Archiv der Kategorie: Ökonomisierung der Bildung

Die digitale Schule

Neues Lernen nach den Vorstellungen und mit den Werkzeugen des Technologiekonzerns Samsung[1]

Die Vision des Technologiekonzerns:

„Inspirieren Sie Ihre Schülerinnen und Schüler zu neuen Hochleistungen.“[2]

Und dies mit IT-Geräte- und Softwarevorschlägen von Samsung, die eine „mobile Lösung“ für den Unterricht ermöglichen und „leicht transportiert“ werden können „um die Schülerinnen und Schüler dort zu erreichen, wo sie sich aufhalten.“[3] Mit „zahlreichen Apps und Tools für den Unterricht“ lassen sich „Dank Samsung Classroom Management“ die Schulstunden „digital gestalten sowie effizient planen und strukturieren.“[4]

Für Lehrerinnen und Lehrer stellt das Unternehmen auf ihrer Internetseite mit der Überschrift „Neues Lernen – Unterrichtswerkzeuge“[5] nachfolgendes Beispiel für „eine perfekte Schulstunde“ vor.


Eine perfekte Schulstunde

8:30 Uhr
Sie starten die Schulstunde einfach per App.
Die Schüler:innen können automatisch dem Unterricht beitreten oder erst nach dem Scannen eines QR-Codes. Per Schüler Monitoring wird genau angezeigt, wer online oder offline ist.

Lassen Sie sich die Bildschirme der Schüler:innen anzeigen oder die Hausaufgaben auf Ihr Tablet senden, um die Ergebnisse zu beurteilen. Anschließend teilen Sie den heutigen „Unterrichtsstoff“ auf die Tablets der Schüler:innen. Für Wortmeldungen gibt es die Melden-Funktion.

9:15 Uhr
Dindong, Pause!
Überraschen Sie Ihre Schulklasse mit einem „echten“ Schulgong.

9:30 Uhr
Die Schüler:innen präsentieren ihre Referate im digitalen Klassenraum. Mit einer Geste machen Sie in der App den betreffenden Schüler zum Präsentator und sperren gleichzeitig alle Geräte der anderen Schüler:innen. Zu leise oder zu laut? Auch die Lautstärke können Sie einfach anpassen.

10:15 Uhr
Ende einer erfolgreichen Schulstunde. Bevor Sie die Schülergeräte sperren, lassen Sie sich die erarbeiteten Lösungen zusenden.

Anschließend können Sie gezielt alle Inhalte auf den Schüler-Tablets löschen, um die Datenschutzrichtlinien einzuhalten.

Kaffeepause
Planen Sie jetzt z.B. ganz entspannt Ihre nächsten Unterrichtseinheiten und hinterlegen Sie die Lehrmaterialien oder Apps, die Sie dafür verwenden möchten.


Um was geht es?

Samsung vermittelt den Lehrerinnen und Lehrern sowie den Bildungspolitikern, dass der weltweit agierende IT-Konzern das Lösungspaket für den „DigitalPakt Schule“ habe. So behaupten sie, dass „Samsung Neues Lernen“ „leistungsstarke und flexibel einsetzbare Produkte“ vereint, „die modernes Lernen und Lehren fördern und gleichzeitig für Begeisterung sorgen können.“ Und für den, der noch unsicher ist, behaupten sie: „Genau deshalb ist digitale Bildung bzw. die Digitalisierung an Schulen so wichtig.“[6]

Die Implementierung digitaler Medien und Technologien prägt die bildungspolitische Agenda!

Deutlich wird, dass die zwischenmenschlichen Beziehungen unter den Schülerinnen und Schülern, die Bedeutung der Kommunikation und Interaktion zwischen Lehr- und Lernpersonen nicht über einen überraschenden „Dingdong“ zur Pause hinausgehen. All dies verschwindet bei den Vorschlägen zur digitalen Unterrichtsgestaltung in der Bedeutungslosigkeit[9] und wird kommentarlos hingenommen. Das Vorgehen im Unterricht wird zu einem „modernen Lernen und Lehren“ hochstilisiert! [10] 

Zur Bedeutung der Lehrperson äußert sich die Physikerin und Nobelpreisträgerin Anne l´Huillier in einem Interview im Tagesspiegel vom 26.3.2024: „Man lehrt nicht was man weiß, sondern was man ist. Der Grundgedanke ist, dass nichts den Lehrer als Person ersetzen kann. Man kann nicht auf dieselbe Weise unterrichten, indem man auf einen Computer schaut, sondern man muss mit einer Person sprechen. Und diese Person lehrt viel mehr als nur das Fach, sondern auch ihre Persönlichkeit, die die Schüler beeinflusst.“[11]

Manfred Fischer für Schulforum-Berlin, 26.10.2025

Beitrag als PDF-Datei


[1] Hier könnte auch jede große deutsche Bildungs-Stiftung mit Technologieunternehmen im Hintergrund stehen. Sie agieren in ähnlicher Weise. Siehe: https://schulforum-berlin.de/schulen-im-fadenkreuz-der-lobbyisten-2/ (25.10.2025)

[2] Engartner, Tim, Raus aus der Bildungsfalle. Westendverlag, 2024, S. 118. Der Technologiekonzern Samsung wirbt nicht nur mit seinen Produkten, sondern auch mit seiner Vision für das Lernen mittels digitaler Endgeräte.

[3] A.a.O., S. 119.

[4] Siehe: https://www.samsung.com/de/business/neues-lernen/apps-fuer-den-unterricht/ (25.10.2025)

[5] A.a.O.

[6] Siehe: Digitaler Unterricht mit Samsung Neues Lernen https://www.samsung.com/de/business/neues-lernen/ Fettdruck durch Samsung.

[E]s ist kritisch anzumerken, dass die Bezeichnung „digitale Bildung“ irreführend ist und eher als positiv konnotiertes, euphemistisches Synonym für die Einführung digitaler Lehr- und Lernmittel sowie das Forcieren digitaler Kompetenzen im Diskurs genutzt wird. […] (Fußnote S. 32). Siehe: Annina Förschler (2018): „Das ‚Who is who?‘ der deutschen Bildungs-Digitalisierungsagenda – eine kritische Politiknetzwerk-Analyse“. In: Pädagogische Korrespondenz, 58/18: S. 31-52. (25.10.2025)

[7] Siehe: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2017/november/it-ausstattung-an-schulen-finanzierung-ist-eine-milliardenschwere-daueraufgabe/ (25.10.2025)

[8] Das Agieren von Bertelsmann ist beispielhaft für das Arbeiten von Stiftungen im Bildungsbereich, https://www.gew-hamburg.de/themen/bildungspolitik/perfektes-zusammenspiel (25.10.2025)

[9] Siehe auch: Bundeszentrale für politische Bildung, „Mit oder ohne Tablet lernen?! Über Argumente aus der Digitalisierungsdebatte in Schweden und Dänemark“, https://www.bpb.de/lernen/digitale-bildung/werkstatt/549556/mit-oder-ohne-tablet-lernen/#footnote-reference-8 (25.10.2025)

[10] Siehe auch: https://schulforum-berlin.de/verschleierung-und-verwirrung-als-roter-faden/ (25.10.2025)

[11] Siehe: https://www.tagesspiegel.de/wissen/physik-nobelpreistragerin-anne-lhuillier-eine-frauenquote-erzeugt-nicht-automatisch-gerechtigkeit-11217106.html  (25.10.2025)

Schulen im Fadenkreuz der Lobbyisten

„Technology in education: A tool on whose terms?“

Fragestellung der UNESCO im Global Education Monitoring Report 2023.

Der Schulleiter, der auch geschäftsführender Vorstand der Heraeus-Bildungsstiftung und diese Mitglied im „Forum Bildung Digitalisierung“ ist, hält als Forderung für die Grundschulen fest: Nicht nur „Lesen, Schreiben und Rechnen“ gehören zur Allgemeinbildung sondern „unbedingt“ auch „digitale Grundkompetenzen“. Wie es um die Grundkompetenzen in „Lesen, Schreiben und Rechnen“ bei den Grundschülern bestellt ist, scheint für ihn kein Problem zu sein – hat er doch ganz anderes im Sinn.

Schaut man genauer hin entdeckt man ein „perfektes Zusammenspiel: Die Stiftungen wirken wie ein Türöffner“[2]. Zu jeder sich ihnen bietenden Gelegenheit melden sich deren „Experten“ zu Wort, um ihre „digitalen Bildungskonzepte“ voranzubringen. Ihre „Empfehlungen“ sind passgenau ausgerichtet an den Medien- und IT-Produkten der jeweiligen Technologieunternehmen im Hintergrund.

Tatsächlich verdichten sich die wissenschaftlichen Hinweise auf enorme Nachteile und Schäden für die Entwicklungs- und Bildungsprozesse von Kindern und Jugendlichen durch digitale Medien. Ein Blick nach Schweden bringt Aufklärung.

Das Karolinska Institut, Medizinische Universität Stockholm[3], erklärte dazu in einer Stellungnahme:

„Die Annahme, dass die Digitalisierung die von der schwedischen Bildungsbehörde erwar­teten positiven Effekte haben wird, ist nicht evidenzbasiert, d.h., nicht auf wissen­schaftlichen Erkenntnissen beruhend.“

Weiter wird von der schwedischen Forschergruppe berichtet:

„Die Nationale Bildungsagentur scheint sich überhaupt nicht bewusst zu sein, dass die Forschung gezeigt hat, dass die Digitalisierung der Schulen große, negative Auswirkungen auf den Wissenserwerb der Schüler hat.“

In ihrer Stellungnahme führen sie weiter aus:

„Es gibt eindeutige wissenschaftliche Belege dafür, dass digitale Werkzeuge das Lernen der Schüler eher beeinträchtigen als verbessern.“

Ungeachtet dieser Stellungnahmen der Wissenschaftler führt der Schulleiter jedoch im Interview weiter aus: Die Lehrkräfte müssen in ihrer Ausbildung „lernen, wie man Unterricht mit digitalen Werkzeugen gestaltet, wie man Kollaboration anbahnt, wie man Lernplattformen nutzt.“ Das klingt so, als „müssten Pädagogen ihre Pädagogik von den Geräten her denken“ und bitteschön, im Sinne der im Hintergrund des Stifterverbunds „Forum Bildung Digitalisierung“ agierenden IT-Industrie.

Die Vereinzelung beim Lernen vor dem Bildschirm, die Abschaffung des Unterrichts, die Auflösung der Klassengemeinschaft, der Verlust von Sozialkompetenzen sowie der stete Leistungsabfall in den Grundkompetenzen, all das wird kommentarlos hingenommen.

Treffend und komprimiert führte Susanne Klein in der Süddeutschen Zeitung[4] unter der Überschrift: „Digitales Geräteturnen“, aus: „Es ist Zeit, dem reflexhaften Ruf nach der digitalen Schule eine pädagogische Reflexion entgegenzusetzen. Damit die Schulen nicht zur nächsten Reform verdonnert werden, die eine kurzsichtige Politik irgendwann zurücknehmen muss.“

Dr. Klaus Zierer, Ordinarius für Schulpädagogik an der Universität Augsburg stellt dazu fest, „dass viele Probleme, die wir im Bildungsbereich haben, von einer unreflektierten Digitalisierung letztendlich befeuert werden.“[5]

Und auch die UNESCO kritisierte im „Global Education Monitoring Report 2023. Technology in education: A tool on whose terms?“[6], dass bei aktuellen IT-Konzepten für Bildungseinrichtungen nicht das Lernen und der pädagogische Nutzen im Mittelpunkt stünden, sondern wirtschaftliche Interessen.[7]

Diese wirtschaftlichen Interessen in der umfassenden „Digitalisierung der Bildung“ charakterisierte Christian Füller als „Trojanisches Pferd“[8] und schrieb in der Hamburger GEW-Lehrer-Zeitung dazu: „Mit der Digitalisierung aber haben vor allem die Stiftungen mit Technologieunternehmen im Hintergrund[9] eine völlig neue Mission: Sie rollen unter den großen Überschriften `Teilhabe´ und `Kooperation´ ein großes Trojanisches Pferd in die Schulen – das digitalisierte Lernen samt Endgeräten.“

Worauf es ankommt

Auf die Frage: Worin sehen Sie die größten Herausforderungen des deutschen Bildungssystems? antwortet Dr. Heiner Barz, Professor für Erziehungswissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf: „Ein […] Problem ist die viel beschworene `digitale Bildungsrevolution´. Viele Pädagogen und Bildungsexperten sehen im zu frühen Einsatz von Bildschirmmedien in Kita und Schulen mehr das Problem als die Lösung. Sie verlangen vielleicht nicht nach einer neuen `Kreidezeit´ – aber doch nach einer Rückbesinnung auf die lebendige Lehrer-Schüler-Begegnung, auf das fruchtbare Unterrichtsgespräch und auf den pädagogisch gestalteten Rhythmus von Anstrengung und Entspannung in der Eroberung neuer Wissenswelten.“[10]

Beitrag als PDF-Datei


[1] Interview mit der Berliner Zeitung vom 30.9.2025, „Wir haben keine Zeit mehr“ – Digitalisierung an Berliner Schulen stagniert, Ronja Ackermann [20.10.2025]

[2] Das Bildungsgeschäft der Bertelsmann Stiftung, „Perfektes Zusammenspiel“, Christian Füller, https://www.gew-hamburg.de/themen/bildungspolitik/perfektes-zusammenspiel [20.10.2025]

[3] Karolinska-Institut (Schweden): Stellungnahme zur nationalen Digitalisierungsstrategie in der Bildung. Deutsche Übersetzung. [20.10.2025]

[4] Süddeutsche Zeitung, 15.9.2017, „Digitales Geräteturnen“, Susanne Klein [20.10.2025]

[5] Aus NANO, 3sat vom 6.12.2023, https://www.3sat.de/wissen/nano/231206-digitale-leseschwaeche-nano-100.html [20.10.2025]

[6] Technologie in der Bildung EIN WERKZEUG – ZU WESSEN BEDINGUNGEN? [20.10.2025]

[7] Siehe auch: https://die-pädagogische-wende.de/wp-content/uploads/2023/11/moratorium_pub_17nov23.pdf [20.10.2025]

[8] Das Bildungsgeschäft der Bertelsmann Stiftung, „Perfektes Zusammenspiel“, Christian Füller, https://www.gew-hamburg.de/themen/bildungspolitik/perfektes-zusammenspiel [20.10.2025]

[9] Unternehmensnahe Stiftungen im Bildungsbereich:

Im Forum Bildung Digitalisierung sind derzeit zehn große deutsche Stiftungen mit Technologieunternehmen im Hintergrund Mitglied: Deutsche Telekom Stiftung, Bertelsmann Stiftung, Dieter Schwarz Stiftung, Dieter von Holtzbrinck Stiftung, Heraeus Bildungsstiftung, Joachim Herz Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Siemens Stiftung, Vodafone Stiftung Deutschland und Wübben Stiftung Bildung. Berlin ist Netzwerk, Bühne und Treffpunkt für die wichtigsten Debatten über Bildung.

Siehe auch: Deutscher Bundestag, 2023, WD 8 – 3000 – 046/23, https://www.bundestag.de/resource/blob/968854/1bb8f689743f55cdb728acb36abcce91/WD-8-046-23-pdf-data.pdf [20.10.2025]

[10] Siehe: Tagesspiegel vom 8.12.2023, S. 16, „Fragwürdige Bildungsstudie“, Farangies Ghafoor im Interview mit Prof. Heiner Barz [20.10.2025]

Altersgrenzen für Social Media-Nutzung und Einschränkung suchterzeugender Funktionen

Leopoldina-Diskussionspapier empfiehlt besseren Schutz von Kindern und Jugendlichen

Ausschnitt aus dem Titelbild der Studie der Leopoldina

In dem am 11.08.2025 veröffentlichten Diskussionspapier der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina [1] schlagen die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Anwendung des Vorsorgeprinzips vor. Es besagt, dass vorbeugende Maßnahmen ergriffen werden sollten, wenn es Hinweise auf mögliche schädliche Auswirkungen gibt, auch wenn wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt ist, wie groß das Risiko tatsächlich ist. In dem Papier „Soziale Medien und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“ geben sie Handlungsempfehlungen, um Kinder und Jugendliche vor negativen Folgen sozialer Medien zu schützen. Nachfolgend ein Auszug:

Handlungsempfehlungen

Unter dem Abschnitt „Maßnahmen für Bildungseinrichtungen“ schreiben sie auf S. 40:

Wir empfehlen, die Nutzung von Smartphones in Kitas und Schulen bis einschließlich Klasse 10 zu untersagen.

Smartphones sind die bei Jugendlichen am häufigsten vorhandenen digitalen Endgeräte und daher zentral für die Nutzung sozialer Medien durch Kinder und Jugendliche. Wie [bereits] dargestellt, zeigen Studien, dass ein solches Verbot positive Effekte auf Wohlbefinden, Sozialverhalten und schulische Leistungen haben kann. Auch wenn andere Untersuchungen kaum Vorteile solcher Maßnahmen feststellen konnten, halten wir ein Smartphoneverbot als Teil eines umfassenden Schutzkonzepts für sinnvoll. Entscheidend sind dabei die pädagogische Begleitung sowie eine regelmäßige Evaluation der Wirkung. (S. 40)

Im Kontext der digitalen Bildung ist es wichtig, ein Verständnis für die Geschäftsmodelle von Social-Media-Anbietern und deren Umsetzung in Form konkreter Nutzungsangebote zu entwickeln. Ebenso sollten Machtstrukturen im Internet und in sozialen Medien thematisiert sowie Medienkompetenzen vermittelt werden – etwa Methoden zur Identifizierung von Falschnachrichten und vertrauenswürdigen Quellen. (S. 41)

Die Nutzung sozialer Medien für schulische Zwecke (z. B. zur Organisation oder Kommunikation im Klassenverband) sollte hingegen kritisch hinterfragt und auf das Mindestmaß beschränkt werden. Wenn ein Einsatz erforderlich ist, sollten bevorzugt unproblematische Anwendungen – etwa datenschutzfreundliche Messengerdienste – zum Einsatz kommen. (S. 42)

Im Zentrum der Kampagne sollten die kurz- und langfristigen Folgen problematischer Mediennutzung stehen. Zudem sollte die Vorbildfunktion von Eltern deutlich benannt werden. Regeln im Umgang mit sozialen Medien sollten klar, alltagstauglich und altersgerecht sein und Eltern, Kindern sowie Jugendlichen gleichermaßen Orientierung bieten. (S. 43)

Zu erforschen sind unter anderem sensible Entwicklungsfenster, Wechselwirkungen mit der elterlichen Mediennutzung, die Rolle von Peers sowie die Auswirkungen kommender KI-gestützter Social-Media-Formate – etwa sogenannter virtueller Freunde oder sozialer Halluzinationen, bei denen Künstliche Intelligenz den falschen, aber subjektiv absolut überzeugenden Eindruck authentischer sozialer Interaktion erzeugt. (S. 44)

In Anbetracht der individuellen und gesellschaftlichen Risiken, die mit der Nutzung sozialer Medien durch Kinder und Jugendliche somit einhergehen, besteht aus Sicht der Autorinnen und Autoren dieses Diskussionspapiers daher kurzfristiger Handlungsbedarf. Bund und Länder sollten wirksame Maßnahmen zum Schutz dieser besonders vulnerablen Altersgruppe ergreifen. Heranwachsende sollten vor den Risiken sozialer Medien geschützt werden. (S. 45)

Die altersdifferenzierte Schutzstrategie […] vereint regulatorische, technische und pädagogische Maßnahmen sowie gesellschaftliche Aufklärung zu einem abgestimmten Maßnahmenbündel:

Für Kinder unter 13 Jahren sollte unserem Vorschlag zufolge die Einrichtung eigener Social-Media-Accounts untersagt sein, da entsprechende Angebote für diese Altersgruppe grundsätzlich ungeeignet sind. (S. 45)

Für 13- bis 17-jährige Jugendliche sind hingegen altersgemäße Einschränkungen von Plattformfunktionen erforderlich – etwa der Ausschluss personalisierter Werbung und der Verzicht auf die Erstellung individueller Nutzungsprofile. (S. 45)

Für 13- bis 15-jährige Kinder und Jugendliche befürworten wir darüber hinaus eine elterliche Begleitung, die durch einfach zu handhabende Lösungen unterstützt wird. Die Einhaltung der Altersgrenzen erfordert eine verlässliche Infrastruktur zur Altersverifikation, deren Einführung wir empfehlen. (S. 45)

In Bildungseinrichtungen sollte darüber hinaus die Nutzung von Smartphones bis einschließlich Klasse 10 untersagt werden. (S. 46)

Kritisch zu sehen ist so etwa das Prinzip der Aufmerksamkeitsökonomie, das im Zentrum vieler digitaler Geschäftsmodelle steht; denn die Extraktion und Monetarisierung von Aufmerksamkeit fördert technologische Strategien zur Maximierung der Nutzerbindung und schafft gezielt suchtfördernde Strukturen im digitalen Raum. Die rasante technologische Entwicklung im Digitalsektor befeuert diese ökonomisch motivierte Tendenz noch, weshalb sich die sozialen Medien ebenso rasant weiterentwickeln: Immer leistungsfähigere Algorithmen und KI-Systeme werden eingesetzt, um Nutzerverhalten vorherzusagen und mittels emotionaler Bindung zunehmend zu steuern. (S. 46)

Der Schutz junger Menschen vor den Gefahren sozialer Medien erfordert nicht nur sektorale Maßnahmen, sondern muss eingebettet sein in eine umfassende deutsche und europäische Strategie für digitale Resilienz und digitale Souveränität. Es geht um den Erhalt politischer und persönlicher Handlungsfähigkeit im digitalen Zeitalter – durch klare Regeln, wirksame Kontrollen, internationale Kooperation und einen normativen Rahmen, der den Schutz des Kindeswohls ins Zentrum stellt. (S. 47)

In einem Video[2] stellt Prof. Dr. Ralph Hertwig, Direktor am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin und Mitautor des Diskussionspapiers, die Handlungsempfehlungen vor.


[1] https://www.leopoldina.org/fileadmin/redaktion/Publikationen/Diskussionen/2025_Diskussionspapier_Soziale_Medien.pdf

[2] Link zum Video: https://www.youtube.com/watch?v=2l5Qcu1_Fpc

Die Wirren der „Bildungs“-Stiftungen

Im Berliner „Tagesspiegel“ vom 17.07.2024[1] kommt der Geschäftsführer der „Wübben Stiftung Bildung“, Markus Warnke, in einem Interview zu maroden Schulen, fehlenden Plätzen, Schülern, die Mindeststandards nicht erfüllen, zu Wort. Im Interview bringt er das Gespräch auf die Einführung einer „Schüler-Identifikationsnummer“ sowie auf eine „datengestützte Unterrichtsentwicklung.“

Bei der Frage: Gibt es Bundesländer, in denen durch gute Bildungspolitik Erfolge erzielt werden? antwortet er: […] „In Hamburg wird [im Gegensatz zu Berlin] alles aus einer Hand gesteuert. Da ist die Schulbehörde nicht nur für die Lehrkräfte und den Unterricht verantwortlich, sondern auch für die Ausstattung, etwa mit digitalen Geräten.“

Damit ist er bei seinem eigentlichen Thema, was er voranbringen möchte, „Die Digitalisierung der Schule“. Um den Leser und zahlenden Bürger in seinen Ausführungen zu gewinnen, fährt er fort: „Das alles kostet nicht unbedingt viel Geld, die Ressourcen sind sowieso vorhanden, sie müssen nur effizienter genutzt werden“ – und zwar nach den Vorstellungen der „Stiftungen“. Die von Warnke als Geschäftsführer vertretene „Wübben Stiftung Bildung“ ist Mitglied im Stiftungsverbund „Forum Bildung Digitalisierung“, zusammen mit weiteren Stiftungen wie der „Bertelsmann Stiftung“, „Deutsche Telekom Stiftung“, „Vodafone Stiftung Deutschland“ u.a. Deutlich wird: Hinter diesen Stiftungen stehen mächtige Unternehmen.

Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass Warnke in dem TSP-Interview vorschlägt, dass er von Kanada die „datengestützte Unterrichtsentwicklung“ sofort übernehmen würde, um anzuschließen: „Es kann doch nicht sein, dass der Schutz von Daten wichtiger ist als das gelingende Aufwachsen unserer Kinder.“ Wie zynisch!

Das „gelingende Aufwachsen“ mit einer Unzahl an gesammelten individuellen Schülerdaten sieht nicht nur der dänische Bildungsminister Mattias Tesfaye kontrovers. Für ihn hat die viele Zeit der Kinder und Jugendlichen am Bildschirm zur „Zerstörung der Bildung“ beigetragen. „Wir waren viel zu naiv und erstaunt darüber, was die größten Technologieunternehmen zu bieten haben“.[2]

Deutlich wird: Die hinter den Stiftungen stehenden Unternehmen wollen nicht nur den Verkauf der IT-Hard- und Software, sie wollen auch an die gespeicherten Schülerdaten – Big Brother is watching you!

Wiederholend und in aggressiver Form vertreten dies Mitglieder im Stiftungsverbund „Forum Bildung Digitalisierung“[3]. So forderte bereits Jörg Dräger, bis Ende 2021 Mitglied des Vorstands der Bertelsmann-Stiftung, eine „Pädagogische Revolution“, um die digitalen Medien der im Hintergrund der Stiftungen agierenden IT-Industrie in den Schulen unterzubringen – „Digitale“ Bildung ist ihr Geschäft, nicht Schüler-Lernhilfe!

Sørine Vesth Rasmussen von der Kinderschutzorganisation Børns Vilkår: Sie bekomme immer wieder mit, dass andere Länder sich am dänischen Modell der Digitalisierung in Schulen orientierten. „Tut das bloß nicht. Es ist eine Falle“, sagt sie. Es sei unglaublich schwer, einen Rückzieher zu machen, wenn man einmal Computer und Programme gekauft, Lehrer in deren Verwendung unterrichtet und ganze Schulsysteme in den Dienst kommerzieller Unternehmen gestellt habe.

Worum geht es? Dazu die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen: Es gehe darum, „für unsere Kinder einzustehen, bevor es zu spät ist.“

Manfred Fischer für Schulforum-Berlin


[1] Tagesspiegel, 17.07.2024, Susanne Vieth-Entus u. Saara von Alten: „Es kann doch nicht sein, dass Datenschutz wichtiger ist als unsere Kinder“.

[2] FAZ, 16.07.2024, Julian Staib: Die Kinder Retten, bevor es zu spät ist. Kaum ein Land ist so digital wie Dänemark. Doch nun ruft die Regierung zum Kampf gegen soziale Netzwerke auf und will an den Schulen zurück zu Büchern, Papier und Stift. Immer mehr Länder in Europa und Übersee ziehen die Notbremse bei der Anwendung digitaler Technik in Schulen.

[3] Zu den Aktivitäten der „Bildungs“-Stiftungen siehe auch: https://bildung-wissen.eu/fachbeitraege/bildungsgipfel-zwischen-wunsch-und-wirklichkeit.html

Technologie in der Bildung: EIN WERKZEUG – ZU WESSEN BEDINGUNGEN?

Global Education Monitoring Report 2023. Technology in education: A tool on whose terms? Summary.

Aus der deutschen Übersetzung der deutschen UNESCO-Kommission einige Kernaussagen mit Schwerpunkt „Digitale Medien in der Bildung“:

Es gibt einen Mangel an guten, unvoreingenommenen Erkenntnissen über die Auswirkungen von digitalen Medien in der Bildung.

  • Es gibt wenige belastbare Belege für den Mehrwert von digitalen Medien in der Bildung. Die Technologie entwickelt sich schneller, als wir sie evaluieren können: Produkte aus dem Bereich der Bildungstechnologien ändern sich im Durchschnitt alle 36 Monate. Der Großteil der Erkenntnisse stammt aus den reichsten Ländern. Im Vereinigten Königreich haben 7 % der Unternehmen für Bildungstechnologien randomisierte kontrollierte Studien durchgeführt, und 12 % nutzten eine externe Zertifizierung. Eine Umfrage unter Lehrkräften und Schulverwaltungen in 17 US-Bundesstaaten ergab, dass nur 11 % von ihnen vor der Einführung nach einer von Fachleuten geprüften Bewertung fragten. (S. 1)
  • Ein Großteil der Studien stammt von den Anbietern, die die Produkte verkaufen wollen. Pearson [der weltweit größte Bildungskonzern und Buchverlag, zudem Marktführer für Bildungsmedien in Großbritannien, Indien, Australien und Neuseeland, zugleich die zweitgrößte Verlagsgruppe in den USA und Kanada] finanzierte eigene Studien und bestritt unabhängige Untersuchungsergebnisse, wonach die Produkte des Unternehmens keine Effekte zeigten. (S. 1)

Kurz gesagt: Wir verfügen zwar über viele allgemeine Forschungsarbeiten zum Lernen mit digitalen Medien. Der Umfang der Forschung zu konkreten Anwendungen und Rahmenbedingungen ist jedoch unzureichend, sodass es schwierig ist, nachzuweisen, dass eine bestimmte Technologie eine bestimmte Art des Lernens fördert. (S. 7)

Warum entsteht dennoch häufig der Eindruck, dass digitale Medien die Antworten auf die großen Herausforderungen im Bildungsbereich bieten könnten?

Um den Diskurs über digitale Medien in der Bildung zu verstehen, ist es wichtig, dass wir die Sprache, mit der sie beworben werden, und die Interessen, denen sie dienen sollen, hinterfragen.

  • Wer definiert den Rahmen für die Probleme, die mit digitalen Medien gelöst werden sollen?
  • Welche Folgen entstehen daraus für die Bildung?
  • Wer präsentiert digitale Medien in der Bildung als Voraussetzung für die Transformation von Bildung?
  • Wie glaubwürdig sind solche Behauptungen?
  • Welche Kriterien und Standards müssen festgelegt werden, um den aktuellen und potenziellen künftigen Beitrag digitaler Medien für die Bildung zu beurteilen, damit wir Hype und Substanz unterscheiden können?
  • Können Forschung und Evaluation mehr sein als kurzfristige Beurteilungen von Auswirkungen auf das Lernen und potenziell weitreichende Folgen des umfassenden Einsatzes digitaler Medien in der Bildung erfassen? (S. 7)

Übertriebene Erwartungen an digitale Medien gehen Hand in Hand mit übertriebenen Schätzungen zur Größe des weltweiten Marktes. Die Schätzungen von Business-Intelligence-Anbietern für das Jahr 2022 bewegen sich zwischen 123 Mrd. und 300 Mrd. US-Dollar. Solche Berechnungen werden fast immer in die Zukunft projiziert und sagen ein optimistisches Wachstum voraus, aber sie geben keine Auskunft über historische Entwicklungen und prüfen nicht, ob sich frühere Prognosen bewahrheitet haben. Solche Berichte bezeichnen Bildungstechnologien routinemäßig als unverzichtbar und Technologieunternehmen als Enabler und Disruptoren. Wenn sich die optimistischen Prognosen nicht erfüllen, wird die Verantwortung implizit auf die Regierungen abgewälzt, um den indirekten Druck auf diese aufrechtzuerhalten, vermehrt in entsprechende Anschaffungen zu investieren. Das Bildungswesen wird dafür kritisiert, dass es sich nur langsam verändere, in der Vergangenheit verhaftet sei und in Sachen Innovation hinterherhinke. Eine solche Darstellung spielt mit der Faszination der Menschen für Neues, aber auch mit ihrer Angst, abgehängt zu werden. (S. 7)

Technologieunternehmen können einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf die Entwicklung entsprechender Untersuchungen haben. So finanzierte [der weltweit größte Bildungskonzern] Pearson beispielsweise Studien, mit denen unabhängige Analysen angefochten wurden, die ihrerseits gezeigt hatten, dass die Produkte von Pearson keine Wirkung hatten. (S. 11)

Studien auf der Grundlage von PISA-Daten deuten auf einen negativen Zusammenhang zwischen der Nutzung digitaler Medien und den Lernergebnissen der Schülerinnen und Schüler hin, sobald die Schwelle einer moderaten Nutzung überschritten ist. Lehrkräfte empfinden die Nutzung von Tablets und Handys als Beeinträchtigung ihrer Klassenführung. Mehr als eine von drei Lehrkräften in sieben Ländern, die an der ICILS-2018-Studie teilnahmen, stimmten zu, dass die Verwendung digitaler Medien im Klassenzimmer die Lernenden ablenkt. (S. 11f)

Bildungssysteme sollten bei der Entscheidung über die Einführung digitaler Technologien stets sicherstellen, dass die Interessen der Lernenden im Mittelpunkt eines auf Rechten basierenden Rahmens stehen. Der Fokus sollte nicht auf digitaler Infrastruktur, sondern auf den Ergebnissen des Lernens liegen. Zur Verbesserung des Lernens sollten digitale Medien die persönliche Interaktion mit Lehrkräften nicht ersetzen, sondern ergänzen. (S. 20)

Weitere Fragestellungen und Hinweise:

Die Rolle von digitalen Medien in der Bildung ist seit langem Gegenstand intensiver Debatten:

  • Sorgen sie für eine Demokratisierung des Wissens – oder bedrohen sie die Demokratie, indem sie die Kontrolle über Informationen in die Hände weniger Auserwählter legen?
  • Bieten sie grenzenlose Möglichkeiten, oder führen sie in eine zukünftige Technologieabhängigkeit, aus der es kein Zurück mehr gibt?
  • Führen sie zu einer Angleichung der Bedingungen, oder verschärfen sie die Ungleichheit?
  • Sollten sie für den Unterricht junger Kinder eingesetzt werden, oder besteht ein Risiko für deren Entwicklung? (S. 33)

Der UNESCO-Bericht „Technologie in der Bildung: EIN WERKZEUG – ZU WESSEN BEDINGUNGEN?“ empfiehlt, dass Technologie in der Bildung evidenzbasiert eingeführt werden sollte, also auf Grundlage von Nachweisen, dass sie geeignet, chancengerecht, skalierbar und nachhaltig ist. Mit anderen Worten: Ihr Einsatz sollte im besten Interesse der Lernenden liegen und die zwischenmenschliche Interaktion ergänzen. Digitale Medien sollten als Werkzeug verstanden werden, das unter diesen Bedingungen genutzt werden kann. (S. 33)

Technologie [in der Bildung] kann aber auch ausgrenzend, irrelevant und belastend, wenn nicht sogar schädlich sein. Regierungen müssen für die richtigen Bedingungen sorgen, um einen chancengerechten Zugang zu Bildung für alle zu ermöglichen, und müssen die Nutzung von Technologien so regulieren, dass die Lernenden vor deren negativen Einflüssen geschützt werden. (S. 33)

Weitere Informationen:

UNESCO-Bericht zu IT in Schulen fordert mehr Bildungsgerechtigkeit

Technologie in der Bildung: EIN WERKZEUG – ZU WESSEN BEDINGUNGEN?

Wissenschaftler fordern Moratorium der Digitalisierung in KITAs und Schulen

Frankfurt am Main, 22.11.2023: Über 40 führende Wissenschaftler:innen unterschiedlicher Disziplinen fordern zusammen mit Kinder- und Jugendärzten von den Kultusminister:innen der Länder ein Moratorium der Digitalisierung an Schulen und vorschulischen Bildungseinrichtungen.

Unter den Erstunterzeichnern sind führende Experten wie der Ordinarius für Schulpädagogik Prof. Klaus Zierer (Universität Augsburg), die Mediziner Prof. Manfred Spitzer (Universitätsklinik Ulm) und Prof. Thomas Fuchs (Jaspers-Lehrstuhl Universität Heidelberg) sowie der Medienpädagoge Prof. Ralf Lankau (Hochschule Offenburg).

„Wir fordern die Kultusminister:innen aller 16 Bundesländer auf, bei der Digitalisierung an Schulen und Kitas ein Moratorium zu erlassen“, sagt Prof. Ralf Lankau, einer der Initiatoren des Aufrufs. „Die wissenschaftliche Erkenntnis ist inzwischen, dass Unterricht mit Tablets und Laptops die Kinder bis zur 6. Klasse nicht schlauer, sondern dümmer macht. Hinzu kommen laut Studien negative gesundheitliche, psychische und soziale Wirkungen durch den vermehrten Einsatz digitaler Geräte im Unterricht. Jetzt ist der Zeitpunkt, dass die Schulpolitik auf die Pädagogen und Kinderärzte dieses Landes hört und den Versuch des digitalen Unterrichts abbricht! In Schweden ist es bereits so weit: Die schwedische Bildungsministerin stoppte den Tablet-Einsatz in der Primarstufe. Das können die Kultusminister:innen in den Ländern nun auch tun.“

Die skandinavischen Länder waren Vorreiter in der Digitalisierung von Bildungseinrichtungen. Doch die schwedische Regierung korrigierte 2023 die Entscheidung ihrer Vorgänger, bereits Vorschulen des Landes verpflichtend mit digitalen Geräten auszustatten. Der Grund für das Umdenken ist die Stellungnahme von fünf Professor:innen des renommierten Karolinska-Instituts (Stockholm), die die Strategie der Digitalisierung von Schulen in einem Gutachten als falsch kritisierte: Das Gutachten kommt zum Schluss, dass die behaupteten positiven Befunde nicht belegbar seien. Die Forschung habe stattdessen gezeigt, dass „die Digitalisierung der Schulen große, negative Auswirkungen auf den Wissenserwerb der Schüler“ habe. Die Ziele (Bildungs- und Chancengerechtigkeit, Unterrichtsverbesserung, gesellschaftliche Teilhabe) würden nicht erreicht, im Gegenteil: „Es ist offensichtlich, dass Bildschirme große Nachteile für kleine Kinder haben. Sie behindern das Lernen und die Sprachentwicklung. Zu viel Bildschirmzeit kann zu Konzentrationsschwierigkeiten führen und die körperliche Aktivität verdrängen“ (Gutachten des Karolinska-Instituts von 2023, einer der besten medizinischen Forschungseinrichtungen der Welt).

Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) hat 2023 Leitlinien zur Prävention dysregulierten Bildschirmmediengebrauchs in Kindheit und Jugend herausgegeben, die von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sowie von vielen Fachverbänden aus Medizin, Psychologie und Suchtprävention mitgetragen werden. Die wichtigste Empfehlung für alle Altersstufen: Reduktion der Bildschirmzeiten, keine eigenen Geräte für Kinder und keinen unkontrollierten, unbegleiteten Zugang zum Internet.

Der U.S. Surgeon General (oberste Gesundheitsbehörde in den USA) hat 2023 eine Studie zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen herausgegeben. Sie zeigt detailliert auf, wie stark junge Menschen von digitalen Medien beeinflusst und abhängig werden. Die immer längere Nutzungsdauer und das immer frühere Einstiegsalter habe Folgen für die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen: Körperunzufriedenheit, gestörtes Essverhalten, Schlaf- und Konzentrationsstörungen, geringes Selbstwertgefühl, Depression.

Kontakt für Rückfragen: Prof. Dr. phil. Ralf Lankau
Redaktionsleitung Gesellschaft für Bildung und Wissen e.V.
ralf.lankau@bildung-wissen.eu

Der Moratoriumsaufruf in voller Länge und mit allen Erstunterzeichnern