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Machen wir Lernen sichtbar!

Diese Webseite bietet Informationen und Materialien rund um das Thema „Lernen sichtbar machen“.

Hattie-SeiteDatum: 06.04.2015

Es ermöglicht interessierten Personen, sich mit den aktuellen Forschungsergebnissen zu den Einflüssen auf Lernleistungen – auf den Stufen frühe Förderung bis Hochschule – auseinanderzusetzen. Akteure der Bildungspraxis und -politik werden bei der Entwicklung ihrer Konzepte und Strategien unterstützt, ihr Erfahrungswissen mit wissenschaftlichem Wissen zu kombinieren.

Das Kernteam, eine Kooperation der Pädagogischen Hochschule FHNW (Professur Wolfgang Beywl) und der Universität Oldenburg (Lehrstuhl Klaus Zierer) übersetzt, bearbeitet und ergänzt die Bücher von John Hattie zu Lernen sichtbar machen. Es entwickelt gemeinsam mit Kooperations- und Förderpartnern diese Webseite als Begleitangebot.

zur web-Seite:  Lernen sichtbar machen

Bildungsstudien ohne Ende

Datum: 21.12.2014
Bildungswissenschaften
Studien ohne Ende

Bürger und Politiker haben den Überblick über die Schulforschung verloren. Höchste Zeit, die Daten zu ordnen.
In kleinen Klassen lernen Schüler nicht mehr als in großen – dennoch ziehen Politiker mit der Losung der Klassenverkleinerung regelmäßig in den Wahlkampf. Lehrerfortbildungen, die nicht in der eigenen Schule stattfinden, sind meist wirkungslos – werden aber dauernd angeboten. Ob Schüler zwölf oder dreizehn Jahre bis zum Abitur brauchen, ist für den Lernerfolg ziemlich unerheblich.
In kurzer Zeit hat sich die Zahl der empirisch arbeitenden Bildungsforscher an den Universitäten vervielfacht. Aber welchen Nutzen ziehen die Lehrer, Eltern und Erzieher aus alledem? Wie kann die Wissenschaft die Politik erhellen, ja vielleicht sogar die Erfolgswahrscheinlichkeit von Bildungsreformen erhöhen? Anders formuliert: „Was bringen die ganzen Studien eigentlich? Die einen Wissenschaftler ziehen daraus diese Schlussfolgerungen, die anderen jene. Was soll ich denn da glauben?“ So fragte geradeheraus Hamburgs Schulsenator Ties Rabe vor einem Jahr bei einem Fachgespräch der Kultusministerkonferenz.

zum Artikel:  Zeit-online, Schule, 21.12.2014, Martin Spewak, Studien ohne Ende

Schüler mögen keine blassen Lernbegleiter, sie fasziniert die mitreißende Leitfigur

Datum: 16.10.2014
Lob der Klasse
Die verkannten Vorzüge des lehrergeleiteten Lernens. Praktisch nutzbares Wissen braucht Wiederholung, Steuerung und Erfolg
Von Michael Felten, FAZ vom 9.10.2014, Bildungswelten

(…) Die strukturierte Wissenserarbeitung mit dem ganzen, mehr oder weniger heterogenen “Haufen” von Schülern scheint seit längerem überholt, der lenkende Lehrer muss sich zunehmend rechtfertigen. Unter dem Schmähbegriff Frontalunterricht wird diese Unterrichtsform als Ursache aller Schülerpassivität und Lernineffizienz attackiert.

Der neuseeländische Bildungsorscher John Hattie hat für seine Studie “visible learning” über 50000 Studien gesammelt und darin die Wirkung von 134 Einflussgrößen auf den Unterrichtserfolg untersucht. Sein Visionäre beunruhigender, Praktiker aber nicht wirklich überraschender Befund: Im Vergleich zur einer durchschnittlichen Lernprogression (Effektstärke 0,4) erzielen Unterrichtsverfahren wie direkte Instruktion (0,59), während Individualisierung (0,23) oder Freiarbeit (0,04) höchst bescheiden abschneiden. (…)

Der Erziehungswissenschaftler Ewald Terhart: Durch das aktive, herausfordernde Lehrerbild „rehabilitiert Hattie den dominanten, redenden Lehrer – der aber auch genau weiß, wann er zurücktreten und schweigen muss. Die Perspektive auf den Unterricht ist lehrerzentriert.“ Im Mittelpunkt steht ein Lehrer, für den zugleich seine Schüler im Zentrum stehen. Zwar gibt es gute Gründe, den Kennziffern empirischer Bildungsforschung nicht allein zu trauen. Trotzdem wirken die jüngsten Bildungspläne vieler Kultusministerien im Licht der Hattie-Befunde reichlich überholt. Sie sind geprägt von Selbstlerneuphorie, Individualisierungswahn und einer tiefen Abneigung gegenüber dem Unterricht im Klassenverband.

Nicht nur empirische Bildungsforscher, sondern auch moderne Kognitionspsychologen wie Elsbeth Stern sehen den Lehrer keineswegs im Abseits, sondern fordern sein Lenkungshandeln geradezu heraus. Praktisch nutzbares Wissen wie automatisierte Handlungen entwickelt sich vor allem durch Wiederholung, Erfolg, Steuerung und Fehlerkorrektur. Ohne den Wissensträger in der Rolle des Lehrers ist das nur schwer denkbar.

Manche Unterrichtsstunde in Deutschland mag monoton verlaufen, als zu enges Frage-Antwort-Spiel, mit zu geringem Bezug auf unterschiedliche Ausgangslagen der Schüler. Aber was ist mit Motivationsverlust und Mitläufertum bei unstrukturierter Gruppenarbeit, was mit der Überforderung und Oberflächlichkeit verfrühten oder übertriebenen Selbstlernens? Schlechter Frontalunterricht ist gerade kein prinzipielles Argument gegen das Lehren und Lernen im Klassenverband, sondern höchstens eines für dessen Verbesserung. Direkte Instruktion durch den Lehrer meint gerade keinen nervtötenden Paukermonolog, sondern den dynamischen Wechsel von Anknüpfen an Bekanntem, gemeinsamem Erschließen und individuellem Erproben von Neuem, Austausch im Plenum, sowie abschließendem Training in Eigenregie oder in Kleingruppen.

Gewiss bleibt Selbständigkeit ein unumstrittenes Ziel aller Bildung – sie ist nur kein Königsweg dahin. Eigenverantwortlichkeit beim Lernen zahlt sich nach aller Erfahrung erst in höheren Semestern, bei Leistungsstärkeren, nach gründlicher Anleitung und in angemessener Dosierung aus. Dagegen brauchen Schulanfänger, lernunlustige Pubertierende und bildungsfern Sozialisierte zur optimalen Ausschöpfung ihrer Begabung eine Person, die motiviert und erklärt, fordert und unterstützt. Wenn Schüler – vor allem Schwächere – sich häufig “Frontalunterricht” wünschen, dann meinen sie das direkt angeleitete, übersichtliche Vorgehen des Lehrers, ohne Umwege, ohne unergiebige Methodenwechsel, mit vielen Fragephasen und Ergebniskontrollen. Solch ein Klassenunterricht ist auf Lehrerseite weitaus anspruchsvoller als das Austeilen und Nachsehen von Arbeitsblättern und Wochenplänen. “Der Mensch ist für andere Menschen die Motivationsdroge Nummer eins”, urteilt der Freiburger Psychosomatiker Joachim Bauer. Gute Lehrer müssen weitaus mehr sein als Servicepersonal für zufällige Lernbedürfnisse, sie sind Führungskräfte in komplexen Entwicklungsprozessen, beim Erwachsenwerden. Schüler mögen eben keine blassen Lernbegleiter, sie fasziniert die mitreißende Leitfigur – und das lassen sie ihre Lehrer auch spüren.

zum Artikel:  Gesellschaft für Bildung und Wissen, Michael Felten, Lob der Klasse

John Hattie im Gespräch

Datum: 2.05.2013
Herkunft und Intelligenz ihrer Schüler können Lehrer nicht ändern, den eigenen Unterricht aber wohl, sagt der Schulforscher
John Hattie im Interview mit Wolfgang Beywl, Martin Spiewak und Klaus Zierer

John Hatties Fragestellung bei seinen Untersuchungen ist: Was wirkt am besten? Denn irgendeinen Effekt hat jede Unterrichtsmethode. Er wollte aber wissen, was man tun kann, damit Schüler die größten Lernfortschritte machen. Für ihn kann nur das der Maßstab sein für jede Art von Schulreform.
John Hattie: „Das, worauf es ankommt, spielt sich nämlich im Unterricht ab, im Klassenraum, wo sich Lehrer und Schüler begegnen. Die Rahmenbedingungen von Schule dagegen – die Schulstrukturen oder das investierte Geld – haben nur geringen Einfluss. Leider wird in der Bildungsdebatte genau umgekehrt diskutiert.“
Für Hattie setzt ein guter Lehrer hohe Erwartungen. Er schafft ein fehlerfreundliches Klima in der Klasse, stellt auch sein Handeln immer wieder infrage, evaluiert seinen eigenen Unterricht fortlaufend und arbeitet mit anderen Lehrern zusammen.
Um den Lernerfolg zu steigern, zählt Hattie Feedback zu den effektivsten Mitteln.
John Hattie: „Gutes Feedback meldet dem Schüler zurück, wie er die Aufgabe bearbeitet hat, wo er richtige, wo falsche Wege gegangen ist und wie er noch anspruchsvollere Ziele erreichen kann. Dafür muss der Lehrer mit dem Schüler sprechen, schriftliche Kommentare austauschen. Er muss ein Klima in der Klasse schaffen, in dem sich Schüler trauen, Fehler zu machen.“
Wenn John Hattie von visible teaching spricht, versteht er darunter, dass ein guter Lehrer seinen eigenen Unterricht durch die Augen der Lernenden sehen muss. Eine solche Selbstbeobachtung sollte bereits in der Lehrerausbildung geübt werden.
John Hattie: „Die Lehrerausbildung ist weltweit die am meisten notleidende Einrichtung, die ich kenne. Sie ist teuer, und ihre Effekte sind zweifelhaft.“

zum Artikel:  Zeit-Online, 2.5.2013, John Hattie „Schaut hin“

Die Unterrichtspraxis ging über Jahre in die entgegengesetzte Richtung

Datum:  15.12.2012
Moderner Frontalunterricht macht klug

Schulen von heute sind Dauerbaustellen. Jedes Jahr wird reformiert. Eltern ärgert das. Denn sie bekommen das Gefühl, ihre Kinder müssen zu häufig Versuchskaninchen für neue Unterrichtsformen spielen. Eines haben die modernen Methoden gemeinsam, sie alle wollen Alternativen zum klassischen Frontalunterricht sein.

In der Empirie finden die Reformpädagogen allerdings wenig Legitimation: Kinder lernen immer noch am besten, wenn man sie in guter alter Manier frontal unterrichtet. Das haben Bildungsökonomen in einer groß angelegten Analyse herausgefunden. Zwar nicht für Deutschland, sondern für die Vereinigten Staaten, weil es dort eine Unmenge qualitativ guter Daten gibt.

Die moderne Didaktik mit ihrem Anspruch, Chancengleichheit zu bringen, schadet denen am meisten, die Hilfe brauchen.

Der Lehrer und Buchautor Felten meidet den Begriff des Frontalunterrichts, der ein bisschen nach Schwarzer Pädagogik klinge, und spricht lieber von starker Lehrersteuerung. „Im Zentrum des Geschehens muss der Lehrer stehen.“ Wenn dieser in das Zentrum seines Handelns wiederum den Schüler stellt, lernt dieser am meisten. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch die Hattie-Studie.

zum Artikel:  FAZ, 15.12.2012, Inge Kloepfer, Frontalunterricht macht klug

Der Lehrer darf kein bloßer Lernbegleiter sein

Datum:   14.01.2013
Hattie-Studie: Ich bin superwichtig!

Hatties zentrale Erkenntnis aus der Datensammlung ist: Auf den guten Lehrer kommt es an. Alle anderen Einflussfaktoren – die materiellen Rahmenbedingungen, die Schulform oder spezielle Lehrmethoden – sind dagegen zweitrangig.
Der Lehrer darf kein bloßer Lernbegleiter sein, kein Architekt von Lernumgebung. Will er etwas erreichen, muss er sich als Regisseur, als „activator“ verstehen.
Der Neuseeländer rückt den Lehrer wieder dorthin, wo sein Platz sein soll: Ins Zentrum allen Redens über Schule.  „Die Schulen sollen endlich einmal in Ruhe arbeiten“, lautet eine nach Jahren hektischer Schulreformen populäre Forderung an die Bildungspolitiker.

zum Artikel:  Zeit-online, Schule, 14.01.2013,  Martin Spiewak, Hattie-Studie: Ich bin superwichtig! (ZEIT)