Archiv der Kategorie: Schule und „Digitales Lernen“

Problem: Smartphones in der Schule

Der nachfolgende Text ist aus einem Interview des Tagesspiegels vom 10. Mai 2025 mit Wilfried Seiring. Als erster Landesschulamtsleiter war Seiring von 1990 – 1998 Vorgesetzter aller Lehrkräfte in Berlin. Im Interview nimmt er zu mehreren Themen Stellung, so auch zur Nutzung des Smartphones in der Schule. Interview: Susanne Vieth-Entus.

TSP: Sie erleben als Zeitzeuge in den Schulen, dass die Aufmerksamkeitsspanne der Schülerinnen und Schüler abnimmt. Wie erklären Sie sich das?

Seiring: Das hat sicher mehrere Gründe, ich führe das zum großen Teil auf die Smartphones zurück. Wir haben dieses Problem überhaupt nicht im Griff, wobei das Problem viele Facetten hat. Die Schüler sagen mir, dass sie ungefähr vier bis fünf Stunden pro Tag ihre Handys nutzen, laut Studien sind es sogar mehr, und man sieht ja auch, dass die Kinder und Jugendlichen, wenn sie aus der Schule kommen, zwar nebeneinander hergehen, aber nicht miteinander sprechen.

Was soll man Ihres Erachtens dagegen tun?

Berlins Senatorin [für Bildung, Jugend und Familie, Katharina Günther-Wünsch] hat ja Verschiedenes angepackt, sie kann nicht alles schaffen. Aber ich denke, es ist falsch, dass sie die Bedingungen der Handynutzung den Schulen überlassen hat. Andere Länder sind da weiter. Ich finde, wichtig wäre ein Appell der Senatorin, der mit den Ergebnissen wissenschaftlicher Untersuchungen zeigt, wie gefährlich die übermäßige Handynutzung ist. Es müsste in Richtung Handyverbot gehen. Das wäre auch ein Appell an die Elternschaft, selbst mehr auf ihre eigene Handynutzung zu achten – zu oft fehlt da ein beispielhaftes Modell.

Die Eltern sind ein Teil des Problems?

Auf jeden Fall. Eines der schlimmsten Erlebnisse ist für mich, wenn ich sehe, dass junge Mütter, deren Kinder im Kinderwagen den Augenkontakt suchen, die ganze Zeit, währen sie die Kinderwagen schieben, in ihre Handys gucken und Nachrichten senden.


Zum Thema Smartphones in der Schule nimmt am 2. Mai 2025 in einem Interview der taz mit der Überschrift „Nicht warten, dass der Staat etwas macht“ der Medienwissenschaftler an der Universität Erfurt, Danny Schmidt, Stellung. Interview Paula Schuhrbohm.

taz: Viele Schulen sind von der Social-Media-Nutzung im Schulalltag überfordert und reagieren mit einem Handyverbot. Ist das die Lösung?

Schmidt: Die Australier machen es gerade eindrucksvoll vor – Social-Media-Verbot für Jugendliche unter 16. Es ist wissenschaftlich belegt, unter anderem durch die aktuelle Studie der DAK aus dem Jahr 2025, dass der Konsum von Social Media für Jugendliche schädlich sein kann. Im Grunde haben wir es hier fast mit einem Fall für den Jugendschutz zu tun. Um einen Vergleich zu bemühen:

Bei Alkohol wissen wir als Gesellschaft, dass der Konsum besonders bei Jugendlichen Schäden verursachen kann. Die Folge: Wir verbieten den Konsum von Alkohol für Jugendliche unter 16 Jahren. Wir fangen nicht stattdessen an, an den Schulen Kompetenzworkshops über den verantwortungsvollen Konsum von Alkohol anzubieten.

Ein generelles Social-Media-Verbot bis zum 16. Lebensjahr ist also die Lösung?

Das wäre meine Empfehlung – und auch die vieler Kolleg:innen. Medienkompetenz kann sich dann Schritt für Schritt durch ein festes Schulfach und mit kompetenter Expertise von Lehrer:innen entwickeln. Durch schulische Medienbildung lernen die Schüler:innen nicht nur Medienkompetenz, sondern auch Lebenskompetenzen. Und das passt wunderbar zur Schule – einem Ort, der Menschen mit Lebenskompetenzen versorgen sollte.

Die Jugendlichen sind jetzt schon ständig von Social Media umgeben. Wie soll die Umsetzung funktionieren?

Es ist jetzt eine zivilgesellschaftliche Aktivierung gefragt. Also nicht zu sagen, man wartet, bis der Staat etwas tut, sondern selbstverantwortlich handeln. Man kann sich mit anderen Eltern zusammensetzen und als Gruppe das Problem lösen. Das Phänomen Social Media ist etwas mehr als 15 Jahre alt – beziehungsweise jung. Wir sind sozusagen teilnehmende Beobachter:innen eines laufenden „technologischen Experiments“ und kommen jetzt immer mehr zu dem Ergebnis, dass die Art, wie wir mit Social Media umgehen, schädlich ist – für die Individuen selbst und für die Gesellschaft als Ganzes. Vielleicht ist es an der Zeit zu sagen, dass wir aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnisse eine Pause machen sollten.

Textauswahl in den Interviews durch Schulforum-Berlin

siehe auch:

Handys im Unterricht – ein klares NEIN!

Weil das Angebot süchtig macht: Staaten müssen Kinder vor Social Media schützen

Technologie in der Bildung: EIN WERKZEUG – ZU WESSEN BEDINGUNGEN?

Handys im Unterricht – ein klares NEIN!

Eine OECD-Studie von 2024 kommt in dieser Frage zu einem klaren Ergebnis: Smartphones senken nicht nur die Lernleistung der Schülerinnen und Schüler, sondern stören auch das Sozialklima. Ein Verbot von Smartphones in Schulen wird empfohlen. In einigen Ländern, wie etwa Frankreich, Italien, Großbritannien und Brasilien, wurde dies bereits umgesetzt. Deutschland gehört nicht dazu. Die Entscheidung wird den einzelnen Schulen überlassen. Dabei weisen die Studien klar in eine Richtung: Je näher das Smartphone, desto geringer die Aufmerksamkeit und desto geringer ist die Lernleistung.

Die deutschen Schülerinnen und Schüler schneiden in internationalen Bildungsvergleichen derzeit eher mäßig ab. Das Ergebnis der letzten OECD Pisa-Studie: Besonders bei der Leseleistung waren deutsche Schüler schlechter als noch in den Jahren zuvor. Bildungsforscher Olaf Köller wird im NANO-Beitrag konkret: „Wir haben heute die Situation, dass drei von zehn Schülerinnen und Schülern, die 15 Jahre sind, eigentlich nicht lesen, schreiben und rechnen können, das heißt 30 Prozent. Das sind in absoluten Zahlen 250.000.“[3] Das bedeutet: Jährlich entlässt die Schule 250.000 Jugendliche mit „geringer Literalität“ („Funktionale Analphabeten“)[4]!

In der OECD-Studie heißt es explizit:

„Eine Maßnahme, die nachweislich Wirkung zeigt, ist ein Verbot von Smartphones in der Schule. PISA-Daten deuten darauf hin, dass solche Verbote wirksam sein können, wenn auch viel von der Durchsetzung abhängt.“[5]

Überraschend waren allerdings manche Presseberichte zu den Ergebnissen dieser Studie. Norbert Häring berichtete auf apolut.net am 11.6.2024: „Medien verdrehen Warnung der OECD zu Smartphones“[6].

Der SPIEGEL, so Häring, schaffte auf Basis der Meldung der Deutschen Presse-Agentur dpa das Kunststück, den Tenor der Studie in der Überschrift komplett umzudrehen. Das Magazin titelte: „OECD empfiehlt gezielten Einsatz von Handys im Unterricht“[7] und textete im Vorspann: „Schülerinnen und Schüler, die ständig aufs Handy starren, kommen nicht zum Lernen. Aber wenn Mobiltelefone gezielt im Unterricht eingesetzt werden, kann das sogar den Lernerfolg steigern. Das zeigt eine OECD-Studie.“

Anzumerken ist, dass die OECD nicht von „Mobiltelefonen“, sondern von „digitalen Geräten“ spricht, die nützlich für den Unterricht sein können. Die von dpa inspirierten Medienberichte machen daraus, dass die Nutzung von Smartphones im Unterricht den Lernerfolg steigere. Dabei macht die OECD-Studie auf Seite 6 unter der Überschrift „Der Kampf gegen die Ablenkung“[8] ganz ausdrücklich klar, dass (private) Smartphones am wenigsten als Unterrichtsinstrumente geeignet sind, weil die Schüler mit diesen multifunktionalen Geräten sehr viel anderes tun als lernen und dadurch vom Unterricht abgelenkt werden.

Andreas Schleicher, Leiter der Abteilung Bildung der OECD dazu in NANO: „Was wir sehen ist, dass die Bildungssysteme, die ein Handyverbot haben, weniger Schwierigkeiten haben. Da gibt es weniger Ablenkung, da gibt’s auch weniger soziale und emotionale Defizite. Das kann man schon klar sagen.“[9]

NANO berichtet weiter: Das Ablenkungspotential von Handys im Unterricht ist in der Wissenschaft unstrittig. 36,9 Stunden verbringen Jugendliche in Deutschland jede Woche am Smartphone. Umgerechnet fünf Sunden lang hängen die Befragten also täglich am Handy. Die Hälfte erhält mindesten 237 Benachrichtigungen pro Tag, 60 davon gehen während der Schulzeit ein.

Klaus Zierer und Tobias Böttcher von der Universität Augsburg haben die Erfahrungen vieler Lehrkräfte mit Smartphoneverboten gesammelt. Sie kommen im Beitrag von NANO zum selben Urteil wie die OECD-Studie.

Tobias Böttcher: „Die Veränderungen, die zu beobachten waren, die betreffen in erster Linie das soziale Klima, also den Umgang der Schülerinnen und Schüler untereinander. Wir gehen davon aus, dass das Sozialklima die Voraussetzung ist für die Lernleistung, die die Schülerinnen und Schüler letztendlich erbringen können.“[10]

Die Augsburger Erziehungswissenschaftler untersuchten die Auswirkungen solcher Smartphoneverbote anhand von fünf internationalen Studien aus Norwegen, Spanien, Tschechien, England und Schweden.

Klaus Zierer: „Die zentrale Beobachtung infolge eines Smartphoneverbotes war, dass sich die Pausen komplett verändert haben. Die Interaktion zwischen den Schülerinnen und Schülern waren ja andere, sie haben miteinander gespielt, sie haben miteinander gesprochen und gleichzeitig konnte festgestellt werden, dass das Phänomen Cybermobbing, das in den letzten Jahren immer mehr zunimmt, in den Schulen zurückgedrängt worden ist und damit die Schule wieder mehr zu einem Lebensraum für Kinder und Jugendliche geworden ist.“[11]

NANO berichtet weiter: Erstaunlicherweise beurteilte ein Großteil der Schülerinnen und Schüler ein Smartphoneverbot im Nachhinein als positiv. Den Ergebnissen der Augsburger Pädagogen zufolge ist aber ein alleiniges Verbot nicht ausreichend. Allein schon, weil Smartphones fester Bestandteil der Alltagskultur sind. Ein solches Verbot muss pädagogisch begleitet werden, um einen verantwortungsvollen Umgang mit der Technik zu fördern. Aber die Smartphones müssen raus aus der Schule!

Klaus Zierer: „Die Studien die wir auswerten weisen uns diesen Weg und sie sagen ganz klar, die Smartphones müssen weggesperrt werden, […] sie dürfen nicht im Klassenzimmer sein. Da wir auch wissen, je näher das eigene Smartphone ist, desto geringer ist die Aufmerksamkeitsfähigkeit und desto geringer ist die Lernleistung.“[12]

Lindbergs Team hat die Studie mit 42 Probanden im Alter zwischen 20 und 34 Jahren durchgeführt. Allein die Verfügbarkeit des Gerätes senkte die Aufmerksamkeit um 15 Prozent. Für Aufmerksamkeit stehen nur begrenzte kognitive Ressourcen zur Verfügung. Das Smartphone als Psychofalle. Bereits die Anwesenheit des Gerätes produziert die Erwartung von Reizen und aktiviert dabei Elemente des körpereigenen Belohnungssystems.

Sven Lindberg: „Das passiert mittlerweile so vollautomatisch, dass das Handy gar nicht mehr angeschaltet sein muss und diese Reize kommen – sondern ich mache mir Gedanken, welche Reize ich gerade verpasse.“[15]

Alle bisher durchgeführten Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen, die eigentlich zu einem strikten Handyverbot in Schulen führen müssten. In Deutschland bleibt es nach wie vor den einzelnen Schulen überlassen.

Andreas Schleicher in NANO: „Wenn man das den Schulleitungen überlässt, da sehen wir kaum Effekte. Die Schüler finden immer Wege das zu umgehen. Wenn man das den Lehrkräften überlässt, auch das haben wir untersucht, auch das ist im Grunde weitgehend wirkungslos.“[16]

Man tut sich hierzulande schwer, Konsequenzen zu ziehen.

In der OECD-Studie „Students, digital devices and success“ heißt es dazu auf Seite 8:

„Viele Bildungseinrichtungen haben Regeln eingeführt, um das Problem der Ablenkung anzugehen, aber ihre Wirksamkeit ist minimal. Wenn die schriftlichen Erklärungen oder Regeln einer Schule zu allgemein gehalten, ungenau oder nachsichtig sind, ist es unwahrscheinlich, dass sie ein effektives Lehren und Lernen mit digitalen Geräten unterstützen. Lehrer müssen auch in der Lage sein, die Regeln durchzusetzen, werden aber wahrscheinlich oft Schwierigkeiten haben, die Schüler effektiv zu überwachen, selbst wenn sie digitale Geräte in den Unterricht integrieren. Eine Maßnahme, die nachweislich Wirkung zeigt, ist ein Verbot von Smartphones in der Schule. PISA-Daten deuten darauf hin, dass solche Verbote wirksam sein können, wenn auch viel von der Durchsetzung abhängt. […] Die Daten deuten darauf hin, dass selbst in Schulen mit Verboten die Schüler Schwierigkeiten haben können, ein verantwortungsvolles Verhalten in Bezug auf die Smartphonenutzung an den Tag zu legen.“[17]  

Klaus Zierer fasst die bisherigen Erkenntnisse in „campus schulmanagement“ am 3.1.2025 zusammen: „Ein Smartphone-Verbot braucht die volle Unterstützung und Überzeugung des gesamten Kollegiums, um wirklich zu greifen. Halbherzige Maßnahmen, die nicht konsequent umgesetzt werden, kann man sich sparen. Nur mit klaren Regeln und einer geschlossenen Haltung funktioniert ein Verbot, das bestätigen auch die Studien.“[18]

Da stellt sich die Frage: Warum fehlt für ein generelles Smartphoneverbot in der Schule bisher der politische Wille?

Ein nachahmenswertes Beispiel:

Die brasilianische Zeitung „pagina12“ berichtete, dass in Brasilien die Verwendung von Smartphones an Schulen durch ein Gesetz generell verboten wurde[19]. Das Verbot betrifft öffentliche wie private Schulen auf Primarschul- und Sekundarschulebene und gilt für den Unterricht wie auch während der Pausen.

Interessant dabei ist: Es gilt auch ein Verbot für die Minister des brasilianischen Präsidenten Lula, mit ihren Smartphones an Sitzungen teilzunehmen, weil sie dadurch abgelenkt seien, so wie es in der Schule auch der Fall sei.

Abspann bei NANO: In der ganzen Geschichte der Menschheit gab es keine Entwicklung die unser Leben so rasant komplett umgekrempelt hätte wie die des Smartphones. Diese Ablenkungsmaschine ist ein Angriff auf unsere wichtigste menschliche Fähigkeit, nämlich sich auf eine Sache fokussieren zu können. Mit dieser Herausforderung können wir die Kinder nicht alleine lassen, das ist Sache der Eltern, aber auch eine staatliche Aufgabe.

Anmerkungen und Quellen durch Schulforum-Berlin:


[1] https://www.3sat.de/wissen/nano/250128-sendung-smartphoneverbot-im-unterricht-pro-und-contra-nano-100.html [30.01.2025]

[2] Students, digital devices and success. OECD 2024. https://www.oecd.org/en/publications/students-digital-devices-and-success_9e4c0624-en.html

[3] https://www.3sat.de/wissen/nano/250128-sendung-smartphoneverbot-im-unterricht-pro-und-contra-nano-100.html [30.01.2025]

[4] Menschen, die nicht ausreichende Fähigkeiten im Lesen und Schreiben haben „sind aufgrund ihrer begrenzten schriftsprachlichen Kompetenzen nicht in der Lage, am gesellschaftlichen Leben in angemessener Form teilzuhaben.“ Dieses Problem wurde im TV-Beitrag nicht weiter thematisiert. https://www.fachstelle-grundbildung.de/funktionaler-analphabetismus.html

[5] Students, digital devices and success. OECD 2024. (S. 8): „One action that has demonstrable impact is a ban on smartphones at school. PISA data suggest that such bans can be effective, although with a lot depending on enforcement.“ https://www.oecd.org/en/publications/students-digital-devices-and-success_9e4c0624-en.html 

[6] apolut.net, Medien verdrehen Warnung der OECD zu Smartphones, Norbert Häring, 11.6.2024, https://apolut.net/medien-verdrehen-warnung-der-oecd-zu-smartphones-von-norbert-haering/

[7] Überschrift des SPIEGEL-Berichts: OECD empfiehlt gezielten Einsatz von Handys im Unterricht. https://www.spiegel.de/panorama/bildung/bildung-oecd-studie-empfiehlt-gezielten-einsatz-von-handys-im-unterricht-a-5e0d1bd5-99ae-4783-92a9-0ecb08d15c1a [30.01.2025]

[8] Students, digital devices and success. OECD 2024. (S. 6). https://www.oecd.org/en/publications/students-digital-devices-and-success_9e4c0624-en.html

[9] 3sat – NANO vom 28. Januar 2025. https://www.3sat.de/wissen/nano/250128-sendung-smartphoneverbot-im-unterricht-pro-und-contra-nano-100.html [30.01.2025]

[10] 3sat – NANO vom 28. Januar 2025. https://www.3sat.de/wissen/nano/250128-sendung-smartphoneverbot-im-unterricht-pro-und-contra-nano-100.html [30.01.2025]

[11] 3sat – NANO vom 28. Januar 2025. https://www.3sat.de/wissen/nano/250128-sendung-smartphoneverbot-im-unterricht-pro-und-contra-nano-100.html [30.01.2025]

[12] 3sat – NANO vom 28. Januar 2025. https://www.3sat.de/wissen/nano/250128-sendung-smartphoneverbot-im-unterricht-pro-und-contra-nano-100.html [30.01.2025]

[13] Handy aus, Gehirn an. Paderborner Wissenschaftler*innen veröffentlichen Studie zur Auswirkung von Smartphones auf die Aufmerksamkeit in Nature-Journal. https://www.gew-ansbach.de/data/2023/07/Uni-Paderborn_Handy_aus_Gehirn_an_2023-07-01.pdf [30.01.2025]

[14] 3sat – NANO vom 28. Januar 2025. https://www.3sat.de/wissen/nano/250128-sendung-smartphoneverbot-im-unterricht-pro-und-contra-nano-100.html [30.01.2025]

[15] 3sat – NANO vom 28. Januar 2025. https://www.3sat.de/wissen/nano/250128-sendung-smartphoneverbot-im-unterricht-pro-und-contra-nano-100.html [30.01.2025]

[16] 3sat – NANO vom 28. Januar 2025. https://www.3sat.de/wissen/nano/250128-sendung-smartphoneverbot-im-unterricht-pro-und-contra-nano-100.html [30.01.2025]

[17] Students, digital devices and success. OECD 2024. (S. 8). https://www.oecd.org/en/publications/students-digital-devices-and-success_9e4c0624-en.html 

[18] Klaus Zierer am 3.1.2025 in „campus schulmanagement. https://www.campus-schulmanagement.de/magazin/smartphone-verbote-an-schulen-was-bringen-sie-wirklich-klaus-zierer [30.01.2025]

[19] Siehe dazu: https://www.pagina12.com.ar/796695-lula-promulgo-la-ley-que-prohibe-el-uso-de-celulares-en-las- [30.01.2025]

Generation Angst

Wie wir unsere Kinder an die virtuelle Welt verlieren und ihre psychische Gesundheit aufs Spiel setzen.

Jonathan Haidt, 2024, Rowohlt Verlag

Aber selbst wenn Schüler ihre Mobiltelefone einmal nicht checken, beeinträchtigt allein schon deren Präsenz  ihr Denkvermögen. (S. 164f)

Die visuell orientierten Plattformen gründen allesamt auf dem von Facebook entwickelten Geschäftsmodell: Maximierung der auf der Plattform verbrachten Zeit, um die Extraktion von Daten und den Wert der Nutzer für die Inserenten zu maximieren. (S. 191)

Warum behandelt jemand seine Kunden so? Weil die Nutzerinnen und Nutzer für die meisten Social-Media-Unternehmen gar nicht wirklich die Kunden sind. Wenn Plattformen freien Zugang zu Informationen oder Dienstleistungen anbieten, dann meist deshalb, weil die Nutzer das Produkt sind. Ihre Aufmerksamkeit ist eine kostbare Substanz, die extrahiert und an die zahlende Kundschaft verkauft wird – die Werbekunden. Die Unternehmen konkurrieren untereinander um die Aufmerksamkeit und tun – wie Spielkasinos – alles, um ihre Nutzer an sie zu binden, selbst wenn sie ihnen dabei schaden. (S. 282f)

Das auf Werbung basierende Geschäftsmodell macht die Nutzer zum Produkt, das an den Haken genommen und eingeholt werden soll.

Jüngere Nutzerinnen und Nutzer sind besonders wertvoll, weil man Gewohnheiten, die man sich schon früh zulegt, oft lebenslang beibehält; die Unternehmen brauchen sie also, um die Nutzung ihrer Angebote auch in Zukunft sicherzustellen. (S. 285f)

Smartphonefreie Schulen

Als Shane Voss die Leitung der Mountain Middle School in Durango, Colorado, übernahm, litten die Schüler und Schülerinnen „unter heftigem Cybermobbing, Schlafmangel und ständigen sozialen Vergleichen“. Voss ordnete in der Schule ein Smartphoneverbot an. 76 Prozent der öffentlichen Schulen in den Vereinigten Staaten, gaben bei einer Umfrage im Jahr 2020 an, dass sie den Gebrauch von Smartphones während des Unterrichts untersagen.
Die Belege dafür, dass Smartphones in der Nähe der Schüler (Schultasche, Hosentasche…) das Lernen beeinträchtigen, sind heute so eindeutig, dass die UNESCO, die Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur, im August 2023 einen Bericht herausgab, der sich mit den negativen Auswirkungen von digitalen Technologien, insbesondere Smartphones, auf die Bildung in aller Welt beschäftigt. Siehe dazu: https://bildung-wissen.eu/fachbeitraege/unesco-bericht-zu-it-in-schulen-fordert-mehr-bildungsgerechtigkeit.html

Der Bericht weist darauf hin, dass es erstaunlich wenige Belege dafür gibt, dass digitale Techniken das Lernen in einem typischen Klassenzimmer verbessern. Angemerkt wird zudem, dass der Gebrauch von Smartphones mit einem verminderten Lernerfolg und vermehrten Störungen in der Klasse einhergeht. (S. 308ff)

Die Smartphones der Schüler stecken voller Apps, die dafür konzipiert sind, die Aufmerksamkeit junger Menschen zu erregen und diese mit Benachrichtigung-Pings aus dem Klassenzimmer in die virtuelle Welt zu locken. Das ist der größte Störfaktor für Lernen und Beziehungen. (S. 311)

[D]as was sie [z.B. Eltern] tun, hat viel mehr Wirkung als das, was sie sagen; achten sie also auf ihren eigenen Umgang mit dem Smartphone. Seien sie ein Vorbild, das seine Aufmerksamkeit nicht ständig zwischen dem Smartphone und dem Kind aufteilt. (S. 333)

Kinder gedeihen, wenn sie in Gemeinschaften der wirklichen Welt verwurzelt sind, nicht in körperlosen virtuellen Netzwerken. Das Aufwachsen in der virtuellen Welt fördert Angst, Anomie und Einsamkeit. Die große Neuverdrahtung der Kindheit von einer spielbasierten zu einer smartphonebasierten Kindheit war ein katastrophaler Fehler.

Es ist Zeit, das Experiment zu beenden. (S. 361)

Textauswahl aus „Generation Angst“ durch Schulforum- Berlin

Weitere Artikel von Johnathan Haidt: https://jonathanhaidt.com/articles/

Siehe auch: FAZ, 18.09.2024, „Depressionen sind Teil der Kindheit geworden“. Zach Rausch hat sich ausführlich damit befasst, wie soziale Medien und Smartphones auf Kinder und Jugendliche wirken. Seine Befunde sind alarmierend.

Die Wirren der „Bildungs“-Stiftungen

Im Berliner „Tagesspiegel“ vom 17.07.2024[1] kommt der Geschäftsführer der „Wübben Stiftung Bildung“, Markus Warnke, in einem Interview zu maroden Schulen, fehlenden Plätzen, Schülern, die Mindeststandards nicht erfüllen, zu Wort. Im Interview bringt er das Gespräch auf die Einführung einer „Schüler-Identifikationsnummer“ sowie auf eine „datengestützte Unterrichtsentwicklung.“

Bei der Frage: Gibt es Bundesländer, in denen durch gute Bildungspolitik Erfolge erzielt werden? antwortet er: […] „In Hamburg wird [im Gegensatz zu Berlin] alles aus einer Hand gesteuert. Da ist die Schulbehörde nicht nur für die Lehrkräfte und den Unterricht verantwortlich, sondern auch für die Ausstattung, etwa mit digitalen Geräten.“

Damit ist er bei seinem eigentlichen Thema, was er voranbringen möchte, „Die Digitalisierung der Schule“. Um den Leser und zahlenden Bürger in seinen Ausführungen zu gewinnen, fährt er fort: „Das alles kostet nicht unbedingt viel Geld, die Ressourcen sind sowieso vorhanden, sie müssen nur effizienter genutzt werden“ – und zwar nach den Vorstellungen der „Stiftungen“. Die von Warnke als Geschäftsführer vertretene „Wübben Stiftung Bildung“ ist Mitglied im Stiftungsverbund „Forum Bildung Digitalisierung“, zusammen mit weiteren Stiftungen wie der „Bertelsmann Stiftung“, „Deutsche Telekom Stiftung“, „Vodafone Stiftung Deutschland“ u.a. Deutlich wird: Hinter diesen Stiftungen stehen mächtige Unternehmen.

Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass Warnke in dem TSP-Interview vorschlägt, dass er von Kanada die „datengestützte Unterrichtsentwicklung“ sofort übernehmen würde, um anzuschließen: „Es kann doch nicht sein, dass der Schutz von Daten wichtiger ist als das gelingende Aufwachsen unserer Kinder.“ Wie zynisch!

Das „gelingende Aufwachsen“ mit einer Unzahl an gesammelten individuellen Schülerdaten sieht nicht nur der dänische Bildungsminister Mattias Tesfaye kontrovers. Für ihn hat die viele Zeit der Kinder und Jugendlichen am Bildschirm zur „Zerstörung der Bildung“ beigetragen. „Wir waren viel zu naiv und erstaunt darüber, was die größten Technologieunternehmen zu bieten haben“.[2]

Deutlich wird: Die hinter den Stiftungen stehenden Unternehmen wollen nicht nur den Verkauf der IT-Hard- und Software, sie wollen auch an die gespeicherten Schülerdaten – Big Brother is watching you!

Wiederholend und in aggressiver Form vertreten dies Mitglieder im Stiftungsverbund „Forum Bildung Digitalisierung“[3]. So forderte bereits Jörg Dräger, bis Ende 2021 Mitglied des Vorstands der Bertelsmann-Stiftung, eine „Pädagogische Revolution“, um die digitalen Medien der im Hintergrund der Stiftungen agierenden IT-Industrie in den Schulen unterzubringen – „Digitale“ Bildung ist ihr Geschäft, nicht Schüler-Lernhilfe!

Sørine Vesth Rasmussen von der Kinderschutzorganisation Børns Vilkår: Sie bekomme immer wieder mit, dass andere Länder sich am dänischen Modell der Digitalisierung in Schulen orientierten. „Tut das bloß nicht. Es ist eine Falle“, sagt sie. Es sei unglaublich schwer, einen Rückzieher zu machen, wenn man einmal Computer und Programme gekauft, Lehrer in deren Verwendung unterrichtet und ganze Schulsysteme in den Dienst kommerzieller Unternehmen gestellt habe.

Worum geht es? Dazu die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen: Es gehe darum, „für unsere Kinder einzustehen, bevor es zu spät ist.“

Manfred Fischer für Schulforum-Berlin


[1] Tagesspiegel, 17.07.2024, Susanne Vieth-Entus u. Saara von Alten: „Es kann doch nicht sein, dass Datenschutz wichtiger ist als unsere Kinder“.

[2] FAZ, 16.07.2024, Julian Staib: Die Kinder Retten, bevor es zu spät ist. Kaum ein Land ist so digital wie Dänemark. Doch nun ruft die Regierung zum Kampf gegen soziale Netzwerke auf und will an den Schulen zurück zu Büchern, Papier und Stift. Immer mehr Länder in Europa und Übersee ziehen die Notbremse bei der Anwendung digitaler Technik in Schulen.

[3] Zu den Aktivitäten der „Bildungs“-Stiftungen siehe auch: https://bildung-wissen.eu/fachbeitraege/bildungsgipfel-zwischen-wunsch-und-wirklichkeit.html

Technologie in der Bildung: EIN WERKZEUG – ZU WESSEN BEDINGUNGEN?

Global Education Monitoring Report 2023. Technology in education: A tool on whose terms? Summary.

Aus der deutschen Übersetzung der deutschen UNESCO-Kommission einige Kernaussagen mit Schwerpunkt „Digitale Medien in der Bildung“:

Es gibt einen Mangel an guten, unvoreingenommenen Erkenntnissen über die Auswirkungen von digitalen Medien in der Bildung.

  • Es gibt wenige belastbare Belege für den Mehrwert von digitalen Medien in der Bildung. Die Technologie entwickelt sich schneller, als wir sie evaluieren können: Produkte aus dem Bereich der Bildungstechnologien ändern sich im Durchschnitt alle 36 Monate. Der Großteil der Erkenntnisse stammt aus den reichsten Ländern. Im Vereinigten Königreich haben 7 % der Unternehmen für Bildungstechnologien randomisierte kontrollierte Studien durchgeführt, und 12 % nutzten eine externe Zertifizierung. Eine Umfrage unter Lehrkräften und Schulverwaltungen in 17 US-Bundesstaaten ergab, dass nur 11 % von ihnen vor der Einführung nach einer von Fachleuten geprüften Bewertung fragten. (S. 1)
  • Ein Großteil der Studien stammt von den Anbietern, die die Produkte verkaufen wollen. Pearson [der weltweit größte Bildungskonzern und Buchverlag, zudem Marktführer für Bildungsmedien in Großbritannien, Indien, Australien und Neuseeland, zugleich die zweitgrößte Verlagsgruppe in den USA und Kanada] finanzierte eigene Studien und bestritt unabhängige Untersuchungsergebnisse, wonach die Produkte des Unternehmens keine Effekte zeigten. (S. 1)

Kurz gesagt: Wir verfügen zwar über viele allgemeine Forschungsarbeiten zum Lernen mit digitalen Medien. Der Umfang der Forschung zu konkreten Anwendungen und Rahmenbedingungen ist jedoch unzureichend, sodass es schwierig ist, nachzuweisen, dass eine bestimmte Technologie eine bestimmte Art des Lernens fördert. (S. 7)

Warum entsteht dennoch häufig der Eindruck, dass digitale Medien die Antworten auf die großen Herausforderungen im Bildungsbereich bieten könnten?

Um den Diskurs über digitale Medien in der Bildung zu verstehen, ist es wichtig, dass wir die Sprache, mit der sie beworben werden, und die Interessen, denen sie dienen sollen, hinterfragen.

  • Wer definiert den Rahmen für die Probleme, die mit digitalen Medien gelöst werden sollen?
  • Welche Folgen entstehen daraus für die Bildung?
  • Wer präsentiert digitale Medien in der Bildung als Voraussetzung für die Transformation von Bildung?
  • Wie glaubwürdig sind solche Behauptungen?
  • Welche Kriterien und Standards müssen festgelegt werden, um den aktuellen und potenziellen künftigen Beitrag digitaler Medien für die Bildung zu beurteilen, damit wir Hype und Substanz unterscheiden können?
  • Können Forschung und Evaluation mehr sein als kurzfristige Beurteilungen von Auswirkungen auf das Lernen und potenziell weitreichende Folgen des umfassenden Einsatzes digitaler Medien in der Bildung erfassen? (S. 7)

Übertriebene Erwartungen an digitale Medien gehen Hand in Hand mit übertriebenen Schätzungen zur Größe des weltweiten Marktes. Die Schätzungen von Business-Intelligence-Anbietern für das Jahr 2022 bewegen sich zwischen 123 Mrd. und 300 Mrd. US-Dollar. Solche Berechnungen werden fast immer in die Zukunft projiziert und sagen ein optimistisches Wachstum voraus, aber sie geben keine Auskunft über historische Entwicklungen und prüfen nicht, ob sich frühere Prognosen bewahrheitet haben. Solche Berichte bezeichnen Bildungstechnologien routinemäßig als unverzichtbar und Technologieunternehmen als Enabler und Disruptoren. Wenn sich die optimistischen Prognosen nicht erfüllen, wird die Verantwortung implizit auf die Regierungen abgewälzt, um den indirekten Druck auf diese aufrechtzuerhalten, vermehrt in entsprechende Anschaffungen zu investieren. Das Bildungswesen wird dafür kritisiert, dass es sich nur langsam verändere, in der Vergangenheit verhaftet sei und in Sachen Innovation hinterherhinke. Eine solche Darstellung spielt mit der Faszination der Menschen für Neues, aber auch mit ihrer Angst, abgehängt zu werden. (S. 7)

Technologieunternehmen können einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf die Entwicklung entsprechender Untersuchungen haben. So finanzierte [der weltweit größte Bildungskonzern] Pearson beispielsweise Studien, mit denen unabhängige Analysen angefochten wurden, die ihrerseits gezeigt hatten, dass die Produkte von Pearson keine Wirkung hatten. (S. 11)

Studien auf der Grundlage von PISA-Daten deuten auf einen negativen Zusammenhang zwischen der Nutzung digitaler Medien und den Lernergebnissen der Schülerinnen und Schüler hin, sobald die Schwelle einer moderaten Nutzung überschritten ist. Lehrkräfte empfinden die Nutzung von Tablets und Handys als Beeinträchtigung ihrer Klassenführung. Mehr als eine von drei Lehrkräften in sieben Ländern, die an der ICILS-2018-Studie teilnahmen, stimmten zu, dass die Verwendung digitaler Medien im Klassenzimmer die Lernenden ablenkt. (S. 11f)

Bildungssysteme sollten bei der Entscheidung über die Einführung digitaler Technologien stets sicherstellen, dass die Interessen der Lernenden im Mittelpunkt eines auf Rechten basierenden Rahmens stehen. Der Fokus sollte nicht auf digitaler Infrastruktur, sondern auf den Ergebnissen des Lernens liegen. Zur Verbesserung des Lernens sollten digitale Medien die persönliche Interaktion mit Lehrkräften nicht ersetzen, sondern ergänzen. (S. 20)

Weitere Fragestellungen und Hinweise:

Die Rolle von digitalen Medien in der Bildung ist seit langem Gegenstand intensiver Debatten:

  • Sorgen sie für eine Demokratisierung des Wissens – oder bedrohen sie die Demokratie, indem sie die Kontrolle über Informationen in die Hände weniger Auserwählter legen?
  • Bieten sie grenzenlose Möglichkeiten, oder führen sie in eine zukünftige Technologieabhängigkeit, aus der es kein Zurück mehr gibt?
  • Führen sie zu einer Angleichung der Bedingungen, oder verschärfen sie die Ungleichheit?
  • Sollten sie für den Unterricht junger Kinder eingesetzt werden, oder besteht ein Risiko für deren Entwicklung? (S. 33)

Der UNESCO-Bericht „Technologie in der Bildung: EIN WERKZEUG – ZU WESSEN BEDINGUNGEN?“ empfiehlt, dass Technologie in der Bildung evidenzbasiert eingeführt werden sollte, also auf Grundlage von Nachweisen, dass sie geeignet, chancengerecht, skalierbar und nachhaltig ist. Mit anderen Worten: Ihr Einsatz sollte im besten Interesse der Lernenden liegen und die zwischenmenschliche Interaktion ergänzen. Digitale Medien sollten als Werkzeug verstanden werden, das unter diesen Bedingungen genutzt werden kann. (S. 33)

Technologie [in der Bildung] kann aber auch ausgrenzend, irrelevant und belastend, wenn nicht sogar schädlich sein. Regierungen müssen für die richtigen Bedingungen sorgen, um einen chancengerechten Zugang zu Bildung für alle zu ermöglichen, und müssen die Nutzung von Technologien so regulieren, dass die Lernenden vor deren negativen Einflüssen geschützt werden. (S. 33)

Weitere Informationen:

UNESCO-Bericht zu IT in Schulen fordert mehr Bildungsgerechtigkeit

Technologie in der Bildung: EIN WERKZEUG – ZU WESSEN BEDINGUNGEN?

Hirnforschung an der Schule: Auf einer Wellenlänge

Soziale Interaktion ist von zentraler Bedeutung für das Lehren und Lernen.

Sören Maahs  

Schule ist mehr als ein Ort der Stoffvermittlung. Sie ist vor allem auch ein Raum des Miteinanders und des sozialen Lernens. „Zusammenarbeiten, sich begegnen, gemeinsam handeln“ so Michaela Sambanis, Professorin an der Freien Universität Berlin. Sie bildet Lehrkräfte für das Fach Englisch aus und verbindet in ihrer Arbeit Hirnforschung mit Didaktik.

Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass die menschlichen Beziehungen in einem Klassenzimmer entscheidend dafür sind, dass Kinder und Jugendliche erfolgreich lernen. Gerade für das Sprachenlernen sei Interaktion von großer Relevanz, sagt Michaela Sambanis: „Was wirklich zählt und die Lernatmosphäre ausmacht, sind Interaktionen, die soziale Nähe ermöglichen.“ Doch das Phänomen der Interaktion ist schwer fassbar. Lässt sich ihre Dynamik objektiv erforschen?

Was im Kopf von Schulkindern vorgeht, während sie im Unterricht sitzen, ließ sich bisher kaum beantworten. Bis vor wenigen Jahren untersuchten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Hirnforschung soziale Prozesse nur an einzelnen Probanden, die andere Personen beobachten. Inzwischen ist es aber möglich, mittels Elektronenzephalografie (EEG) die Gehirnwellen bei mehreren Lernenden gleichzeitig zu ermitteln und die Aktivitätsmuster zu vergleichen, während die Personen miteinander interagieren.

„Neuronale Kopplung“ im Klassenzimmer

Für solche Studien kommen tragbare, haubenartige EEG-Geräte im Klassenzimmer zum Einsatz, erklärt Sambanis. Das Ziel sei es, dem Gehirn bei möglichst natürlichen Kontakten „zuzuschauen“ und zu beobachten. Dabei entdeckten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass sich bei bestimmten Aktivitäten die Hirnsignale der Lernenden synchronisierten. Diese „neuronale Kopplung“ zeige sich in Phasen produktiver Aktivierung der Gruppe, etwa bei anregenden Diskussionen im Unterricht.

Lässt sich bei mehreren interagierenden Schulkindern eine Angleichung der Hirnaktivierung erkennen, sei dies ein messbarer Hinweis für das Engagement im Unterricht. Das wiederum bilde eine gute Grundlage für die kognitive Auseinandersetzung mit dem vermittelten Stoff. „Je höher die Synchronisierung mit den Mitschülerinnen und Mitschülern ist, desto weniger lassen sie sich ablenken“, erläutert die Didaktikprofessorin.

Der Blick in die Köpfe einer Schulklasse zeige auch: Je wohler sich die Lernenden in ihrer Klasse und mit der Lehrkraft fühlen, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie sich auf den Stoff einlassen und ihm die nötige Aufmerksamkeit schenken. Das Zugehörigkeitsgefühl unter den Schülerinnen und Schülern, das berühmte „Klassenklima“, ist entscheidend daran beteiligt, ob der gehirnliche Gleichtakt mit anderen aus der Klasse zustande kommt, erklärt Michaela Sambanis. „Vor diesem Hintergrund beantwortet sich die Frage, ob gemeinschaftsstärkende Aktivitäten wertvolle Unterrichtszeit verschwenden oder ob sich eine kleine Zeitinvestition dafür lohnt, gewissermaßen von selbst.“ […]

Besser lernen durch positive Lernatmosphäre und soziale Nähe

Siehe: https://www.tagesspiegel.de/auf-einer-wellenlange-4311367.html