Kommentieren Sie den neuen Rahmenlehrplan Geschichte

Der neue Rahmenlehrplan ist im Internet abrufbar und Lehrkräfte, Eltern, Schülerinnen und Schüler, Schulleitungen, schulische Gremien, alle an Bildung interessierten Verbände sowie Einzelpersonen können sich bis zum 27. März 2015 dazu äußern.

Wie Sprecher Thorsten Metter aus der Bildungsverwaltung sagte, sollen die Pläne dann möglichst breit diskutiert werden. Per Rückmeldungsbogen haben Interessierte Gelegenheit, die Pläne zu kommentieren.

Die von der Bildungsverwaltung angebotene Diskussion werden wir weiter verfolgen und berichten.

zu den Lehrplänen

Lernen wird „vernetzt, vielfältig und zeitgemäß“ – Das Niveau der Schulen sinkt

Datum: 28.11.2014
Neuer Rahmenlehrplan – Das Niveau der Schulen sinkt

Der neue Rahmenlehrplan schreibt vor, was und wie Berliner Kinder lernen sollen. Von „Entschlackung“ ist da die Rede, in der Realität heißt das: Das Niveau wird gesenkt.
Der neue Rahmenlehrplan erläutert, wie gelernt werden soll. Natürlich ganz modern – das Lernen wird „vernetzt und vielfältig“. „Zeitgemäßes Lernen“ sei das, lobt die Bildungssenatorin Sandra Scheeres den Entwurf aus ihrem Hause, der in Zusammenarbeit mit dem Land Brandenburg entwickelt wurde. Ein einheitlicher Rahmenlehrplan von der ersten bis zur 10. Klasse, eine kleine Revolution.
Die Antwort des neuen Rahmenlehrplans ist schlicht: Das Niveau wird gesenkt. Statt Fächer gibt es plötzlich immer öfter „Lernbereiche“, statt Lernen konkreter Formeln in Mathematik geht es nun um einen „sprachsensiblen“ Unterricht, der „die persönlichen, soziokulturellen und ethnischen Hintergründe“ der Schüler einbindet. Dafür soll noch Zeit sein?
Warum sucht die Bildungsverwaltung in neuen Strukturen und sich aneinanderreihenden Reformen die Lösung und stärkt nicht die Lehrer bei ihrer eigentlichen Aufgabe: den Kindern etwas beizubringen?

zum Artikel:   Berliner Morgenpost, 28.11.2014, Susanne Leinemann

Wer macht die Schulpolitik – Kultusminister oder Stiftungen?

Datum:  17.11.2014
Wer macht die Schulpolitik?
Kultusminister und Stiftungen
Die Stiftungen von Bertelsmann, Bosch und Telekom wollen über einen Nationalen Bildungsrat mehr Einfluss in der Bildungspolitik nehmen.

Begabten Schülern Stipendien verschaffen oder naturwissenschaftliches Unterrichtsmaterial in Kitas verteilen – Stiftungen, die sich im Bildungswesen engagieren, dürfen immer mit einem besonderen Imagegewinn als Rendite rechnen. Von den mehr als 20.000 Stiftungen in Deutschland engagieren sich denn auch 3000 im Bildungswesen, teilt der Bundesverband Deutscher Stiftungen mit. Gute Taten reichen manchen Stiftungen aber nicht. Die Bertelsmann-Stiftung, die Deutsche-Telekom-Stiftung und die Robert-Bosch-Stiftung wollen die politische Agenda mitbestimmen, indem sie die Schule den Kultusministern ein Stück weit entwinden.

zum Artikel:   Der Tagesspiegel, 17.11.2014, Amory Burchard und Anja Kühne

Schüler mögen keine blassen Lernbegleiter, sie fasziniert die mitreißende Leitfigur

Datum: 16.10.2014
Lob der Klasse
Die verkannten Vorzüge des lehrergeleiteten Lernens. Praktisch nutzbares Wissen braucht Wiederholung, Steuerung und Erfolg
Von Michael Felten, FAZ vom 9.10.2014, Bildungswelten

(…) Die strukturierte Wissenserarbeitung mit dem ganzen, mehr oder weniger heterogenen “Haufen” von Schülern scheint seit längerem überholt, der lenkende Lehrer muss sich zunehmend rechtfertigen. Unter dem Schmähbegriff Frontalunterricht wird diese Unterrichtsform als Ursache aller Schülerpassivität und Lernineffizienz attackiert.

Der neuseeländische Bildungsorscher John Hattie hat für seine Studie “visible learning” über 50000 Studien gesammelt und darin die Wirkung von 134 Einflussgrößen auf den Unterrichtserfolg untersucht. Sein Visionäre beunruhigender, Praktiker aber nicht wirklich überraschender Befund: Im Vergleich zur einer durchschnittlichen Lernprogression (Effektstärke 0,4) erzielen Unterrichtsverfahren wie direkte Instruktion (0,59), während Individualisierung (0,23) oder Freiarbeit (0,04) höchst bescheiden abschneiden. (…)

Der Erziehungswissenschaftler Ewald Terhart: Durch das aktive, herausfordernde Lehrerbild „rehabilitiert Hattie den dominanten, redenden Lehrer – der aber auch genau weiß, wann er zurücktreten und schweigen muss. Die Perspektive auf den Unterricht ist lehrerzentriert.“ Im Mittelpunkt steht ein Lehrer, für den zugleich seine Schüler im Zentrum stehen. Zwar gibt es gute Gründe, den Kennziffern empirischer Bildungsforschung nicht allein zu trauen. Trotzdem wirken die jüngsten Bildungspläne vieler Kultusministerien im Licht der Hattie-Befunde reichlich überholt. Sie sind geprägt von Selbstlerneuphorie, Individualisierungswahn und einer tiefen Abneigung gegenüber dem Unterricht im Klassenverband.

Nicht nur empirische Bildungsforscher, sondern auch moderne Kognitionspsychologen wie Elsbeth Stern sehen den Lehrer keineswegs im Abseits, sondern fordern sein Lenkungshandeln geradezu heraus. Praktisch nutzbares Wissen wie automatisierte Handlungen entwickelt sich vor allem durch Wiederholung, Erfolg, Steuerung und Fehlerkorrektur. Ohne den Wissensträger in der Rolle des Lehrers ist das nur schwer denkbar.

Manche Unterrichtsstunde in Deutschland mag monoton verlaufen, als zu enges Frage-Antwort-Spiel, mit zu geringem Bezug auf unterschiedliche Ausgangslagen der Schüler. Aber was ist mit Motivationsverlust und Mitläufertum bei unstrukturierter Gruppenarbeit, was mit der Überforderung und Oberflächlichkeit verfrühten oder übertriebenen Selbstlernens? Schlechter Frontalunterricht ist gerade kein prinzipielles Argument gegen das Lehren und Lernen im Klassenverband, sondern höchstens eines für dessen Verbesserung. Direkte Instruktion durch den Lehrer meint gerade keinen nervtötenden Paukermonolog, sondern den dynamischen Wechsel von Anknüpfen an Bekanntem, gemeinsamem Erschließen und individuellem Erproben von Neuem, Austausch im Plenum, sowie abschließendem Training in Eigenregie oder in Kleingruppen.

Gewiss bleibt Selbständigkeit ein unumstrittenes Ziel aller Bildung – sie ist nur kein Königsweg dahin. Eigenverantwortlichkeit beim Lernen zahlt sich nach aller Erfahrung erst in höheren Semestern, bei Leistungsstärkeren, nach gründlicher Anleitung und in angemessener Dosierung aus. Dagegen brauchen Schulanfänger, lernunlustige Pubertierende und bildungsfern Sozialisierte zur optimalen Ausschöpfung ihrer Begabung eine Person, die motiviert und erklärt, fordert und unterstützt. Wenn Schüler – vor allem Schwächere – sich häufig “Frontalunterricht” wünschen, dann meinen sie das direkt angeleitete, übersichtliche Vorgehen des Lehrers, ohne Umwege, ohne unergiebige Methodenwechsel, mit vielen Fragephasen und Ergebniskontrollen. Solch ein Klassenunterricht ist auf Lehrerseite weitaus anspruchsvoller als das Austeilen und Nachsehen von Arbeitsblättern und Wochenplänen. “Der Mensch ist für andere Menschen die Motivationsdroge Nummer eins”, urteilt der Freiburger Psychosomatiker Joachim Bauer. Gute Lehrer müssen weitaus mehr sein als Servicepersonal für zufällige Lernbedürfnisse, sie sind Führungskräfte in komplexen Entwicklungsprozessen, beim Erwachsenwerden. Schüler mögen eben keine blassen Lernbegleiter, sie fasziniert die mitreißende Leitfigur – und das lassen sie ihre Lehrer auch spüren.

zum Artikel:  Gesellschaft für Bildung und Wissen, Michael Felten, Lob der Klasse

Grenzen und Möglichkeiten der Inklusion

Datum:  07.-08.2014
Wie wird die schönste pädagogische Vision Wirklichkeit?
Deutscher Philologenverband, Artikel aus Profil, Prof. Rainer Dollase

Es ist für unsere Politiker unmodern, auf die Grenzen des pädagogischen Machbarkeitswahns hinzuweisen – damit lassen sich keine Wahlen gewinnen. Deswegen wird versprochen, dass die Vision von Inklusion machbar sei, nur Vorteile für alle habe und das gemeinsame Lernen „beste Pädagogik“ ermögliche. Weiter wird noch behauptet, dass das Sonderschulsystem teuer und wirkungslos sei, das inklusive System preiswerter zu haben ist.
Jeder, der regelmäßig in Schulen hospitiert oder selbst unterrichtet und der in der Lage ist, vorurteilsfrei zu beobachten, kann feststellen: Inklusion ist oft ein Etikettenschwindel. Kinder können im Unterricht dabei sein, aber sie werden nicht spezifisch gefördert.

zum Artikel:  Deutscher Philologenverband, Artikel aus Profil, Ausgabe 7./8.2014, Rainer Dollase, Wie wird die schönste pädagogische Vision Wirklichkeit?

Treibende Kräfte im Umbau der Bildungssysteme

Einflußnahme von internationalen Konzernen, Stiftungen, Verbänden und Lobby-Gruppen auf die nationale Gesetzgebung und Bildungssysteme

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Bild: Treibende Kräfte im Umbau der Bildungssysteme, aus: Bildung als Anpassung? Das Kompetenz-Konzept im Kontext einer ökonomisierten Bildung, S. 16.

zum Artikel:  Prof. Jochen Krautz, Bildung als Anpassung? Das Kompetenz-Konzept im Kontext einer ökonomisierten Bildung