Archiv der Kategorie: Schulpolitik-Berlin

„Der Schreibvielfalt sind je nach dialektaler Färbung keine Grenzen gesetzt“

„Varat“-Fahren – Rechtschreibung in der Grundschule

Von Heike Schmoll, Sendung: SWR 2, Aula, Sonntag, 28.08.2016
Redaktion: Ralf Caspary

Studien belegen: Deutsche Grundschüler schreiben immer schlechter, beherrschen nicht mehr die Orthografie, die Hälfte der Drittklässler erfüllt nicht einmal mehr die Mindeststandards, die die Kultusministerkonferenz für die Rechtschreibung formuliert hat. Diese Kinder können lediglich so schreiben, wie sie sprechen, und das ist ein Problem. Ursache für dieses Problem ist wiederum eine Methode, die in der Primarstufe an vielen Schulen und in vielen Bundesländern dominiert, es geht um das Schreiben nach der Phonetik. Heike Schmoll, Redakteurin mit Schwerpunkt Bildung bei der FAZ, sagt, warum diese Methode Unsinn ist.

Als im Juli die Lernergebnisse der achten Klassen aller weiterführenden Schulen in Baden-Württemberg veröffentlicht wurden, war das Entsetzen groß [Ergebnisse siehe “Blamable Schulleistungen“]. Baden-Württemberg hatte zum ersten Mal am bundesweiten Programm Vera 8, einem Leistungsvergleich für die Achtklässler aller Schularten teilgenommen. Im Februar und März wurden die Tests geschrieben, die Ergebnisse sind alarmierend. (…)

Die meisten der heutigen Achtklässler haben Lesen und Schreiben nach einer bizarren Methode gelernt, die unter Praktikern und Fachleuten hoch umstritten ist. Grundschuleltern kennen das: Ihr Kind schreibt in der ersten Klasse Kraut und Rüben, genauso wie es den Klang der Worte wahrnimmt. Manchmal können die Eltern nur schwer erraten, was der Sprössling mit seinen ersten Worten und Sätzen gemeint haben könnte. Den Lehrern geht es kaum anders. Unter eine Schülerarbeit mit phonetischer Schreibung hat die Lehrerin geschrieben: „Ich kann deine Geschichte leider nicht bewerten, da ich sie nicht lesen kann“. Dieselbe Lehrerin, die dem Kind diese aberwitzige Methode zugemutet hat, macht sie ihm zum Vorwurf. Das ist nicht nur absurd, es ist geradezu unverantwortlich. Was kann der Schüler dafür, dass er nach solch einer Methode, die diesen Namen angesichts der fehlenden Systematik nicht einmal verdient, Schreiben und Lesen lernen soll?

Schließlich dient das Schreiben und Lesen in erster Linie der verständlichen Mitteilung. Doch in diesem Unterricht steht es nicht im Dienste der verständlichen Mitteilung, sondern hilft allein der Selbstverwirklichung der kindlichen Fantasie. Das, was Bildungspolitiker immer so groß schreiben, das Gemeinschaftliche an der Schule, wird zugunsten einer ziemlich selbstbezogenen Veranstaltung aufgegeben. (…)

Auch im kommenden Schuljahr lernen wieder Hunderttausende Erstklässler Lesen durch Schreiben und das heißt, Schreiben nach dem phonetischen Klang der Worte. Der Schreibvielfalt sind je nach dialektaler Färbung wiederum keine Grenzen gesetzt.

(…) seit einigen Jahren wird getreu nach Jürgen Reichen Schreiben nach dem Hören gelehrt. Kinder sollen also so schreiben, wie sie ein Wort hören. Reichen war ein Schweizer Reformpädagoge. Er war der festen Auffassung, dass Schüler umso besser lernen, je weniger sie belehrt werden. Reichen glaubte daran, dass Kinder sich die Schriftsprache selbst aneignen können, genauso wie sie einst laufen und sprechen lernten. Mehr als eine Anlauttabelle wollte er ihnen dafür nicht an die Hand geben. Sie zeigt Bilder – ein Fisch schwimmt hinter dem F, eine Tasse erscheint hinter dem T, ein Ü steht für Überholverbot und so weiter. Die Erstklässler sollten von Anfang an die Laute, die sie für das Wort brauchen, selbst aus der Tabelle zusammensuchen. (…) Der sogenannte Grundschulverband hat sie jahrelang mit großem Erfolg propagiert. (…)

Hatten Schüler bis dahin einzelne Buchstaben gelernt, die irgendwann ganze Wörter ergaben, ging es jetzt darum, jedes beliebige Wort in Lautbestandteile zerlegen zu können. Wie Reichen dachte, mag folgender Ausspruch illustrieren: „Dieser gesamte Rechtschreibwahnsinn führt doch zu nichts anderem, als die Schule mit Quark zu beschäftigen. Dadurch halten wir die Kinder davon ab, wirklich denken zu lernen und uns mit der Welt und dem Leben auseinanderzusetzen“, sagte Reichen wörtlich. Auch er hing der Ideologie an, dass Rechtschreibregeln einzig und allein als Herrschaftsinstrument anzusehen seien. (…)

Seit etwa 15 Jahren werden beide Methoden des Schreibenlernens empirisch miteinander verglichen. Die Befundlage ist ziemlich komplex, wenn auch nicht sonderlich überraschend. In den Klassen, die nach der Methode „Lesen durch Schreiben“ lernen, sind die Rechtschreibleistungen deutlich schlechter als in Klassen mit der herkömmlichen Fibel. (…)

Das kreative Schreiben fruchtet wenig, wenn die Anforderungen ohnehin schon auf niedrigstem Niveau sind. Doch alles schien den Reformern wichtiger als Diktate, die völlig aus dem Deutschunterricht verbannt wurden. Ohne Rechtschreibregeln hätte es ja ohnehin nichts zu korrigieren gegeben. Eigentlich sollten die Grundschüler in der dritten Klasse wenigstens annähernd die Rechtschreibung beherrschen, die Korrekturphase sollte in der zweiten Klasse beginnen. Doch das gelingt nicht. Welchen Sinn hat es eigentlich, wenn Kinder Texte produzieren, die weder sie selbst noch andere lesen können? (…) Schließlich ist Lesen und Schreiben in erster Linie ein Kommunikationsmittel und keine sinnfreie Fantasieübung. (…) Letzten Endes müssen die weiterführenden Schulen darauf vertrauen können, dass die Grundschulen die kulturellen Grundlagen vermitteln, zu denen vor allem verständiges Lesen und Schreiben gehören.

Es hat sich inzwischen eingebürgert, in den Aufsätzen der Grundschule Rechtschreibfehler nicht einmal mehr anzustreichen, geschweige denn zu korrigieren. Unweigerlich sinkt das Niveau dadurch. Zugleich wird der verpflichtende Wortschatz für die Grundschule ständig gesenkt. Sollten Grundschüler vor zehn Jahren noch 1200 Wörter sicher beherrschen, sind es inzwischen nur noch 700 bis 800. Die Sprachverarmung ist deshalb vorprogrammiert, zugleich sind die Mindestanforderungen leichter zu erfüllen. (…)

Es gelte sich von der Vorstellung zu verabschieden, dass die Rechtschreibung am Ende der vierten Klasse der Grundschule fertig ausgebildet sei [so eine der Befürworterinnen der Reichen-Methode Erika Brinkmann von der Pädagogischen Hochschule in Schwäbisch Gmünd]. Wie man am neuen Vera-Test sieht, gelingt das auch den Gemeinschaftsschulen in den Orientierungsschuljahren 5 und 6 nicht.

Die Grundschulen sind offenkundig nicht imstande, ihren Schüler die kulturellen Standardtechniken Lesen, Schreiben Rechnen so zu vermitteln, dass sie eine weiterführende Schule ohne Schiffbruch bewältigen. (…) Es ist ein Unding, dass es nach wie vor den Lehrern selbst überlassen bleibt, nach welcher Methode sie Lesen und Schreiben lehren, wenn das zu solchen Ergebnissen führt. (…) Allein das saarländische Ministerium für Bildung und Kultur hat festgehalten: „Eine ausschließliche Umsetzung der Methode ‚Lesen durch Schreiben‘ nach Jürgen Reichen verbietet sich“. (…)

Die Potsdamer Professorin für Grundschulpädagogik und -didaktik Agi Schründer hält jedenfalls das Schreiben nach dem Hören für reine Zeitverschwendung und für ziemlich verfehlt. (…) Kinder brauchen einen Umgang mit Fehlern, der konstruktiv ist. Das heißt, sie brauchen die Orientierung am Richtigen und wollen auch wissen, was korrekt geschrieben ist. Alles andere ist Augenwischerei. Die scheinbar kindgemäße Methode des Schreibens nach dem Hören entspricht eher den Wunschvorstellungen von Erwachsenen als den Bedürfnissen von Kindern. Sie speist sich aus der sozialromantischen Vorstellung, dass die gleiche Behandlung von Schülern aus bildungsnahen und bildungsfernen Schichten durch diese Methode des Schreiberwerbs die sozialen Unterschiede weniger hervortreten lasse. Doch das Gegenteil ist der Fall (…)  [siehe auch:  Die Hälfte der Drittklässler erfüllt nicht einmal die Mindeststandards“]

Die scheinbar sozial verträgliche Methode verschärft also die sozialen Unterschiede und ebnet sie nicht ein. Denn die schwächeren Lerner bräuchten strukturierte Angebote, weil sie ihnen helfen, die Systematik der Rechtschreibung zu erkennen. Genau diese bekommen sie nur in den seltensten Fällen. Wenn sie das Prinzip verstanden und oft genug geübt haben, können sie auch flüssig lesen und schreiben. Und nur wer einigermaßen flüssig lesen und schreiben kann, der hat auch Freude daran. (…)  [siehe auch:  „Richtig schreiben, lesen und – verstehen“]

Es ist erschreckend: Keines der 16 Bundesländer weiß, nach welcher Methode welche Schule und welcher Lehrer unterrichten. Niemand überschaut noch die Vielzahl der Verfahren und keiner überprüft die Lernergebnisse, die erst dann auffallen, wenn es in den meisten Fällen zu spät ist: bei den Vergleichsarbeiten der dritten und der achten Klasse. (…)

Wie sollen sie denn in einem bunt gewürfelten Lernverband von der ersten bis zur dritten Klasse mit jahrgangsübergreifendem Unterricht zu einem systematischen Spracherwerb und zu einem sicheren Lesen und Schreiben gelangen?

Die Lehrer kapitulieren längst vor diesen unlösbaren Aufgaben: Sie sollen drei Klassenstufen, dazu sprachbehinderten und in der Entwicklung gestörten Kindern gerecht werden und zugleich den einheimischen, eingewanderten und dann auch noch den Flüchtlingskindern die wichtigsten Kulturtechniken vermitteln. Das vermag kein Lehrer zu leisten. (…) Zu viel Heterogenität vergrößert die Leistungsfähigkeit eben nicht, sondern sie macht das Lernen unmöglich. Leistungsdifferenzierte Gruppen sind die einzige Chance, solcher unterschiedlicher Bedürfnisse noch Herr zu werden. (…)

Viele Berliner Schulen reagieren verlegen bis abwehrend, wenn sie nach der Anzahl der Lese-Rechtschreib-Schwachen gefragt werden. Die Zahlen werden auch nicht von der Schulbehörde erhoben – ein Schelm, der dabei Böses denkt. (…)

Wie lange eigentlich sollen Deutschlands Schulanfänger systematisch zu Rechtschreibanarchisten erzogen werden? Warum lassen es sich Eltern gefallen, dass ihre Sprösslinge zu Versuchskaninchen einer Methode gemacht werden, deren Unzulänglichkeit nicht mehr zu übersehen ist? Warum setzen sie nicht Schulleiter unter Druck und machen bekannt, an welcher Grundschule ein guter Rechtschreibunterricht stattfindet?

zum Manuskript:  SWR 2, Aula, 28.08.2016, Redaktion: Ralf Caspary, von Heike Schmoll, „Varat“-Fahren – Rechtschreibung in der Grundschule

Hervorhebungen im Fettdruck durch Schulform-Berlin

Individualisierung verkennt das Potenzial sozialer Kontexte beim Lernen

Ist Individualisierung der Königsweg zum erfolgreichen Lernen? Eine Auseinandersetzung mit Theorien, Konzepten und empirischen Befunden

Lipowsky_IndividualisierungDr. Frank Lipowsky ist seit 2006 Professor für Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Empirische Schul- und Unterrichtsforschung an der Universität Kassel
Dr. Miriam Lotz ist Akademische Rätin im Fachgebiet Empirische Schul- und Unterrichtsforschung an der Universität Kassel

Auszüge aus:  Lipowsky, F. & Lotz, M. (2015). Ist Individualisierung der Königsweg zum Lernen? Eine Auseinandersetzung mit Theorien, Konzepten und empirischen Befunden. In G. Mehlhorn, F. Schulz & K. Schöppe (Hrsg.), Begabungen entwickeln & Kreativität fördern (S. 155-219). München: kopaed

Die Forderung nach einer stärkeren Individualisierung beim Lernen wird als schul­pädagogische Antwort auf die wachsende Heterogenität von Schulklassen verstanden: Da die Lernenden so unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen (zsf. Kluczniok, Große & Roßbach 2011, Scharenberg 2012, Trautmann & Wischer 2011), sei es erfor­derlich, die Lernangebote an den Bedürfnissen der einzelnen Schüler auszurichten und die Lernprozesse weitgehend individualisiert zu organisieren (z. B. Hessischer Landtag 2014). (S. 155)

(…) Auch wenn mit dem Begriff der Individualisierung tatsächlich unterschiedliche Be­deutungen assoziiert werden: Gemeinsam scheint diesen Verständnissen zu sein, dass die Anpassung der unterrichtlichen Angebote an die Bedürfnisse einzelner Schüler herausgestellt wird und dass daraus folgend Unterrichtsphasen, in denen die Schüler individuell für sich arbeiten, für bedeutsamer und wichtiger gehalten werden, wäh­rend Kommunikations- und Interaktionsprozesse, die auf die Auseinandersetzung mit Mitlernenden und die Interaktion mit der Lehrperson angewiesen sind, in den Hintergrund rücken.  (S. 159f)

Nach den bisherigen Studien, die individualisierten Unterricht und Formen von Binnendifferenzierung genauer untersuchen, erfüllen sich die Erwartungen, die man mit diesen Formen des Unterrichts verbindet, nicht in dem erhofften Maße. Hattie (2013) gelangte zum Ergebnis, dass individualisierter Unterricht im Mittel einen lern­förderlichen Effekt von d = 0.23 hat, was einem schwachen Effekt entspricht (zur Be­deutung von Effektstärken vgl. Lotz & Lipowsky in diesem Band [Die Hattie-Studie und ihre Bedeutung für den Unterricht – Ein Blick auf ausgewählte Aspekte der Lehrer-Schüler-Interaktion]). Auch die mittlere Effektstärke für binnendifferenzierenden Unterricht ist mit d = 0.16 nicht größer, das heißt Schüler, die in einem Unterricht mit binnendifferenzierten Angeboten lernen, lernen nicht viel mehr dazu als Schüler in einem Unterricht, in dem keine binnendiffe­renzierende Maßnahmen angeboten werden.

Diese eher geringen Effekte über alle [auch ältere] Studien hinweg überraschen zunächst und werfen die Frage auf, warum sich die Erwartungen, die man mit einer zunehmenden Individualisierung verbindet, vielfach nicht erfüllen. Wie im weiteren Verlauf des Bei­trags dargestellt wird, spricht vieles dafür, dass Individualisierungs- und Differenzie­rungsmaßnahmen im Unterricht deshalb eine so geringe Effektivität haben, weil es an der Qualität der Umsetzung mangelt und weil die entsprechenden Maßnahmen häu­fig nicht vertiefte Lernprozesse auf Seiten der Schüler anstoßen können (…) (S. 162f)

(…) Unterricht im Allgemeinen und Formen von Individualisierung im Besonderen zie­len darauf ab, möglichst alle Lernenden gemäß ihrer individuellen Voraussetzungen zu fördern (Leistungsförderung). Häufig wird mit der Forderung nach einer stärkeren Individualisierung auch die Erwartung verknüpft, dass damit die Leistungsunter­schiede zwischen leistungsstärkeren und -schwächeren Schülern verringert werden können (Leistungsausgleich).

Nach allem, was in der Forschung bislang bekannt ist, sind Formen der Individua­lisierung nicht oder allenfalls bedingt geeignet, die Leistungsschere zwischen stärkeren und schwächeren Schülern zu verringern, sofern man diese kompensatorische Funktion überhaupt als Ziel verfolgt. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass sich die Leistungsschere zwischen stärkeren und schwächeren Schülern, wenn sich der Unterricht durch wenig Lehrerlenkung und wenig Strukturierung auszeichnet, eher weitet. (…) Geöffnete Unterrichtsformen laufen demnach Gefahr, insbesondere die Schüler mit geringeren Vorkenntnissen zu benachteiligen, da die Komplexität der behandelten Probleme und Aufgaben das Arbeitsgedächtnis der Schüler zu stark belastet und damit das Lernen und Verstehen neuer Inhalte erschwert. (…) (S. 167f)

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Richtig schreiben, lesen und – verstehen

Unter dem Titel: „Totalschaden für die Orthographie“ berichtet am 10.8.2016 Heike Schmoll in der FAZ:

(…) Den Bildungspolitikern hat [der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes] Heinz-Peter Meidinger vorgeworfen, den Rechtschreibunterricht seit den Lehrplänen der neunziger Jahre systematisch zu vernachlässigen, weil sie als Bildungsbarriere gelte. In der Tat gehört es zum festen Arsenal einiger schulpolitischer Ideologen, die Rechtschreibung als Herrschaftsinstrument zu missachten. So stand es lange genug in den dürren Rahmenlehrplänen für den Deutschunterricht in Hessen, dass Rechtschreibung ohnehin nur deshalb gelernt wurde, um sie kritisieren zu können.

Dass es mit den Orthographiekenntnissen ihrer Schüler nicht zum Besten steht, wissen die meisten Kultusminister sehr wohl. Nicht umsonst haben sie sich seinerzeit geweigert, die Rechtschreibleistung als Teil des Leistungsvergleichs zwischen den Ländern überprüfen zu lassen. [Heute wird die Rechtschreibleistung wieder einbezogen.]

Doch warum lassen Kultusminister es sehenden Auges zu, dass in den Grundschulen keine Diktate mehr geschrieben werden, weil bis zum Ende der dritten Klasse ohnehin nur nach dem Hören (phonetisch) geschrieben wird und das Erlernen der Orthographie auf die vierte Klasse vertagt wird? [Ein Vertreter dieser Methode ist Hans Brügelmann, siehe weiter unten]. Damit sind schwächere Schüler überfordert. Mit der Gleichmacherei haben die Minister weitere Ungleichheiten geschaffen. Die Folgeschäden sollen dann die Lehrer weiterführender Schulen beseitigen und scheitern dabei. (…)

Zum gleichen Thema berichten am 10.8.2016 im Berliner Tagesspiegel Amory Burchard und Tilmann Warnecke  im Artikel „Richtig schreiben, lesen – und verstehen“:

Meidinger führt aus: (…) Es sei ein „schwerer Fehler“, dass in einigen Bundesländern keine benoteten Rechtschreibdiktate mehr geschrieben werden dürften. In keinem anderen europäischen Land werde zudem dem muttersprachlichen Unterricht in den Stundentafeln so wenig Platz eingeräumt. (…)

Man [müsse] sich klar sein, so der Schriftsprach- und Grundschuldidaktiker Hans Brügelmann, dass Rechtschreibung eine „dienende Funktion“ im Rahmen einer umfassenden Schriftsprachkompetenz habe: Das Ziel, möglichst korrekt zu schreiben, dürfe andere Formen der Schriftsprache, wie das Lesen und Verfassen von Texten, nicht dominieren. „Wem nutzt es, Belanglosigkeiten oder inhaltlichen Unsinn orthografisch korrekt schreiben zu können?“

Im Tagesspiegel schreibt am 14.8.2016 Peter von Becker „Rechtschreibung heute – Es geht um mehr“:

(…) Die heutige Sorge freilich betrifft nicht die Details bestimmter Schreibweisen [Rechtschreibreform], sondern die Grundlegende Kompetenz junger Leute, überhaupt noch lesen, komplexere Texte verstehen und sich dazu sprachlich, das heißt auch: schriftlich angemessen, äußern zu können. (…) Denken und Sprache, die unsere Identität ausmachen, hängen unauflöslich zusammen. Schärfe, Klarheit, Ausdrucksvermögen brauchen aber ein Mindestmaß an Form. Deshalb sprechen, schreiben, lesen wir – und sollten es weiter können: Ohne unser Hirn, wie schon beim Kopfrechnen, bloß an computerisierte Hilfen und Schirme zu delegieren [kann nicht die Zukunft sein].

aus der Streitschrift:  „Geisterstunde. Die Praxis der Unbildung“ von Prof. Konrad Paul Liessmann

Schreiben nach dem Gehör! Schreiben, wie man spricht, ohne dabei korrigiert zu werden – das könnte die Kinder traumatisieren -, wird schon seit einigen Jahren praktiziert und zeitigt nun seine sichtbaren Erfolge: das Ende der Orthographie.
“Lesen und Schreiben sind Kulturtechniken, deren grundlegende Beherrschung unerlässlich ist. Dass der Erwerb dieser Techniken nicht jedem leichtfällt, ist kein Grund, das Betrachten von Bildern zu einem Akt des Lesens und das Ankreuzen von Wahlmöglichkeiten zu einem Akt des Schreibens hochzustilisieren. Besser wäre es, all jene, die Schwierigkeiten beim Erwerb dieser Fähigkeiten haben, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu unterstützen, damit sie wirklich lesen und schreiben lernen.”
Liessmann weiter:  “So wohltönend können die Reden der Bildungsreformer und ihrer politischen Adepten gar nicht sein, dass sich dahinter nicht jene Geistfeindlichkeit bemerkbar machte, die den Analphabetismus als geheimes Bildungsziel offenbart.” (siehe Bücherliste)

„Die Schulen seit Jahren auf Verschleiß gefahren“

Schulsanierung: Viel versprochen, oft gebrochen

Zum Beginn des Wahlkampfs haben die Parteien die Sanierung maroder Schulen wieder entdeckt – nicht zum ersten Mal. Eine echte Veränderung würde Milliarden kosten.

Tagesspiegel, 08.06.2016, Ulrich Zawatka-Gerlach

(…) Die Lage [der Schulen in Berlin] ist insgesamt so ernst, dass auf einmal viele Parteien darüber grübeln, wie sich die Gabriel’schen Kathedralen der Bildung in einen menschenwürdigen Zustand versetzen lassen. (…) Es wurde zu lange weggeschaut, wie bei vielen anderen Dingen auch, die jeden Berliner gelegentlich in den Wahnsinn treiben. (…)

Bild: Schulforum-Berlin, 30.06.2016, "Die Gabriel’schen Kathedralen der Bildung", Fichtenberg-Gymnasium

Bild: Schulforum-Berlin, 30.06.2016, „Die Gabriel’schen Kathedralen der Bildung“, Fichtenberg-Gymnasium

Das Problem zerbröselnder Schulgebäude ist seit den neunziger Jahren bekannt – den Schülern und Eltern, aber auch dem Senat, dem Abgeordnetenhaus und den Bezirken. Schon vor zehn Jahren wurde der Sanierungsbedarf auf 900 Millionen Euro geschätzt. Inzwischen sind daraus 2,5 Milliarden Euro geworden (…).

[Die Veröffentlichung der „Rohdaten“ zur Höhe des Schulsanierungsbedarfs, so Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), könne „Anfang Juli“ erfolgen. In internen Berichten hatte Finanz-Staatssekretärin Margaretha Sudhof (SPD), die bezirklichen erhobenen Daten sogar als „Müll“ eingestuft. (TSP, 07.06.2016, Darauf können sie nicht bauen)]

Rund fünf Milliarden Euro – so viel kostet die Sanierung und Modernisierung der Berliner Schulen. Das hat der Gebäudescan ergeben, der in allen Bezirken nach einheitlichen Kriterien durchgeführt wurde. Am Donnerstag [30.06.2016] veröffentlichte die Senatsbildungsverwaltung die noch unbereinigten Zahlen und gab ein Ziel aus: In den nächsten zehn Jahren soll der Sanierungsstau aufgelöst werden. Bis dahin sollen die schlimmsten Schäden behoben sein. Rund 1,5 Milliarden Euro sind allein dafür nötig. (siehe TSP vom 01.07.2016, Löcher machen Schule, Was kann Berlin gegen die maroden Schulen tun?)

Mit einem Durcheinander aus Landes- und Bezirksprogrammen, gelegentlich auch mithilfe von Bundesmitteln wurde und wird an den öffentlichen Schulen herumgebastelt. Erst jetzt, drei Monate vor der Berliner Wahl, dämmert es den politisch Verantwortlichen, dass man so nicht vor die Wähler treten kann.

Die CDU und SPD versprechen, dass jetzt ganz schnell geht, was seit Jahrzehnten nicht gelöst ist. Also werden schnell Wahlversprechen formuliert, an die aber keiner glauben mag, der die Berliner Verhältnisse näher kennt. (…)

Aber die SPD, die seit 20 Jahren den Bildungs- und fast genauso lang den Finanzsenator stellt, kann sich jetzt nicht mit ein paar hübschen Ideen für Modellprojekte und Beschleunigungsprogramme aus der Affäre ziehen. Denn Politik ist, wie vieles im Leben, Vertrauenssache. Und es sind nicht nur die Schulen – fast die gesamte öffentliche Infrastruktur der Hauptstadt ist in einem erbarmungswürdigen Zustand. (…)

Das ist eine Aufgabe, die jetzt begonnen werden muss, aber erst von der nächsten und übernächsten Generation gelöst werden kann. Wer mehr verspricht, will die Wähler betrügen.
[Ganze Schülergenerationen wurden bereits jahrelang betrogen]

Hervorhebungen im Fettdruck durch Schulforum-Berlin

zum Artikel:  Der Tagesspiegel, 08.06.2016, Ulrich Zawatka-Gerlach, Viel versprochen, oft gebrochen

„Berliner Bildungsverwaltung will ihre Bilanz schönen“

Abschlussprüfungen an Berliner Schulen

Mathe zu leicht, Bio zu wirr

Bei den Prüfungen an Berlins Schulen hat das Niveau der Aufgaben nachgelassen – sagen Lehrer. Und äußern einen Verdacht.

Tagesspiegel, 04.06.2016, Susanne Vieth-Entus

Die Klausuren sind geschrieben, bald beginnen die Zeugniskonferenzen, aber Erleichterung will sich nicht einstellen: Gymnasiallehrer beklagen im aktuellen Abitur „wachsweiche Prüfungen“ in Mathematik und eine „wirre Aufgabenstellung“ in Biologie. Sekundarschulen und Berufsschulen hadern damit, dass die Hürden in die gymnasialen Oberstufen gesenkt wurden. Alle zusammen haben den Eindruck, „dass die Bildungsverwaltung ihre Bilanz schönen will“. (…)

Unter den Kollegen von Thilo Steinkrauß, Fachbereichsleiter Mathematik am Herder-Gymnasium in Westend  sei es „unstrittig, dass der Schwierigkeitsgrad streng monoton fallend ist“. (…) „Die Leistungskursklausuren waren tendenziell leichter als sonst“, zitiert Martin Meinhart, Mittelstufenkoordinator der Spandauer Martin-Buber-Sekundarschule, seine Mathematik-Kollegen. Die Schüler hätten im Schnitt eine glatte Zwei erreicht. (…)

Die Universitäten konstatieren allerdings seit Jahren eine eher rückläufige Tendenz beim Wissen, das die Schüler mitbringen: „Sie sind nicht dümmer, sie haben nur weniger gelernt“, fasst FU-Mathematik-Professor Günter Ziegler seine Beobachtungen zusammen. (…)

Unabhängig von den aktuelle Aufgaben steht für den Verband der Oberstudiendirektoren fest, „dass es bei den Anforderungen in den nächsten Jahren dringend wieder eine Tendenz nach oben geben muss“, betont der Vorsitzende Ralf Treptow.

Daran ist allerdings nicht zu denken. Im Gegenteil. Nachdem 2015 die Zahl der Berliner Schüler ohne Abschluss bei über zehn Prozent lag, ist die Hoffnung zerstoben, dass schon allein die Abschaffung der Hauptschulen zu besseren Ergebnissen führen würde. [Erstaunlich, dass durch diesen Etikettenwechsel doch viele glauben, es seien nun höhere Bildung und qualifiziertere Schüler unter dem Banner eines neuen Schulnamens und einer neuen Schulart versammelt.]
Insbesondere an der Mathematik scheitern viele. Das sei wohl auch der Grund dafür, dass die diesjährigen Mathematikaufgaben im Mittleren Schulabschluss noch leichter als bisher ausgefallen seien, vermuten mehrere Lehrer.

Gleichzeitig weisen sie aber darauf hin, dass die Mathematikarbeit überhaupt noch die letzte echte Hürde sei: „Die Englischklausur kann man zumindest auf dem Niveau der Berufsbildungsreife bestehen, ohne ein Wort Englisch zu können“, sagt ein Englischlehrer mit Hinweis auf die Aufgaben zum Ankreuzen. Der Verzicht auf das Sitzenbleiben in den Sekundarschulen habe den Niveauverlust noch befördert, bedauert ein anderer Sekundarschulvertreter. (…)

Was die [Lehrer-]Kollegen aus anderen Sekundar- und auch Berufsschulen allerdings viel mehr umtreibt, ist der Niveauverlust in Klasse elf: Seitdem Schüler mit einer Fünf im Hauptfach und einem Durchschnitt von Drei minus in die gymnasiale Oberstufe dürfen, scheitern sie massenhaft. „Wir haben noch nie so viele blaue Briefe geschrieben“, berichten mehrere Schulen. (…) „Man suggeriert den Schülern, dass sie es schaffen können und lockt sie in eine Falle, anstatt dass sie mit einer Berufsausbildung anfangen“, bedauert ein stellvertretender Schulleiter aus Neukölln. Das sei „vertane Lebenszeit“. Der Verzicht auf das Sitzenbleiben in den Sekundarschulen habe die Entwicklung befördert, dass die Schüler beim Mittleren Schulabschluss (MSA) oder spätestens in Klasse elf massenweise scheitern.

Hervorhebungen im Fettdruck durch Schulforum-Berlin

zum Artikel:  Der Tagesspiegel, 04.06.2016, Susanne Vieth-Entus, Mathe zu leicht – Bio zu wirr

siehe auch: Der Tagesspiegel, 20.06.2016, Susanne Vieth-Entus, Grübeln überflüssig
Die zentralen Mathematikprüfungen für Zentklässler waren in diesem Jahr auffallend leicht zu bestehen. Lehrer kritisieren den Test als „Pillepalle“. Aus Bayern heißt es, das Niveau entspreche der siebten Klasse.

siehe auch:  Schriftliche Prüfungsarbeit zur erweiterten Berufsbildungsreife und zum mittleren Schulabschluss 2016, 10. Mai 2016, im Fach Mathematik

siehe auch:  Der Tagesspiegel, 08.05.2014, Susanne Vieth-Entus, Berlin senkt Ansprüche an den Schulabschluss

In Berlin und den Bundesländern wie auch im Nachbarland Österreich gilt politisch der OECD-Wille, die Abiturientenzahlen nach oben zu treiben. Das hat seinen Preis!

Die Berliner Bildungspolitik kann das Problem nicht weiterhin ignorieren oder schönreden.  Es ist im Sinne einer fundierten Bildung unserer Schülerinnen und Schüler zu lösen und nicht auf deren Kosten!

siehe auch:  FAZ, 18.05.2016, Hans-Jürgen Bandelt, Hans- Jürgen Matschull, Denken darf hier nur der Taschenrechner

Das Mathematikabitur 2016 in Niedersachsen, das nun nach massiven Beschwerden weniger streng bewertet wird, muss für viele Betroffene, schwache wie starke Schüler, das Grauen gewesen sein. Kultusministerin Frauke Heiligenstadt ließ gleich nach den ersten heftigen Protesten höchstpersönlich verlauten, dass die Aufgaben anspruchsvoll, aber vom Schwierigkeitsgrad leistbar gewesen seien und den Vorgaben entsprochen hätten. Das ist erstaunlich. Denn in fachlicher Hinsicht ist die zugrundeliegende Mathematik als einfach bis banal zu bezeichnen. Die Aufgabensteller scheuten jedoch keine Mühe, die simplen und rein schematisch lösbaren Aufgaben mit einem Textwust zu versehen, der Realitätsbezug und Anspruch vorspiegeln soll. Schwammige Formulierungen und Gedankensprünge taten ein Übriges. (…)

Hans-Jürgen Bandelt ist Professor für Mathematik an der Universität Hamburg, Hans-Jürgen Matschull lehrt Mathematik und Physik am Lichtenberg-Gymnasium in Cuxhaven.

Lieblingslösung: „Weniger Bildung“

Das Gymnasium und die Bildungsreformer

von Harald Martenstein in der Zeitschrift PROFIL des Deutschen Philologenverbandes

Ich verdanke dem Gymnasium fast alles, zumindest  im geistigen Bereich. Als Kind hatte ich keine idealen Startbedingungen. Dass ich heute vom Schreiben leben kann, verdanke ich vor allem meiner Schule und meinen Lehrern. Zum Glück haben sie mich gezwungen, an meine Grenzen zu gehen und meine Grenzen zu erweitern. Deshalb verteidige  ich das Gymnasium, mit jeder Faser meines Herzens. Was die Bildungspolitik betrifft, wird es für mich allerdings  immer schwieriger, mich zu äußern, ohne satirisch zu werden.

2014 haben etliche Bildungspolitiker einen gemeinsamen  Aufruf zur ‚Zukunft des Gymnasiums‘ veröffentlicht. Das hat mich sehr gewundert, weil ‚Gymnasium‘ doch für viele Bildungsreformer beinahe ein Hasswort ist. Warum? Gymnasium, das hießt immer: umfassende Bildung. Und je umfassender ein Mensch gebildet  ist, desto skeptischer steht er natürlich in der Regel Bildungsreformen gegenüber. Wenn Bildungsreformer sich zur ‚Zukunft  des Gymnasiums‘ äußern, dann ist das ungefähr so, als ob Nordkorea einen Aufruf zur ‚Zukunft der Meinungsfreiheit‘ veröffentlicht. (…)

Das Turboabitur nach acht statt neun Jahren ist eine typische deutsche Bildungsreform. Das heißt, sie wird relativ unvorbereitet gegen den Widerstand vieler Eltern und nicht weniger Lehrer in hohem Tempo durchgesetzt, dann gibt es Probleme, und nach einigen Jahren wird der Menschenversuch unter heftigen Rückzugsgefechten abgebrochen. (…)

Die Autoren des Aufrufs schlugen vor, einfach die Stundenzahl und damit die Bildungsstandards  zu senken. Weniger Bildung, das ist immer ihre Lieblingslösung. (…)

Seit Jahren werden auch die Schulnoten in Deutschland immer besser. Wenn man sich die Noten anschaut, dann ertrinkt das Land fast in einer Flut von Universalgenies. An der Spitze steht Berlin. ln den wenigen Jahren von 2006 bis 2012 hat sich in Berlin die Zahl der Abiturienten mit dem Notendurchschnitt 1,0 vervierfacht. (…) Das Abitur wird immer einfacher, damit es soziale Gerechtigkeit gibt. Das Abitur soll kein Privileg von Besserlernenden oder Besserwissenden mehr sein, fast alle Schüler sollen es bekommen. Weil aber nun einmal nicht alle Menschen so intelligent, ehrgeizig oder fleißig sind, dass sie ein schwieriges Abitur ablegen können, muss es einfach sein. (…)

Ein anderes Reformprojekt ist die Abschaffung der Schulnoten. Die frühere  Bildungsministerin von Schleswig-Holstein, Waltraud  Wende, begründete diese Maßnahme in einem Artikel  für die ZEIT damit, dass Noten unfair  sind. (…) Statt Noten soll es in Zukunft ‚Kompetenzbeschreibungen‘ geben. Die Lehrer müssen ausführlich Kompetenzen und Defizite jedes Schülers beschreiben. (…) Im Fach Deutsch zum Beispiel soll auch ‚Zuhören‘ bewertet  werden. Ein Schüler, der weder lesen noch schreiben kann, immer  Kaugummi kaut und niemals ein Wort sagt, findet  in seinem Abiturzeugnis  dann den Satz: „Ben kann gut zuhören und versteht auch manches.“ Offenbar werden, um seelische Verwundungen  zu vermeiden, Schulzeugnisse den Arbeitszeugnissen angeglichen. (…)

Das Gymnasium, das ich mir als Ideal vorstelle, ist offen für alle Begabten, es schaut auf die Intelligenz  und nicht auf die Abstammung. Aber es fordert  auch Leistung. Jeder soll eine Chance auf Bildung bekommen, aber er muss sie auch nutzen. Eine Abiturientenquote von sechzig Prozent eines Jahrgangs, die durch Absenkung des Niveaus erreicht wird, ist in Wirklichkeit nur ein fauler Trick, eine Manipulation der Statistik, davon hat weder der Arbeitsmarkt noch der Abiturient etwas. (…)

Ich dachte immer, bei ‚Bildung‘ gehe es darum, den Horizont der Schüler zu erweitern, nicht darum, ihren Horizont  widerzuspiegeln. (…)

Statt die vorhandenen guten Schulen endlich zu stärken, mehr Schüler, mehr Lehrer, mehr Förderung, machen die Reformer den guten Schulen, zum Beispiel den Gymnasien, das Leben schwer und erfinden  ständig etwas Neues. (…)

zum Beitrag:  PROFIL, Deutscher Philologenverband, April 2016, Seite 21-26, Harald Martenstein, Das Gymnasium und die Bildungsreformer

Harald Martenstein ist Kolumnist der ZEIT und des Berliner Tagesspiegels

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