Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen, überarbeitete deutschsprachige Ausgabe von Visible Learning for Teachers, von Wolfgang Beywl und Klaus Zierer, 2014, S. 78-79, ist nachzulesen:

Wenn man uns bittet, die Namen derjenigen Lehrpersonen zu nennen, die deutlich positive Effekte auf uns hatten, beträgt die Zahl normalerweise zwei bis drei, und die angegebenen Gründe beginnen meist mit Kommentaren über die Fürsorge der Lehrperson oder dass sie „an mich geglaubt haben“. Der Hauptgrund ist der, dass diese Lehrpersonen sich darum gesorgt haben, dass man ihr Fach beherrscht und ihre Leidenschaft teilt – und sie zielten stets darauf, einen mit ihrer Leidenschaft „anzustecken“. Schülerinnen und Schüler merken, wenn Lehrpersonen Fürsorge zeigen, engagiert genug sind und über ausreichend Fähigkeiten verfügen, einen dazu zu bringen, die Herausforderungen und die Freude an ihrem Fach (ob das Sport ist, Musik, Geschichte, Mathematik oder Technik) zu genießen.

Die aktuellen Bildungsstandards verordnen von höchster Stelle Vereinfachungen

Das Abitur erledigt sich von selbst

Gemeinsam lernen? Nein danke. Heute gibt es mobiles Coaching und flexibles Kompetenzdesign.
Die Schule wird jetzt locker, kreativ und individuell. Klingt gut? In Wahrheit entsteht nur ein neues Zwangssystem.
Süddeutsche Zeitung, 10.02.2016, Gastbeitrag von Christoph Türcke

In frühkapitalistischer Zeit hatten die Beschäftigten Lebensmittel und Heizmaterial gefälligst selbst in die Fabrik mitzunehmen. Sie mussten auch selbst fürs Alter vorsorgen und Ärzte bezahlen. Erst lange gewerkschaftliche Kämpfe nahmen die Betriebe nach und nach in die Pflicht: für angemessene Ausstattung des Arbeitsplatzes, für Beteiligung an Alters- und Krankenversorgung, für Lohnfortzahlung bei Urlaub, Krankheit und bei Fortbildungen. All diese Verantwortlichkeiten stehen wieder zur Disposition, seit es jene kleinen Universalmaschinen gibt, die heute nahezu jeder in der Akten- oder Hosentasche mit sich führen kann.
Sie lassen sich in einem Firmengebäude genauso bedienen wie in der Privatwohnung. Wohn- und Arbeitsraum, Privat- und Berufssphäre, Freizeit und Arbeitszeit gehen wieder ineinander über. (…)

So läuft die flexibilisierte, deregulierte Arbeitswelt. Nur die Bildungswelt hinkt noch hinterher. Immer noch gibt es feste gemeinsame Unterrichtsräume und -zeiten, homogene Unterrichtsgruppen mit festem Fächerkanon und vorgegebenem Pensum. (…)

Schluss damit, fordert die neoliberale Bildungsideologie. Zeitgemäßer Unterricht orientiert sich an den persönlichen Interessen und am individuellen Tempo der Lernenden. Er braucht keine Lehrer, sondern Lernbegleiter, die überall zur Stelle sind, wo jemand mal nicht weiterkommt und spezielle Förderung nötig hat. Mobile Coaching-Teams, die den Umgang mit der neuen medialen Lernwelt einüben, in offenen Lernräumen, aber auch online beraten, sind das Gebot der Stunde. An die Stelle von Lehrplänen, die alle auf die Erlangung bestimmter Sach- und Fachkompetenzen verpflichten, tritt ein flexibles Kompetenzdesign. (…)

Bei den Kompetenzen stehen Soft Skills obenan. Sie sind schon in den Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz für die Grundschule angelangt: „Anstelle von trägem Wissen, das die Schülerinnen und Schüler nur zur Beantwortung von eng begrenzten und bekannten Aufgabenstellungen nutzen können, soll vernetztes Wissen entwickelt werden.“ (…)

Im Obrigkeitsstaat beklagten sich die Schulbehörden regelmäßig über Schlendrian in den Schulen: Die Lehrer würden das vorgegebene Pensum nicht straff genug einpauken. Im neoliberalen Staat mobilisieren Lehrerverbände Proteste dagegen, dass die Schulpolitik mentale Elementartechniken aktiv herunterwirtschaftet; dass sie das drastische Sinken der Schreibfähigkeit durch Lückentexte kompensiert; dass sie den Notendurchschnitt durch die Begründungspflicht schlechter Noten in die Höhe treibt; dass sie die immer besser werdenden Noten als Beweis für ein ständig steigendes Bildungsniveau ausgibt und damit geradezu als Auftrag, die Abiturientenzahlen weiter zu erhöhen. Der Inhalt dieser Proteste prallt an den Schulbehörden und Ministern freilich ab. Sie nehmen darin kaum mehr als die Beschwerden von Standesvertretern wahr, die an veralteten Schulabschlüssen kleben, etwa dem Abitur. (…)
Aber inflationieren kann man das Abitur jetzt schon. Je höher eine Nation ihre Abiturientenzahlen treibt, desto besser steht sie im internationalen Bildungsranking da. (…)

Und so erledigt sich das Abitur mittelfristig von selbst. Alle spezifischen Schulformen lösen sich auf. An ihre Stelle wird über kurz oder lang eine neue Einheitsschule treten. Und in dieser neoliberalen Einheitsschule werden dann einfach alle, wie unterschiedlich auch ihre Bedürfnisse sein mögen, eingesperrt.

zum Artikel:  Süddeutsche Zeitung, Bildung, 10.02.2016, Gastbeitrag Christoph Türcke, Das Abitur erledigt sich von selbst


Der Philosoph Christoph Türcke wurde bekannt mit Veröffentlichtungen wie „Erregte Gesellschaft“ (2002), „Philosophie des Traums“ (2008) und „Mehr! Philosophie des Geldes“ (2015). Gerade erschienen ist sein neues Buch „Lehrerdämmerung. Was die neue Lernkultur in den Schulen anrichtet“ (siehe Bücherliste).

siehe auch zum Thema:
Pädagogik, Autoritärer Geist durch die Hintertür
Deutschlandradio Kultur, Beitrag vom 16.02.2016

Christoph Türcke im Gespräch mit Liane von Billerbeck

„Glaubensprojekt“ Gemeinschaftsschule

Wer´s glaubt, wird wuselig

Warum viele Lehrer an Gemeinschaftsschulen in Baden-Württemberg wenig von dieser Schulform halten – und das Gefühl haben, dass offene Kritik daran unerwünscht ist.
11.02.2016, Heike Schmoll, FAZ

Der Lehrer hat kapituliert vor der Disziplinlosigkeit seiner Schüler. Nach einem Nervenzusammenbruch im Unterricht ist er krankgeschrieben. Der ausgebildete und erfahrene Gymnasiallehrer mit drei Unterrichtsfächern war zuletzt an einer Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg eingesetzt. (…)

Alleine ist der Lehrer mit seinem Scheitern nicht, es gibt nicht wenige Kollegen, die sich in der neuen Schulform überfordert fühlen. „Ich bin doch kein Psychologe, kein Therapeut, kein Logopäde, kein Förderschullehrer, kein Horterzieher (…)“ berichtet er. (…)

Als „Lernbegleiter“, erzählt eine Hauptschullehrerin an einer Gemeinschaftsschule, unterrichte sie an ihrer Schule zwar die „alte Hauptschulklientel“, müsse nun aber in vier verschiedenen Niveaustufen (Gymnasial-, Realschul-, Hauptschul- und Förderschulniveau) Aufgaben bereitstellen, um alle Kinder gleich gut beim Lernen zu begleiten. „Diese Herkulesaufgabe ist aber aus meiner Sicht nicht zu bewerkstelligen“. Die Darstellung der Lehrerin gleicht den Erfahrungen der meisten Gemeinschaftsschullehrer, die mit dieser Zeitung über ihre Arbeit gesprochen haben. Allesamt Lehrer, die guten Willens und hoch motiviert sind, sich von den neuen Unterrichtsformen und dem Ganztagsbetrieb aber zermürbt fühlen. (…)

Der Tübinger Bildungswissenschaftler Thorsten Bohl, hat deshalb weniger Pflichtstunden (Deputat) und mehr Personal verlangt, „um Leistungsunterschiede abzubauen und die große Belastung der Lehrer zu senken“, was Kultusminister Andreas Storch (SPD) umgehend ablehnte, zumal die Gemeinschaftsschule schon über eine ungewöhnlich gute Ausstattung verfügt und bei der Lehrerzuweisung bevorzugt wird. (…)

Bedenklich stimmt, dass Kritik an der neuen Schulform vielerorts nicht geduldet wird. Lehrer, die das Konzept grundsätzlich kritisieren, fühlen sich als Nestbeschmutzer ausgegrenzt oder disziplinarrechtlich zum Schweigen gebracht. (…)

Viele Lehrer, die dieser Zeitung Auskunft gaben, fürchten aber um ihre Existenz, wenn sie an die Öffentlichkeit treten. Ihre Namen und Schulorte werden hier und im folgenden deshalb nicht genannt. Die Wahrhaftigkeit aller Erfahrungsberichte ist eidesstattlich versichert worden.

Ein Gymnasiallehrer an der Gemeinschaftsschule berichtet: „Ich selbst bin in fünf Fächern fachfremd im Unterricht, und es wird stets erwartet, trotzdem ein hohes Niveau anzubieten“.(…) Die beiden Fächer, die er studiert hat, darf er jedoch nicht unterrichten.

Eine Gymnasiallehrerin an der Gemeinschaftsschule berichtet, (…) an ihrer Schule sei fachfremder Unterricht „eine Selbstverständlichkeit“. Das werde damit begründet, „dass Grund- und Hauptschullehrer ja schon immer fachfremd unterrichtet haben“. (…)

In seiner siebten Klasse erreiche kein Gemeinschaftsschüler auch nur das mittlere, also das Realschulniveau, berichtet ein Lehrer.

Ein Gymnasiallehrer hat in seiner fünften Klasse probeweise die Lernstandserhebung in Deutsch schreiben lassen (…). 52 Prozent seiner Fünftklässler lagen bei der Lernstandserhebung unter dem erwarteten Niveau. Ihre Lesegeschwindigkeit bewegte sich auf dem niedrigsten Level, auch beim Leseverständnis erreichte der weitaus größte Teil der Schüler nur das unterste Niveau, nur eine Schülerin wies die Fähigkeiten auf, die in der fünften Klasse eigentlich erreicht sein müssen.

Das sind genau die Grundlagen, die für jeden späteren Abschluss zählen. Schließlich waren Schülern und Eltern doch in Hochglanzbroschüren bessere Lernergebnisse durch die Gemeinschaftsschule versprochen worden. Der Beweis dafür steht noch aus. (…)

zum Artikel:  FAZ, Bildungswelten, 11.02.2016, Heike Schmoll, Wer´s glaubt, wird wuselig

Berliner Bildungsdesaster – Wo bleibt der Aufschrei der Eltern?

Berlin braucht 1000 neue Grundschullehrer – hat aber nur 175

Der Senat in Berlin hat es versäumt, von den Universitäten eine größere Zahl von Studienplätzen für spätere Grundschullehrer zu verlangen. Die fehlen jetzt.

08.02.2016, Susanne Vieth-Entus
In Berlin verschärft sich dieses Jahr der Mangel an Grundschulpädagogen massiv. Knapp 1000 für das Jahr 2016 zu besetzenden Stellen stehen nur 175 vollständig ausgebildete Referendare gegenüber. Dies teilte die Bildungsverwaltung auf Anfrage mit. (…)
Der Bedarf war aufgrund der Pensionierungswelle vorhersehbar. (…) Offenbar hat niemand den Hochschulen rechtzeitig vermittelt, wie viele Lehrer in Pension gehen und ersetzt werden müssen. (…)

Quelle: Senatsverwaltung für Bildung; TSP

Quelle: Senatsverwaltung für Bildung; TSP

In Berlin ist fast jeder fünfte Lehrer über 60 Jahre alt. Es gibt somit weit über 5000 Lehrer in dieser Altersgruppe. Dies bedeutet, dass pro Jahr rund 1000 Lehrer in Pension gehen. Hinzu kommt, dass die Schülerzahl – etwa durch Zuzüge aus anderen Bundesländern – um jährlich rund 5000 wächst. Auch das treibt den Lehrerbedarf hoch. Zusätzlich werden für tausende Flüchtlingskinder Pädagogen gebraucht. (…)
Bald wird jeder zweite Berliner Schüler eine nichtdeutsche Muttersprache haben, aber es fehlen Pädagogen, die den schwierigen Prozess der zweisprachigen Alphabetisierung steuern können. Es mangelt an Lehrern, die allen Kindern, ob deutschstämmige oder nicht, das Fundament aller Fundamente beibringen können, nämlich lesen und schreiben. Regelmäßig schneiden die Drittklässler bei Vergleichsarbeiten in diesen Fächern schlecht ab. (…)
Im Ressort von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) laufen alle Fäden und Planungen zusammen. Sie hat theoretisch viel Macht, um den jungen Menschen einen erfolgreichen Start ins Leben zu ermöglichen. (…)

Zu den Artikeln: Der Tagesspiegel, 08.02.2016, Susanne Vieth-Entus, Berlin braucht 1000 Grundschullehrer S.1, Berliner Bildungsdesaster S.1, Leerstellen, Fragen des Tages, S. 2


Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft:

„Was Berlin bildungspolitisch in den letzten Jahren vorangebracht hat, sucht seinesgleichen in anderen Bundesländern. (…)“

„(…) Denn es geht um nichts Geringeres als die Chancen der jungen Generation und damit um die Zukunft unserer gesamten Gesellschaft.“

„Die Berliner Schulpolitik hat das Ziel, dass alle Schülerinnen und Schüler sehr gute schulische Erfolge erzielen und den bestmöglichen Schulabschluss erlangen. Ohne die erfolgreiche Absolvierung der Schule ist es sehr schwer, eine Berufsausbildung oder ein Studium zu erlangen.“

Lernwirksamer Unterricht

Investitionen in Fortbildung sind Investitionen in die Zukunft

Interview mit dem Kasseler Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Lipowsky
Sabine Stahl für BILDUNG BEWEGT:  Was sind aus ihrer Sicht bedeutsame Erkenntnisse der Metastudie Visible learning?
Lipowsky: Die Studie verdeutlicht einmal mehr, welche Bedeutung die einzelne Lehrperson und der von ihr arrangierte Unterricht für die Entwicklung von Schülerinnen und Schülern haben. Hattie listet ja eine ganze Reihe von Merkmalen lernwirksamen Unterrichts in sehr kompakter Zusammenfassung auf. Merkmale, von denen die Forschung inzwischen weiß, dass sie die Lernentwicklung von Schülerinnen und Schüler positiv beeinflussen können.
Die zweite Leistung der Studie liegt meines Erachtens darin, deutlich zu machen, dass nicht alles, an was wir glaubten, tatsächlich wirkt. Es gibt bestimmte Mythen, die durch die Studie von Hattie entzaubert werden.
Und die dritte Botschaft lautet, dass es sich lohnt, darüber nachzudenken, wie die professionelle Weiterentwicklung von Lehrpersonen gefördert und unterstützt werden kann. (…)

Wie sieht denn guter Unterricht aus? Sie sprechen in Ihren Schriften immer wieder vom didaktischen und inhaltlichen Fundament guten Unterrichts.
Guter Unterricht lässt sich umschreiben als ein Unterricht, in dem der Unterrichtsgegenstand inhaltlich klar und verständlich erarbeitet und präsentiert wird, in dem an das Vorwissen und an die vorhandenen Konzepte der Lernenden angeknüpft wird und in dem die Lernenden durch herausfordernde Fragen und Aufgaben dazu angeregt werden, vertieft über den Unterrichtsgegenstand nachzudenken und sich mit ihm auseinanderzusetzen.
Zu gutem Unterricht gehört auch, dass die Rahmenbedingungen stimmen. Der Unterricht sollte relativ störungsfrei verlaufen; das zielt in Richtung effektives Classroom Management, und die zur Verfügung stehende Zeit sollte effektiv genutzt werden, so dass überhaupt Lerngelegenheiten zur Verfügung stehen. Amerikaner sprechen hier gerne von den „opportunities to learn“. Es ist klar: Wenn Schülerinnen und Schüler über Tische und Bänke gehen, gibt es keine Gelegenheit zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsgegenstand. Wichtig ist auch die respektvolle und wertschätzende Beziehung zwischen Schülerinnen und Schülern und der Lehrperson. Verschiedene Studien zeigen, dass ein solches unterstützendes Klima im Unterricht, zu dem z.B. auch der konstruktive Umgang mit Fehlern und das Interesse der Lehrperson an ihren Schülerinnen und Schüler gehört, dass sich ein solches Klima positiv auf die Motivation, das Wohlbefinden und das Engagement der Lernenden auswirkt.
Und die kognitive Aktivierung als dritte Basisdimension beschreibt, wie anregend, inhaltlich substantiell die Auseinandersetzung mit dem Unterrichtsgegenstand erfolgt. Man kann sich durchaus einen Unterricht vorstellen, der zwar störungsfrei verläuft und in dem scheinbar viel Lernzeit effektiv genutzt wird, in dem auch das Klima stimmt, aber in dem die Lernenden nicht zu einer vertieften Verarbeitung des Inhalts angeregt und herausgefordert werden, weil sie vorwiegend Routineprozeduren ausführen müssen, und die Lehrperson ein enges, kleinschrittiges Frageverhalten zeigt, das vorwiegend nur auf die Wiedergabe von Fakten abhebt. Und stellen Sie sich jetzt folgendes Bild eines kognitiv aktivierenden Unterrichts vor: Da rauchen die Köpfe der Schülerinnen und Schüler. Da wird argumentiert, kontrovers diskutiert, nachgedacht, erläutert und erklärt, hart über das Thema gestritten, da werden Lösungswege verglichen und analysiert, da wird also insgesamt auf einem relativ hohen kognitiven Niveau gearbeitet… (…)

Wodurch zeichnet sich der erfolgreiche und wirksame Prototyp eines guten Lehrers oder einer guten Lehrerin für Sie aus?
Ein guter Lehrer hat das nötige fachdidaktische und fachliche Wissen. Er plant und bereitet den Unterricht sorgfältig vor. Gute Planung und Vorbereitung sind wichtig. Wie baue ich den Unterricht auf? Was muss im Unterricht thematisiert werden, damit sich für Schülerinnen und Schüler ein Gesamtbild eines Themas ergibt? Wie müssen Teilelemente arrangiert und verbunden werden, welche müssen im Unterricht behandelt werden, damit tragfähige Konzepte entstehen? Solche Dinge entscheiden sich auch, und vielleicht sogar in erster Linie, am heimischen Schreibtisch der Lehrperson [oder besser gemeinsam im Austausch mit Fachkollegen]. Eine gute Lehrkraft ist gewappnet für die Verständnisschwierigkeiten, die bei den Schülerinnen und Schülern auftauchen, und kann flexibel darauf reagieren, hat unterschiedliche Erklärungen und Veranschaulichungen parat, wenn Lernende auf die erste Erklärung nicht reagieren oder wenn sich das Verständnis noch nicht einstellt. Ein guter Lehrer stellt aktivierende Fragen, hört zu, gibt Impulse, aber nimmt nicht alles vorweg. Er sorgt für einen abwechslungsreichen Unterricht und ist begeistert von seinem Fach. Schülerinnen und Schüler spüren das. Eine idealtypische Lehrperson misst der Reflexion über Unterricht und Metakognition hohe Bedeutung bei, reflektiert mit den Lernenden über das Lernen und den Lernprozess.

Welche Konsequenzen ergeben sich für Schule und Unterricht und die Lehrerbildung aus den Erkenntnissen der Lehr- und Lernforschung?
(…) Die Lehr- und Lernforschung kann auch mit einigen Mythen aufräumen, was für die Lehrerbildung ebenfalls bedeutsam ist. Hattie gelangt zu dem Fazit, dass die Auffassung, die Lehrperson sei im Unterricht vorwiegend als Moderator gefragt, die empirische Befundlage nicht wiederspiegelt. Vielmehr sei die Lehrperson eher als „Activator“ gefragt. Er unterstreicht dies mit denjenigen Merkmalen von Unterricht, die vergleichsweise hohe Effekte auf die Lernenden zeigen, wie z.B. inhaltliche Klarheit, Lehrerfragen, verteiltes versus massiertes Üben, direkte Instruktion … das alles sind Merkmale von Unterricht, bei denen die Lehrperson vergleichsweise aktiv ist und den Unterricht lenkt.
Mitunter höre ich bei Diskussionen über direkte Instruktion, das habe man doch schon überwunden, und der Konstruktivismus sage doch, wir müssten eher selbstgesteuert und offen arbeiten. Hier geben die Studien eine klare Antwort: Diese Schlussfolgerung ist in dieser Pauschalität unzulässig. Außerdem: Der Konstruktivismus ist keine Unterrichtstheorie, sondern eine Erkenntnistheorie! Und ein häufiges Missverständnis ist, direkte Instruktion mit einem langweiligen Frontalunterricht gleichzusetzen. Direkte Instruktion kann sehr wohl kognitiv aktivierend, verständnisfördernd und motivationsunterstützend sein. Falsch wäre jetzt allerdings auch, direkte Instruktion zum Allheilmittel zu erklären. Es kommt vielmehr auf eine intelligente Kombination von lehrergelenkten und eher schülerorientierten Unterrichtsformen an. (…)

Welche Form von Fortbildung hat denn überhaupt eine Aussicht, wirksam zu sein?
(…) Nimmt man noch einmal Bezug auf die Ergebnisse der Unterrichtsforschung, so sollte sich Fortbildung auch mit solchen Merkmalen von Unterricht beschäftigen, von denen wir wissen, dass sie positive Effekte auf die Schülerinnen und Schüler haben. Hier kommt dann wieder die Metaanalyse von Hattie ins Spiel. Das hört sich natürlich etwas trivial an, aber wenn man betrachtet, was so alles [an Fortbildungen] angeboten wird…
Eine weitere zentrale Bedingung für den Fortbildungserfolg ist, dass die Erweiterung des fachdidaktischen Wissens von Lehrpersonen im Mittelpunkt stehen sollte. Es geht also darum, dass die Lehrpersonen sich konzentriert und vertieft mit dem Lernen und Verstehen von Schülerinnen und Schüler in einem bestimmten Fach und am besten noch zu einem spezifischen Unterrichtsthema auseinandersetzen sollten. Ein so fokussierter Blick erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Fortbildung tatsächlich Unterschiede im Lernen und Verstehen der Schülerinnen und Schüler wahrnehmen können und einen diagnostischen Blick entwickeln. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sollten sich also in die Köpfe der Schülerinnen und Schüler hineinversetzen. Sie sollten aufgefordert werden, Lösungswege der Lernenden zu antizipieren. Sie sollte vorhersehen, wie Schülerinnen und Schüler reagieren, wenn die Lehrperson auf eine bestimmte Weise vorgeht. (…)

zum Artikel:  BILDUNG BEWEGT NR.13 JUN/2011, Interview: Sabine Stahl

Frank Lipowsky studierte Lehramt für Grund- und Hauptschulen an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und unterrichtete mehrere Jahre an verschiedenen Schulen in Baden-Württemberg. Nach seinem Lehramtsstudium war er Lehrbeauftragter für Mathematik und absolvierte ein Diplom-Pädagogikstudium. Mit einer Arbeit zum beruflichen Erfolg von Lehramtsabsolventen in der Berufseinstiegsphase promovierte er 2003 an der Pädagogischen
Hochschule Heidelberg. Von 2002 bis 2006 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt. Seit 2006 ist er Professor für Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Empirische Schul- und Unterrichtsforschung an der Universität Kassel.

Homepage Uni Kassel

Hervorhebungen im Fettdruck durch Schulforum-Berlin

Wann sind Hausaufgaben effektiv?

Hast du deine Hausaufgaben schon gemacht?

28.01.2016, Heike Schmoll
Wie nervend kann es sein, (…) „wenn Kinder von ihren Eltern nach der Rückkehr als Erstes gefragt werden, ob sie Hausaufgaben aufhaben und wann das Kind dies zu erledigen gedenke, weiß jedes Kind und wissen auch die Eltern aus ihrer Schulzeit. Kinder wollen nicht ständig kontrolliert werden und unter Druck stehen, aber sie brauchen sicher eine ruhige Lernatmosphäre und einen eigenen Arbeitstisch. Das ist aber nicht in allen Familien selbstverständlich [oder gar möglich]. Besonders günstig scheint für den Lernfortschritt zu sein, wenn Eltern sich relativ wenig einmischen, aber zur Unterstützung zur Verfügung stehen. (…)
Eine Studie der UNI Tübingen untersuchte elterliches Engagement bei Hausaufgaben und Leistungsentwicklung bei Sechstklässlern. Aus der Pressemitteilung der UNI Tübingen ist zu lesen:
„Es macht einen großen Unterschied, ob Kinder die Unterstützung der Eltern als Hilfe oder als unliebsame Einmischung und Kontrolle empfinden“, erklärt Sandra Moroni von der Pädagogischen Hochschule Bern, die Erstautorin der Studie. Da Eltern bekanntlich oft verstärkt dann eingreifen, wenn die Leistungen ihrer Kinder nachlassen, frustriert das Kinder oft doppelt. Ihnen wird dadurch signalisiert, dass sie gute Leistungen anscheinend nicht alleine erreichen können. „Das führt zu einem Teufelskreis“, erklärt Moroni. Ihr Rat: Zunächst genau prüfen, warum die Leistung des eigenen Kindes nachgelassen hat, und – ggf. auch gemeinsam mit den Lehrkräften – nach Möglichkeiten suchen, wie es (wieder) selbst Verantwortung für die Hausaufgabenerledigung übernehmen kann.
zur Pressemitteilung der UNI Tübingen

Heike Schmoll in ihrem Artikel: (…) Die Untersuchungen des neuseeländischen Bildungsforschers John Hattie, der alle vorhandenen Studien zu bestimmten Themen zusammengefasst und analysiert hat, kommt zu dem Ergebnis, dass Hausaufgaben nicht den allergrößten Effekt haben. Für viele war das Grund genug, die Abschaffung der Hausaufgaben zu fordern. Wer genau hinschaut, wird allerdings sehen, dass Hattie genau unterscheidet: am Gymnasium erscheinen Hausaufgaben sinnvoller als in der Grundschule. (…)

FAZ, Bildungswelten, 28.01.2015, Heike Schmoll, Hast du deine Hausaufgaben schon gemacht?


Was ist zu „Hausaufgaben“ nachzulesen bei John Hattie in: „Lernen sichtbar machen“?
Beywl und Zierer: Hausaufgaben nehmen bei John Hattie einen Rang im hinteren Drittel der Rangreihe der nach Effektstärken geordneten Faktoren ein. Damit ist für viele klar: Hausaufgaben lohnen sich nicht. Sie könnten abgeschafft werden. Wer diese Schlüsse zieht, hat Hattie falsch verstanden. In den höheren Klassenstufen der High School (im deutschsprachigen Raum betrifft dies z.B. die Gymnasien besonders stark) bringen Hausaufgaben mit Blick auf mathematische, sprachliche und naturwissenschaftliche Kompetenzen mehr als in der Grundschule. Je höher also die Klassenstufe, desto effektiver sind tendenziell Hausaufgaben. Also keine Hausaufgaben in der Grundschule? Nein. Hausaufgaben im Gymnasium können nur dann effektiv sein, wenn die Verantwortung dafür, die damit verbundene Arbeitskultur und die Selbstverpflichtung (´commitment´), eben schon von Anfang an gelernt wurde. (Seite VIII und IX)

(…) Auch die Art der Hausaufgaben macht einen Unterschied. Die Effekte sind in Mathematik am höchsten und in Natur- und Sozialwissenschaften am geringsten. Die Effekte sind höher, wenn der Stoff weder komplex noch neu ist. Hausaufgaben, die ein höheres Niveau an konzeptuellem Denken erfordern, sowie projektbezogene Hausaufgaben sind am wenigsten effektiv. (…) Nach der Auffassung von Trautwein [siehe weiter unten], Köller, Schmitz und Baumert (2002) weisen viele Hausaufgaben und mangelnde Kontrolle auf eine ineffektive Lehrmethode hin. Sie warnen vor Hausaufgaben, die die Motivation der Lernenden untergraben und dazu führen, dass die Lernenden fehlerhafte Routinen verinnerlichen. Sie sprechen sich für kurze, regelmäßige Hausaufgaben aus, die von den Lehrpersonen genau kontrolliert werden. Es wäre möglicherweise effektiver, diese Variante unter den Augen der Lehrperson (in der Schule) umzusetzen. (…) Die [Lern-]Effekte sind größer bei leistungsstärkeren als bei leistungsschwächeren Lernenden sowie bei älteren als bei jüngeren. (…) (Seite 276-277)

John Hatties Erkenntnisse zum Einfluss der Elternunterstützung:
(…) Von ebenso großem Interesse sind jene Familienvariablen, die negativ auf die Lernleistung korrelieren. Zu diesen Faktoren gehören externe Belohnung, Überwachung der Hausarbeiten, negative Kontrolle und Einschränkungen als Strafe für schlechte Noten. Insgesamt gilt: „Je höher die Hoffnungen und Erwartungen der Eltern in Bezug auf das, was das Kind leisten kann, sind, desto höher sind auch die eigenen Erwartungen des Kindes und desto höher ist am Ende auch die tatsächlich vom Kind erzielte akademische Lernleistung“ (Hong&Ho, 2005, S.40). Diese hohen Erwartungen werden unterstützt durch eine intensivere Kommunikation zwischen Eltern und Lernenden und durch die Selbstkontrolle der Lernenden über das eigene Lernen (siehe auch Fan&Chen, 2001). (…) (Seite 82)
Aus: „Lernen sichtbar machen“, John Hattie, 3. Auflage, 2015


In einer Sendung des wdr5 äußert sich Prof. Trautwein vom Hector-Institut für Empirische Bildungsforschung der Universität Tübingen zum Thema „Hausaufgaben“:
„Der positive Gesamteffekt von elterlicher Begleitung der Hausaufgaben ist erstaunlich gering und das hat häufig damit zu tun, wenn die Schülerinnen und Schüler den Eindruck haben die Eltern sind kontrollierend, die Eltern sind dirigierend, dann sinkt einerseits die Motivation und zweitens erhöht sich der Eindruck, ich kann das irgendwie nicht selber, meine Eltern müssen mir offensichtlich helfen, bin eigentlich gar nicht so richtig verantwortlich für meine eigenen Hausaufgaben.“

Prof. Dr. Trautwein hat für die Wirkung der Hausaufgaben auf den Lernprozess herausgefunden, dass unter anderem die Menge entscheidend ist. Am erfolgreichsten sind Lehrer, die regelmäßig und in Maßen Hausaufgaben austeilen.

„Wir haben auch untersucht, ob die Qualität der Hausaufgaben einen Effekt darauf hat was Schülerinnen und Schüler lernen und tatsächlich ist das der Fall.“

Schülern, die Probleme beim Lernen haben helfen Hausaufgaben oft am wenigsten, denn sie sind schlecht organisiert, nur wenig motiviert oder bekommen zu Hause nicht die richtige Unterstützung.

„Hausaufgaben haben vielleicht eine besondere Stärke tatsächlich in dem Bereich dass man mit ihrer Bearbeitung auch Selbstregulationsfähigkeiten stärken kann.“

Schüleräußerung: „Ich finde es eigentlich gut, wenn man zu Hause noch etwas zu tun hat, da hat man mehr Ruhe und kann seinen eigenen Lernplan machen und das bearbeiten was man wirklich braucht.“
Die Wirkungen von Hausaufgaben sind also von einer Reihe von Bedingungen abhängig, die sowohl mit der Person des Lehrers, des Schülers und der Eltern zu tun haben.

zur wdr5-Sendung, 13.01.2016, Streithema Hausaufgaben: Sinnvoll oder überholt?


Zentrale Ergebnisse der Hausaufgabenforschung im Überblick:
Wann sind Hausaufgaben effektiv?
Für die Lehrpersonen gilt: Hausaufgaben regelmäßig und häufig stellen, statt selten und umfangreich
• Mit der Kontrolle der Hausaufgaben muss eine inhaltliche Rückmeldung verbunden sein (Lösungsprozess aufzeigen), nicht nur eine Ergebniskontrolle
• Hausaufgaben sollten gut vorbereitet und in den Unterricht integriert sein. Dies hat positiven Einfluss auf die Motivation und die Anstrengungsbereitschaft der Schüler
• Lernende profitieren vor allem dann von Hausaufgaben, wenn sie ihre Aufgaben kontinuierlich, gewissenhaft und regelmäßig erledigen
• Die Anstrengungsbereitschaft der Lernenden hängt auch davon ab, inwieweit sie vom Nutzen der Hausaufgaben überzeugt sind und inwieweit sie die Erwartung haben, die Hausaufgaben zufriedenstellend erledigen zu können
• Schülerinnen und Schüler müssen wissen, wie man Hausaufgaben macht, wie man die Zeiten einteilt, wie man selbstregulierend mit dem Lehrstoff umgeht, umso effektiver sind die Ergebnisse
• Direkte Einmischungsversuche der Eltern sind problematisch, untergraben die Selbständigkeit der Lernenden und wirken sich eher negativ auf die weitere Leistungsentwicklung aus
• Elterliches Verhalten bei Hausaufgaben ist erfolgsversprechender, wenn sie die Selbständigkeit ihrer Kinder fördern und sie bei der Hausaufgabenbearbeitung emotional unterstützen und bekräftigen

vergleiche LERNENDE SCHULE 39/2007, Prof. Dr. Frank Lipowsky, Hausaufgaben: auf die Qualität kommt es an! – Ein Überblick über den Forschungsstand, S.7-9