Archiv für den Monat: April 2019

„Latein wird von 40 Prozent der Schüler gewählt“

Eine friedliche Insel in Neukölln

Das Ernst-Abbe-Gymnasium liegt mitten in einem Berliner Brennpunkt. 94 Prozent der Schüler haben Migrationshintergrund. Wie gelingt dort der Schulalltag?

Berlin, 24. 04. 2019, Heike Schmoll

Auf der Sonnenallee in Berlin sieht man sich unversehens in den Orient versetzt. Die Geschäfte tragen arabische Schriftzeichen, bieten entsprechende Brautmoden und mit weißem Tüll geschmückte Schatzkästlein für die Mitgift, daneben finden sich Billigläden für Haushaltsutensilien und Praktisches. Hinzu kommen viele Bäckereien, Cafés und Shisha-Bars, in denen fast ausschließlich Männer sitzen, Nuss- und Kaffeeröstereien, Imbisstheken, Grill-Restaurants und Falafel-Buden. Die Sonnenallee war einmal das arabische Viertel, inzwischen ist sie mit ihrem Altbaubestand auch bei anderen Milieus begehrt. Die Mieten steigen. Viele Einwanderer leben dort auf engstem Raum – nicht selten teilen sich achtköpfige Familien eine Dreizimmerwohnung. Die größte Gruppe bilden schon seit den siebziger Jahren die Türken, die wegen einer Zuzugssperre für Kreuzberg, Wedding und Tiergarten nach Nordneukölln gezogen waren. Ansonsten wohnen hier längst Albaner, Bosnier und Tschetschenen, aber auch europäische Einwanderer wie Italiener, Spanier und Portugiesen zieht es zunehmend in das Viertel.

Mittendrin befindet sich ein ehrwürdiges Backsteingebäude, das wie aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Es ist das Ernst-Abbe-Gymnasium mit einem Migrantenanteil von 94 Prozent, von der Schulbürokratie in Berlin als Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache (ndH) bezeichnet. Wer die Schultür öffnet, begegnet als Erstes einem freundlichen Sicherheitsmann. Den braucht das Gymnasium genauso wie alle anderen Schulen in Neukölln, die Kosten dafür übernimmt der Bezirk. Der Schulhof erweckt den Eindruck eines geschützten Raumes inmitten der lärmumtosten Straße. Solche Schutzräume für Kinder und Jugendliche zu schaffen, die unter schwierigsten sozialen Bedingungen aufwachsen, ist dem Schulleiter Tilmann Kötterheinrich-Wedekind besonders wichtig. Zu oft sind erboste Eltern oder rachsüchtige Brüder in die Schule gekommen, die einen vermeintlichen Übeltäter unter den Mitschülern vermöbeln wollten. Erst vor kurzem gab es wieder einen gewalttätigen Zwischenfall – allerdings vor der Schule. Auch der wird geahndet: Die Schule hat Anzeige gegen die daran Beteiligten erstattet. Aber auch innerschulisch gibt es viele Sanktionsmöglichkeiten vom schriftlichen Verweis über einen Klassenwechsel bis zum Schulverweis, dem Schulaufsicht und Gesamtkonferenz zustimmen.

Über besondere Disziplinprobleme während des Unterrichts kann die Schule nicht klagen, obwohl in den siebten Klassen teilweise 29 Schüler sitzen. Zwei Drittel sind in den meisten Klassen Mädchen, fünf bis sechs tragen ein Kopftuch. Wegen der sechsjährigen Berliner Grundschule ist die erste Gymnasialklasse, ein Probejahr. Von knapp über hundert Schülern müssen am Ende des Schuljahrs 15 bis 20 Prozent wieder gehen, obwohl sie oft Vorbereitungskurse besucht haben. Sie stehen allen Schülern der umliegenden Grundschulen offen und werden in Mathematik, Englisch und Naturwissenschaften angeboten. Die Schulleiterin der Grundschule in der Köllnischen Heide, Astrid-Sabine Busse, bestätigt, dass nur Schüler zugelassen werden, die auf einer glatten Zwei stehen und fest vorhaben, aufs Abbe-Gymnasium zu gehen. Früher habe sich ein Gymnasium überhaupt nicht um Grundschulen geschert, das sei beim Abbe ganz anders geworden, sagt Busse, deren Schülerschaft mehrheitlich arabischer Herkunft ist. Unter den Eltern an ihrer Schule gibt es fließend Deutsch sprechende Väter aus dem arabischen Raum, aber auch Mütter, die auch nach 30 Jahren kein Wort Deutsch können. Die dritte vermeintlich integrierte Elterngeneration gibt es für Busse nicht.

Das Hauptproblem für die Schüler, die zu Hause wenig oder kein Deutsch sprechen, bleibt während der gesamten Schulzeit Deutsch als Bildungssprache. Noch in der neunten Klasse haben einige selbst im Gymnasium Probleme beim Vorlesen mit Fremdwörtern wie „Interpretation“ und erwecken nicht immer den Eindruck, als verstünden sie auch, was sie gerade vortragen. Das Abbe-Gymnasium hat sich deshalb Sprachbildung auf die Fahnen geschrieben. Es nimmt am bundesweiten Projekt BiSS (Bildung durch Sprache und Schrift) teil, das vom Bundesbildungsministerium gefördert wird. In den Klassenstufen sieben und acht werden zusätzlich zum Deutschunterricht zwei Stunden Deutsch als Zweitsprache erteilt.

Außerdem händigt die Schule jedem einen Schulplaner aus, der nicht nur Raum für Aufgabennotizen lässt, sondern auch sprachliche Wendungen für unterschiedliche Unterrichtssituationen und Fächer bereithält, an denen sich Schüler orientieren können. Alle Arbeitsaufträge werden schriftlich erteilt – meist durch einen Tafelanschrieb, und selbst im Sportunterricht geht es immer wieder darum, Sprache zu üben. In der Sporthalle unterbricht die arabischstämmige Lehrerin, eine frühere Schülerin des Abbe-Gymnasiums, die praktischen Übungen für das Basketballspiel, um die Korbleger-Regeln zu erläutern. Die Schüler sitzen im Kreis auf dem Boden und müssen auch ausdrücken können, was sie gleich in Bewegung umsetzen. In allen Fächern wiederholen die Fachlehrer die Aussagen von Schülern und korrigieren dabei vorsichtig grammatische Fehler. Schwimmunterricht kann die Schule schon deshalb nicht anbieten, weil die Familien die jungen Mädchen nicht teilnehmen ließen. Manche Schülerinnen wollten auch schon in langen Kleidern zum Sportunterricht gehen.

In solchen Fällen greift die türkischstämmige und muslimisch religiös aufgewachsene Safiye Celikyürek, die Deutsch und Englisch unterrichtet, ein und entgegnet, dass der Islam keine Sportkleidung vorschreibe und eine weite Jogginghose mit einem langärmeligen T-Shirt völlig opportun sei. Celikyürek trägt kein Kopftuch wie viele ihrer Schülerinnen, das würde der Schulleiter auch nicht befürworten. Er hält das Neutralitätsgebot gerade an seiner Schule für eine Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen und Religionen. Einen Gebetsraum duldet er genauso wenig wie öffentliches Beten auf den Gängen mit Publikum. Das Beten könne nach allen religiösen Regeln auch auf den Abend verschoben werden und Religion sei Privatsache, sagt Kötterheinrich-Wedekind. Dass die Schüler am Samstag in die Moscheeschulen gehen, kann die Schule ohnehin nicht verhindern.

So etwas wie eine „Toiletten-Scharia“ duldet die Schule nicht. Es gab offenbar schon Mitschüler, die andere beim Gang auf die Toilette dabei überprüften, ob sie während des Ramadan heimlich essen oder trinken. „Wer nicht fastet, ist kein richtiger Muslim“, sagen dann vor allem die Jungs, die den Ramadan wie einen Entsagungswettbewerb verstehen. Das Fasten im Ramadan ist für den Schulalltag und Prüfungszeiten ein riesiges Problem. Manchmal wissen nicht einmal die Eltern, dass ihr Kind während des Ramadan fastet. Es gibt Schüler, die aufgrund der völligen Flüssigkeits- und Nahrungskarenz schon nach der dritten Stunde nicht mehr können und sich krankmelden. Der soziale Druck der Mitschüler ist oft stärker als häusliche Erwartungen. In diesem Jahr beginnt der Ramadan am 6. Mai, die Prüfungen für den mittleren Schulabschluss fallen genau in diese Zeit. Celikyürek fastet nicht und versucht auch die Schüler davon zu überzeugen, dass sie zumindest trinken sollen, das Fasten aber am besten ganz lassen, vor allem während der Prüfungszeit.

Auch beim Kopftuchtragen herrscht in den Klassen Gruppendruck. In den siebten Schuljahren tragen von dreißig Schülern etwa sechs Mädchen ein Kopftuch, in den höheren Klassen werden es immer mehr. Oft kommen sie nach den Sommerferien mit Kopftuch wieder. Aber, so berichtet Celikyürek, es gibt manchmal auch Mädchen, die das Kopftuch wieder ablegen – nach einem Gespräch mit der Tante in einem Fall. Vor allem die Mädchen müssen nach der Schule oft im Haushalt mithelfen. Für sie ist der Schutz- und Bildungsraum Schule ganz besonders wichtig. Nicht wenige Schüler bleiben deshalb gern bei der Hausaufgabenbetreuung in der Schule. Es gebe Schüler, die ihre Aufgaben zu Hause in der Badewanne machten, weil sie keinen Arbeitsplatz hätten, sagt Kötterheinrich-Wedekind.

Abendliche Theaterbesuche mit Lehrern sind schwierig. Neulich habe sie eine Schülerin nach dem Theater persönlich nach Hause begleitet, die Eltern hätten sie sonst nicht mitgehen lassen, sagt Celikyürek. Der Schule, die vollständig saniert ist, Internet in jedem Klassenraum hat und eine neue Turnhalle nutzen kann, beschert die Schülerzusammensetzung 100000 Euro aus dem sogenannten Bonusprogramm in Berlin. Schulen mit mehr als 40 Prozent Schülern aus Hartz-IV-Familien, die von der Zuzahlung zu Lernmitteln befreit sind, können bis zu 100000 Euro im Jahr mehr an Mitteln beantragen. Am Ernst-Abbe-Gymnasium haben 80 Prozent der Schüler eine Lernmittelbefreiung. Für die Bewilligung der Senatsfinanzen müssen die Schulen Ziele entwickeln, was und wen sie fördern wollen – und dafür selbständig Verträge abschließen und Fachkräfte engagieren. Die Hausaufgabenbetreuung, die Honorarkräfte für die Bibliothek, die Schülersozialhilfe, die Konflikte unter Schülern schlichtet. So berichtet eine Siebtklässlerin vom Streit mit einem Kameraden, von dem sie sich auch als Mädchen angegriffen fühlte. Nach einem einstündigen Gespräch mit den Sozialhelfern konnten sich die beiden versöhnen.

Kötterheinrich-Wedekind will sich über die Ausstattung nicht beschweren und gehört überhaupt nicht zum jammernden Teil seiner Zunft. Er beschönigt nichts, auch in seiner Schule nicht, und hält mit unangenehmen Wahrheiten nicht hinter dem Berg. Der Abischnitt seiner Schule liege bei 2,7, und das Abbe stehe damit auf einem der letzten Plätze des Berliner Rankings. Aber es ist schon eine Leistung, dass 93 bis 96 Prozent der Schüler das Berliner Abitur schaffen, und das bei den beiden zweiten Fremdsprachen Latein und Französisch. Latein wird von 40 Prozent der Schüler angewählt, und viele verlassen die Schule mit einem Latinum, nur wenige studieren. Aber die Schule ist schon froh, wenn die weiblichen Abiturienten nicht ein Jahr nach dem Abitur mit einem Kinderwagen an der Schule vorbeikommen und damit ihren Verzicht auf eine Ausbildung dokumentieren.

Von Ermäßigungsstrategien halten weder der Schulleiter noch sein Lehrerkollegium etwas. Die herausfordernde Schülerzusammensetzung wollen sie nicht als Ausrede für niedrigere Ansprüche gelten lassen. Kötterheinrich-Wedekinds Schule gehört auch wegen des Lateinunterrichts zu den Partnerschulen der Lehrerbildung in der Humboldt-Universität. Er als Altphilologe hätte es einfacher haben können und als Lateinlehrer am renommierten Arndt-Gymnasium in Berlin-Dahlem bleiben können, aber das wollte er nicht. Während die Eltern in Dahlem oft zu zweit beim Elternabend erschienen, muss das Ernst-Abbe-Gymnasium um die Mitwirkung der Eltern kämpfen. In arabischen und türkischen Familien überlassen die Eltern der Schule gern allein die Verantwortung für die Bildungslaufbahn ihrer Kinder. Häufig läuft der Fernseher mit Satellitenprogrammen nahezu rund um die Uhr, oder die Kinder werden am Wochenende dem Computer überlassen. Für Rückzugsmöglichkeiten zum Lesen oder Lernen sorgen die Eltern nicht. Sie sind gern bereit, einen Kuchen fürs Schulfest zu backen, aber wenn es um echte Mitarbeit oder gar Präsenz geht, wird es schwierig. Wenn einmal zehn bis zwölf von etwa 1200 Eltern im Elterncafé der Schule waren, gilt das schon als Erfolg. Sie werden dort fürstlich empfangen, können ohne Anlass und Termin Lehrer und Schulleiter treffen. Von Möglichkeiten der Schullaufbahnberatung bis hin zu Gesundheitsthemen reichen die thematischen Angebote der Schule. Aber das Kollegium arbeitet weiter daran, Schülern aus schwierigsten Verhältnissen Bildungsaufstiege zu ermöglichen, mit Rückschlägen und stetigem Engagement.

zum Artikel: F.A.Z. – POLITIK, 24. April 2019, BERLIN, Heike Schmoll, Eine friedliche Insel in Neukölln

Schule im Dienst der Konzerne?

Fortbildung und Ausstattung in privater Hand


René Scheppler

René Scheppler ist Lehrer an einer Wiesbadener Gesamtschule. Mit den studierten Fächern Geschichte und Deutsch.

Sie sind ein wahrer Innovator, vertrauensvoller Berater, leidenschaftlicher Fürsprecher, authentischer Autor und weltweit tätiger Botschafter? Sie wollen Ihren Kolleginnen und Kollegen den Weg zu effektiver Technologienutzung ebnen?

Sie wollen dem Konzern Microsoft helfen, im Bereich Innovationen führend zu sein? Sie wollen Ihre Ideen für die effektive Nutzung der Technologie im Bildungsbereich verfechten und mit Kolleginnen und Kollegen und politischen Entscheidungsträgern teilen?

Sie wollen Einblicke in neue Produkte und Tools zur Verfügung stellen und für Innovationen werben?

Dann können Sie sich bei den Firmen Apple und Microsoft für die Teilnahme an konzernexklusiven Fortbildungsprogrammen für Lehrerinnen und Lehrer bewerben und – nach Auswahl durch den Konzern und erfolgreicher Teilnahme – zum Microsoft Innovative Educator Expert, Apple Distin guished Educator oder – wenn Sie sich besonders „bewähren“ – zum Apple Certified Trainer avancieren (1). Auf Apple Distinguished Educators trifft man vereinzelt auch in den regionalenMedienzentren, die Schulen im Auftrag der Kultusministerienund Schulträger im Bereich Digitalisierung beraten.

Bild: HLZ 1-2/2019, S. 15, Rene‘ Scheppler

Mit diesen Zertifikaten dürfen Sie dann – als Nebentätigkeit – im Dienst der Konzerne Vorträge halten, Fortbildungen anbieten und Schulen beraten – auch wenn „das Führen eines solchen Titels“ nach einer Auskunft des Hessischen Kultusministeriums nach Vorschriften „in § 58 Abs. 2 HBG sowie in § 3 Abs. 15 HSchG nicht gestattet“ ist (2). Dass sich allerdings eine ganze hessische Schule mit dem Titel einer Samsung Lighthouse School schmücken darf, verwundert dann doch. Aber dazu später mehr…

Microsoft Showcase School…

Auch eine andere Entwicklung ist aus den USA inzwischen in Deutschland angekommen, wie die folgende Erfolgsbilanz von Microsoft zur „Übernahme“ ganzer Schulen dokumentiert:

„Für das Schuljahr 2016/2017 hat Microsoft weltweit 4.800 Lehrende und 851 Schulen aus über 100 Ländern nominiert, darunter sind 175 Lehrerinnen und Lehrer sowie 26 Schulen aus Deutschland. Das Gesamtbudget von Microsoft für die weltweite Bildungsinitiative beläuft sich auf 750 Millionen US-Dollar über einen Zeitraum von 15 Jahren (2003 bis 2018).“ (2)

Als Microsoft Showcase School können sich jedoch nur die Schulen bewerben, „die bereits Microsoft Lösungen wie Surface-Tablets, Office 365 Education, Office Mix, OneNote, Skype oder Minecraft“ nutzen. In Hannover gibt es inzwischen die erste staatliche Schule, die sich als Apple Distinguished School bezeichnen kann. Aber auch diese Auszeichnung erfolgt nicht, ohne dass die folgenden von Apple festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind:

„Ein One-to-One Programm mit iPad oder Mac für Schüler und Lehrer ist seit mehr als zwei akademischen Jahren eingerichtet. Alle Schüler an Ihrer Schule nutzen Apple Geräte als primäres Lerngerät. Alle Lehrer an der Schule nutzen Apple Geräte als primäres Unterrichtsgerät. Lehrkräfte integrieren Apple Apps zur Erstellung von Inhalten (Fotos, iMovie, GarageBand, Pages, Keynote, Numbers und iBooks Author), Lernapps aus dem App Store, Bücher aus dem iBooks Store und Lernmaterialien aus iTunes U intensiv in den Lehrplan. Lehrer verfügen über eine hohe Kompetenz beim Verwenden von Apple Produkten. Für Schulen der Primar- und Sekundarstufe in Deutschland müssen vor Ablauf der Bewerbungsfrist 75 Prozent der Lehrer an der Schule als Apple Teacher anerkannt sein.“ (2)

… und die Samsung Lighthouse School

Im südhessischen Rüsselsheim gibt es die erste und bisher einzige deutsche Samsung Lighthouse School, auf die der Kreis Groß-Gerau als Schulträger des Neuen Gymnasiums und Landrat Thomas Will (SPD) besonders stolz sind. „Wir haben viele Leuchttürme im Kreis Groß-Gerau, aber dieser leuchtet besonders hell“, erklärte Will bei der Überreichung der Urkunde durch die Vertreter von Samsung im September 2015.

Deutlich weniger begeistert zeigte sich Landrat Will von einer Anfrage des Autors dieses Artikels, ob er denn bereit sei, den Inhalt und das konkrete Ausmaß der „Kooperation“ transparent zu machen. Der Vertrag sei schließlich nicht vom Schulträger unterzeichnet worden und er sei als Landrat nur bei der Unterzeichnung anwesend gewesen. Auch das Hessische Kultusministerium erklärte sich für nicht zuständig:

„Da die erbetenen Informationen dem Hessischen Kultusministerium nicht vorliegen, kann Ihrem Antrag nicht entsprochen werden.“ (2)

Die Schulleitung des Neuen Gymnasiums verwies auf „ein schutzwürdiges Interesse (…) der Firma Samsung“, die „die entsprechende Information bereits verweigert hat“. Hierzu muss man wissen, dass auch das Land Hessen seit Mai 2018 ein „Informationsfreiheitsgesetz“ hat. Nach § 80 hat jede Bürgerin und jeder Bürger gegenüber Behörden und öffentlichen Dienststellen einen „Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen“, womit „alle amtlichen Zwecken dienenden Aufzeichnungen, unabhängig von der Art ihrer Speicherung“ gemeint sind.

Nach den zugänglichen Zeitungsberichten und Informationen auf der Homepage der Schule finanziert Samsung als Sponsor der Schule die Einrichtung einer „Tablet-Oberstufe“, wobei die Samsung-Tablets „zu einem reduzierten Preis“ in das Eigentum der Schülerinnen und Schüler übergehen.

Auch andere Elemente der Kooperation sind prototypisch:
• Eine wissenschaftliche Begleitung – in diesem Fall durch den Medienpädagogen Professor Dr. Stefan Aufenanger – sorgt für die nötige Seriosität.

• Als Ausdruck der „Gemeinnützigkeit“ dient die Einbettung entsprechender Kooperationen in Wettbewerbe oder gemeinnützige Stiftungen. In diesem Fall fand die Verleihung der Urkunde an das Neue Gymnasium „im Rahmen der Prämierung des Wettbewerbs IDEEN BEWEGEN der von der Samsung Electronics GmbH geförderten Initiative DIGITALE BILDUNG NEU DENKEN“ statt (3).

„In ihrer Offenheit schon fast putzig…“

In anderen Bundesländern sieht man entsprechende Kooperationen offensichtlich distanzierter. Wolf-Jürgen Karle vom Ministerium für Bildung und Wissenschaft des Landes Rheinland-Pfalz, der das Ansinnen der IT-Konzerne in einem Artikel der WELT 2013 „in ihrer Offenherzigkeit“ als „schon fast putzig“ (4) bezeichnete, verwies auf die Dienstpflichten der Lehrkräfte:

„Für Lehrkräfte im Beamten- wie im Beschäftigtenverhältnis gilt das Neutralitätsgebot. Jede einseitige Unterrichtung und Information ist unzulässig.“

Lehrkräfte, die sich für den bevorzugten oder ausschließlichen Einsatz von Apple-Geräten im Klassenzimmer einsetzten, verstießen „gegen geltendes Recht in Rheinland-Pfalz“.

Das niedersächsische Kultusministerium erklärte auf dieselbe Anfrage der WELT, dass die von Apple angebotenen „Fortbildungsreisen“ gegen die Antikorruptionsrichtlinien verstoßen, „die für alle beim Land beschäftigten Lehrkräfte gelten“.

Und was soll daran schlimm sein?

„Das ist doch weltfremd.“ Mit diesen Worten und dem Hinweis auf das Auslaufen der Kooperationsvereinbarung im Sommer 2018 kommentierte der stellvertretende Schulleiter des Neuen Gymnasiums eine Anfrage der FAZ zur Pressemitteilung der GEW (5). Den „Mehrwert“ aus der Kooperation „möchte man nicht mehr missen“. Und so sehen das mit Sicherheit auch viele Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler und Eltern der Schule. Also: Wo ist hier die Gefahr?

In dem Maße, in dem der Staat seine Aufgaben im Rahmen der Lehreraus- und -fortbildung vernachlässigt und sogar an Konzerne mit erkennbaren und formulierten Eigeninteressen zu Gunsten der eigenen Produkte abgibt, verliert er die eigene Expertise in diesem Bereich.

In zahlreichen Bundesländern kann man dies bereits an der erschreckend geringen Zahl von Fortbildungsangeboten staatlicherseits ablesen. So werden beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern wichtige Zukunftsthemen in der digitalen Welt in produktexklusive Fortbildungen ausgelagert.

Werbung in Schulen ist in Hessen ausdrücklich verboten, doch der (neue) § 3 Abs.15 des Hessischen Schulgesetzes zeigt, wo es langgehen kann:

„Schulen dürfen zur Erfüllung ihrer Aufgaben Zuwendungen von Dritten entgegennehmen und auf deren Leistungen in geeigneter Weise hinweisen (Sponsoring), wenn die damit verbundene Werbewirkung begrenzt und überschaubar ist, deutlich hinter den schulischen Nutzen zurücktritt und das Sponsoring mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule vereinbar ist. Die Entscheidung trifft die Schulleiterin oder der Schulleiter.“

Der Staat vernachlässigt seine Aufgaben

Offensichtlich – und eine andere Lesart ist kaum möglich – ist der Staat nicht mehr in der Lage, den ihm hoheitlich aufgetragenen Verpflichtungen zur vollumfänglichen Finanzierung von Schulen nachzukommen. Auch im Bereich der Lehreraus- und -fortbildung ist man offenbar nicht mehr in der Lage, der Versuchung zu widerstehen, Dritten Zugänge zu gewähren, so dass der Eindruck der Abhängigkeit immer deutlicher wird.

Das Argument, dass sich „die Konzerne nun mal am besten mit der Technik und den eigenen Produkten auskennen“, ist zugleich ein Affront gegenüber den Medienzentren, die trotz viel zu geringer Ausstattung gute Arbeit leisten. Wer sich an derartige Strukturen gewöhnt hat, wird mittelfristig nicht mehr in der Lage sein, sich daraus aus eigener Kraft zu befreien und unabhängig seinen ursprünglichen Aufgaben nachzukommen.

Angesichts dieser Entwicklungen ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir uns die Frage stellen müssen, wie wir uns aus dieser „selbstverschuldeten Unmündigkeit“ wieder befreien können. Um eine Generation zu erziehen, die den Mut hat, „sich ihres eigenen Verstandes zu bedienen“, scheint die Etablierung von Apple Distinguished Schools, Microsoft Showcase Schools und Samsung Lighthouse Schools nicht der vielversprechendste Ansatz zu sein.

Dieser Beitrag erscheint mit freundlicher Genehmigung des Autors auf Schulforum-Berlin.

Artikel in PDF-Format und Website des Autors „BildungsRadar“

Mündliche Schülerleistungen dominieren

Dem Schreiben hat diese Entwicklung der letzten Jahre nicht gut getan: Immer weniger Schüler konnten es ausreichend üben.

F.A.Z. – BILDUNGSWELTEN, 04.04.2019, von Rainer Werner

Rainer Werner unterrichtete an einem Berliner Gymnasium Deutsch und Geschichte. Er ist Verfasser des Buches „Auf den Lehrer kommt es an“, siehe Bücherliste. Rainer Werner hält Vorträge zu pädagogischen Themen und berät Schulen bei der inneren Schulreform.

2016 sorgte eine Meldung für Aufsehen: Das Bundeskriminalamt konnte von 120 Stellen nur 62 besetzen, weil zu viele Bewerber trotz Abiturs beim Deutschtest durchgefallen waren. Der Test erfragt Kenntnisse in Rechtschreibung, Grammatik, Wortschatz und Sprachverständnis. Von der Polizei der Länder hört man ähnliche Klagen. Viele Bewerber fallen vor allem durch die Sport- und Rechtschreibprüfung. Können die jungen Menschen heute nicht mehr richtig schreiben?

Wir leben in einer Gesellschaft, in der ständig geredet wird. Überall sieht man Menschen telefonieren, sei es auf der Straße, im Café oder in der Straßenbahn. Alle Fernsehsender haben Gesprächsformate im Programm, in denen sich Menschen, die sich für Experten halten, über alle möglichen Themen unterhalten. Die Talkshow ist zum zweiten Wohnzimmer der Deutschen geworden. Für das Sprechen in diesem Gesprächskosmos gibt es keine Qualitätsmaßstäbe. Man darf reden, wie einem der Schnabel gewachsen ist. Die lockere Diktion, Umgangssprache inklusive, gilt als Ausweis von Authentizität. Der Linguist Gerhard Augst vertritt die These, dass sich in unserer Gesellschaft das Gesprochene als Standardsprache durchgesetzt habe, was es schwer mache, auf die Dominanz der Schriftsprache zu pochen. Dem Sprachwissenschaftler Peter Gallmann fiel auf, dass Kinder vor allem in Regionen, in denen es einen ausgeprägten Dialekt gibt (Bayern, Schwaben), die Rechtschreibung gut beherrschen. Weil sie wissen, dass gesprochene und geschriebene Sprache nicht dasselbe sind, lernen sie die Schriftsprache als eigenständiges sprachliches System. Im Rest der Republik schreiben Schüler, wie sie sprechen.

In der Schule drückt sich die Dominanz der gesellschaftlichen Redekultur im starken Gewicht des Mündlichen aus. In der Sekundarstufe I zählt in allen Fächern die mündliche Mitarbeit zur Hälfte, in den Grundkursen der gymnasialen Oberstufe zu zwei Dritteln. Die in allen Bundesländern eingeführte 5. Prüfungskomponente des Abiturs, eine Präsentationsprüfung, besteht zumeist nur aus einer mündlichen Leistung. Nur wenige Bundesländer verlangen zusätzlich noch eine Facharbeit. Die meisten Gymnasiasten punkten im Mündlichen: Sie sind eloquent und verfügen über einen differenzierten Wortschatz. Die Noten fallen entsprechend gut aus. Liest man hingegen von Schülern verfasste Texte, stellt man fest, dass ihre Qualität deutlich hinter der Qualität ihrer mündlichen Beiträge zurückbleiben. Wenn es auf logische Gedankenführung, den präzisen Ausdruck und schlüssig zu Ende geführte Sätze ankommt, versagen auffallend viele Schüler. Selbst bei Abiturienten kann man erleben, dass sie in Orthografie und Interpunktion nicht sicher sind. Diese Defizite lassen darauf schließen, dass Schüler zu wenig mit schriftlichen Aufgaben konfrontiert werden. Die Benennung der Fehler bei der Korrektur und die kritischen Randbemerkungen der Lehrkraft bleiben meistens ohne Folgen, weil den Schülern in der Regel nicht mehr zugemutet wird, von Aufsatz und Klausur eine Berichtigung anzufertigen.

Universitäten klagen darüber, dass den Erstsemestern trotz attestierter guter Schulabschlüsse die Grundlagenkompetenzen in der Sprache fehlen. Dazu gehört vor allem die Fähigkeit, einen Gedankengang klar, schlüssig, logisch und fehlerfrei zu formulieren. Die Befragung von Studenten, die die Universität Konstanz jährlich durchführt, hat 2015 ergeben, dass mehr als 25 Prozent der Bachelorstudenten ihr Studium abbrechen. Neben der Doppelbelastung aus Studium und Job werden vor allem fachliche Mängel als Grund angegeben. 52 Prozent der Absolventen und 45 Prozent der Abbrecher gestehen ein, dass ihnen Kenntnisse und Techniken zum Verfassen akademischer Arbeiten fehlten. Die gymnasiale Oberstufe, und hier vor allem das Fach Deutsch, scheint dabei zu versagen, den Abiturienten das für ein erfolgreiches Studium nötige sprachliche Rüstzeug zu vermitteln.

An theoretischen Vorgaben fehlt es beileibe nicht. Die „Bildungsstandards im Fach Deutsch für die Allgemeine Hochschulreife“ (KMK-Beschluss vom 18.10.2012) machen klare Aussagen zum Beherrschen der Schriftsprache: „Die Schülerinnen und Schüler verfassen inhaltlich angemessene kohärente Texte, die sie aufgabenadäquat, konzeptgeleitet, adressaten- und zielorientiert, normgerecht, sprachlich variabel und stilistisch stimmig gestalten.“ Auch die Deutsch-Lehrpläne für die Sekundarstufe II der einzelnen Bundesländer geben das Ziel vor, dass die Schüler „die Fähigkeit entwickeln, in angemessener Weise anspruchsvolle, komplexe Sachverhalte schriftlich zu formulieren“. (Beispiel Berlin) – Papier ist offensichtlich geduldig, sonst klafften beim Beherrschen der Schriftsprache Anspruch und Wirklichkeit nicht so weit auseinander.

Die Grundschuldidaktikerin Ulrike Holzwarth-Raether sieht die Ursachen für die Defizite im Schreiben schon vor der Grundschule gelegt. Mit den Kindern werde heute zu wenig gesungen und artikuliert gesprochen. Das behindere die Entwicklung der Laut-Buchstaben-Zuordnung, die eine wichtige Voraussetzung für den Schrifterwerb sei. In der Schule wird das Schreiben von Texten auf allen Schulstufen vernachlässigt. Bei Schülern gilt schreiben als lästig und „uncool“. Häufig hört man schon in der Unterstufe des Gymnasiums die Frage: „Müssen wir das wirklich aufschreiben?“ – In der Sekundarstufe I ist das Mitschreiben im Unterricht nicht mehr verpflichtend, weil die Schüler ja Arbeitsbögen zum Stoff der Stunde bekommen. Abheften von Papier ersetzt die Mühe, das Gehörte gedanklich zu verarbeiten und in adäquate Sätze zu kleiden. Stundenprotokolle haben in vielen Fächern den Rang einer Strafarbeit bekommen: „Wenn du nicht aufpasst, musst du die Stunde protokollieren!“ – Dabei zwingt gerade die Reduktion des Unterrichtsstoffes auf den knappen Umfang eines Protokolls zu gedanklicher Konzentration und präziser Formulierung.

Bei der Ausbildung schriftlicher Kompetenzen muss man früh beginnen. In Grundschule, Unterstufe und Sekundarstufe I sollte regelmäßig geschrieben werden. Es hat sich bewährt, in jede Unterrichtsstunde eine kleine Schreibaufgabe einzubauen, deren Resultate noch in der Stunde inhaltlich und sprachlich überprüft werden. Mit kreativen Schreibaufgaben (Beispiel: zwei literarische Figuren schreiben sich Briefe) kann man die Schreibaversion der Schüler am ehesten aufbrechen. Es ist unbedingt notwendig, Schülertexte zu korrigieren. Tut man das nicht, verfestigt sich der Eindruck, es sei letztlich egal, wie man schreibt. Da die Kapazitäten der Lehrkräfte begrenzt sind, können sie nicht ständig Schülertexte einsammeln und zu Hause korrigieren. Hier bietet sich die „Schreibkonferenz“ an. Drei bis vier Schüler korrigieren gemeinsam ihre Texte, bis sie verständlich und fehlerfrei sind. Wenn diese Methode häufig angewandt wird und wenn die Lehrkraft die Qualität der Endprodukte überprüft, wird sich die Schreibkompetenz der Schüler zwangsläufig verbessern. Dann werden die Texte beim logischen Aufbau, bei der schlüssigen Gedankenführung und bei der grammatisch-orthografischen Korrektheit kaum noch Fehler aufweisen. Auch hier bewährt sich das leider in Misskredit geratene didaktische Prinzip des beharrlichen Übens und Verbesserns.

Schulen können das Schreiben auch durch bessere Rahmenbedingungen aufwerten. Wenn der Deutsch-Fachbereich einen Preis für den besten Aufsatz in einem Jahrgang aussetzt, werden sich Schüler angesprochen fühlen, ihre Schreibkünste unter Beweis zu stellen. Eine Schülerzeitung, die Beiträge von Schülern veröffentlicht, kann signalisieren, dass Schreiben ein „cooles“ Handwerk ist. Dass Lesen die Schreibkompetenz erhöht, ist durch Studien bestens belegt. Regelmäßiges Lesen vergrößert den Wortschatz und festigt die Orthografie. Lesewettbewerbe gehören deshalb in jede Schule. Die Polytechnische Gesellschaft Frankfurt/M. führt einmal im Jahr einen Diktatwettbewerb durch, an dem sich Eltern, Schüler und Lehrer beteiligen. Die Sieger treten gegen die Sieger anderer Städte an. Dieses Projekt zeigt, dass der Wettstreit um sprachliche Korrektheit genauso reizvoll sein kann wie ein Sport- oder Musikwettbewerb. Es ist Zeit für eine Schreiboffensive.

Dieser Beitrag erscheint mit freundlicher Genehmigung des Autors auf Schulforum-Berlin.

Zur Website des Autors: „Für eine gute Schule

Fließbandarbeit in der Lernfabrik

Große Klassen und die „Neue Lernkultur“ industrialisieren den Lehrerberuf.

Von Nils Björn Schulz

Dr. Nils Björn Schulz ist Lehrer am Robert-Havemann-Gymnasium in Berlin.

Lehrerinnen und Lehrer sind zu Arbeitern einer hybriden Bildungsindustrie geworden. 50-Stunden-Wochen und Fließbandarbeit am Schreibtisch bestimmen den Berufsalltag vieler Kolleginnen und Kollegen – vor allem an Gymnasien. Die fortschreitende Digitalisierung, die Test- und Evaluationseuphorie und die Kompetenzorientierung der Neuen Lernkultur, wie sie Christoph Türcke in seinem Buch „Lehrerdämmerung“ nennt [siehe Bücherliste], haben innerhalb von knapp fünfzehn Jahren ein ganzes Berufsfeld industrialisiert und die Schule in eine Lernfabrik verwandelt. Das Produktionsziel: höhere Abiturientenquoten bei gleichzeitiger Absenkung des Anspruchsniveaus, wie die jüngsten Studien des Frankfurter Bildungsforschers Hans-Peter Klein zeigen konnten. [Siehe dazu auch für Berlin die Studie von Angela Schwenk und Norbert Kalus, Auswertung der Abiturdaten von 2006 bis 2016.]

Die Niveauabsenkung wird vor allem durch das ständige Gerede über Qualität und Qualitätsmanagment kaschiert. Aber für die unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer ist sowieso eine ganz andere Kategorie zentral: die der Quantität. Es ist die schiere Quantität an Klassenarbeiten, Noten, Tests, Evaluationen, Methodentrainings – und die Lautstärke in den Klassenräumen, die erschöpft. An Gymnasien sitzen bis zu 30 Schülerinnen und Schüler in einem Klassenraum, in Berlin sind es sogar bis zu 32.

Man kann es ja begrüßen, dass die Disziplinargesellschaft verabschiedet wurde, jedoch hat man deren Raum- und Zeitstruktur beibehalten. Klassenräume und Stundenrhythmen gehören einem Typus an, den Michel Foucault als Einschließungsmilieu bezeichnete. Nur lassen sich Kinder und vor allem pubertierende Jugendliche so nicht mehr disziplinieren.

Aufgrund überbordenden Gebrauchs digitaler Medien völlig dezentriert, können sich viele in den vorgegebenen Strukturen nicht mehr konzentrieren. Die täglichen Mediennutzungszeiten Pubertierender variieren je nach Studie zwischen 5 und 7 Stunden. Es ist laut geworden in den spätmodernen Lernfabriken. Gerade die kooperativen Lernformen, die auf die Dezentrierung reagieren und sie zugleich verstärken, werden schon in der Grundschule eingeübt und lassen je nach Lerngruppe in den Räumen den Lärmpegel bis auf 80 Dezibel ansteigen. Anderen Berufsgruppen wird da Gehörschutz verordnet.

Aber viele Lehrerinnen und Lehrer sprechen nicht offen über dieses Thema, weil sie das Ressentiment fürchten, der Grund für den Lärm sei mangelnde pädagogische Kompetenz. Genauso schreiben sich gegenwärtig viele Eltern ihr Scheitern selbst zu, wenn es darum geht, den Medienkonsum ihrer Kinder zu reglementieren; dabei haben sie schlichtweg keine Chance gegen die Produktentwicklungs- und Werbestrategien großer IT-Konzerne. Es ist ja gerade das Geschäftsmodell vieler Firmen, die Begierden der Nutzer so anzutriggern, dass das Virtuelle ihr Dasein bestimmt oder Smartphones als Quasiorgane ins Körperschema integriert werden. Die Nutzer werden nervös, wenn die Geräte nicht in Reichweite sind.

Dass die Hattie-Studie für kleinere Klassen eine eher niedrige Lerneffektstärke ermittelte, kam den Bildungs- und Finanzministerien sehr zupass: So konnte man die Klassengrößen mit ruhigem pädagogischen Gewissen beibehalten. Jedoch zeigt eine genaue Lektüre von John Hatties Buch „VisibleLearning“ [siehe nebenstehende Bücherliste], dass gerade das Thema „Klassengröße“ unbedingt weiter untersucht werden muss. Hattie weist nämlich selbst darauf hin, dass veränderte Lehrmethoden, anderes Feedback-Verhalten, neue Formen der Interaktion, die nur in kleineren Lerngruppen möglich sind, das Lernen fördern können.

Und viele Lehrerinnen und Lehrer haben die Erfahrung gemacht, dass bestimmte Methoden – wie beispielsweise das von vielen Oberstufenschülerinnen und -schülern immer noch sehr geschätzte lehrerzentrierte Unterrichtsgespräch – nur in Klassen bis maximal 20 Schülern überhaupt funktionieren.

Große Lerngruppen produzieren quantitativ mehr Arbeit als kleine. Das wäre an sich vielleicht eine lapidare Aussage, wenn sich nicht die Benotungskriterien und – damit eng verbunden – die sogenannte Schreibkompetenz, also die Fähigkeit, lesbare Texte zu schreiben, so gravierend verändert hätten. Oberstufenklausuren mit 10 bis 15 Rechtschreib- und Grammatikfehlern pro Seite sind leider nicht die Ausnahme; und für einige Handschriften benötigt man Werkstattleuchten und Leselupen.

Für Lehrerinnen und Lehrer heißt das aber, dass die Klausurenkorrektur durchschnittlich länger dauert als früher, dass jede Klausur mindestens zwei Mal gelesen werden muss: Zunächst müssen die Orthographie-, Grammatik- und Ausdrucksfehler analysiert und markiert werden, dann die – oft durch die Fehler produzierten – semantischen Unverständlichkeiten.

Aufgefordert, Lehrerarbeitszeiten transparent zu machen, veranschlagt der Berliner Senat 20 bis 25 Minuten Korrekturzeit für eine Oberstufenklausur inklusive der Beurteilung durch ein elektronisches Bewertungsraster. Dieses sogenannte Onlinegutachten hat für bestimmte Klausurformate zum Beispiel im Fach Deutsch 12 Bewertungskriterien parat. Je nachdem benötigt man für die endgültige kriteriengeleitete Beurteilung einer einzigen Klausur über 50 Klicks.

Das ist Fließbandarbeit im digitalen Zeitalter: Erst korrigiert man die Klausur mit der Hand, dann klickt man sich durch die Onlineraster, druckt sie aus, unterschreibt und heftet sie an die Klausuren. Das Arbeitszimmer muss für solche Abläufe optimiert werden. Im Kreis läuft man so oder so … und die veranschlagte Arbeitszeit wird immer überschritten. Weil es nicht zu schaffen ist. Unter 45 Minuten kann man keine Deutsch- oder Philosophie-Klausur korrigieren, wenn man der Schülerarbeit einigermaßen gerecht werden möchte. So sitzt man dann 15 Stunden (oder länger) an der Korrektur eines einzigen Klausurenstapels.

Sind Oberstufenkurse im Allgemeinen kleiner als die der Mittelstufe, so können sich die Mittelstufenlehrerinnen und -lehrer zwar damit trösten, dass die zu korrigierenden Texte nicht so lang sind; aber es sind eben mehr (und meistens enthalten sie mehr Fehler). Schlimm wird es für Kolleginnen und Kollegen, deren Fächer nur zwei Stunden pro Woche unterrichtet werden. So kann es sein, dass eine Ethik- und Biologielehrerin in der Mittelstufe vier Klassen in beiden Fächern unterrichtet. Geht man davon aus, dass sie pro Halbjahr zwei Lernerfolgskontrollen (LEKs) schreiben lässt, allein um die Zeugnisnote valide abzusichern, so sind das 8 mal 4 mal 30 LEKs, die korrigiert werden müssen. In der Summe: 960 Arbeiten. Geht man von Sekundarschul-Klassen mit 25 Schülern aus, so sind es immer noch 800 LEKs. Stückzahlen, die korrigiert werden müssen.

Da aber jede Vollzeit-Lehrkraft noch weitere 9 oder 10 Stunden unterrichtet, kommen weitere Korrekturbelastungen hinzu. Und damit sind viele andere Arbeiten wie digitale Fehlzeitenverwaltung, das Anfertigen von Abiturentwürfen für das dezentrale Abitur (zum Beispiel im Fach Philosophie) oder vermehrte Prüfungsaufgaben noch gar nicht berührt.

Auch führt die Kompetenzorientierung dazu, dass mittlerweile gerade junge Lehrerinnen und Lehrer digital verwaltete Notenarsenale anlegen; denn die Kompetenzideologie fordert, dass ein Schüler differenziert nach unterschiedlichen Kompetenzen bewertet wird. Erteilt man einem Schüler oder einer Schülerin drei Mal pro Schulhalbjahr jeweils fünf oder sogar mehr Kompetenznoten für die Mitarbeit im Unterricht, so heißt das, dass ein Lehrer mit vollem Stundendeputat – in Berlin sind das 26 Unterrichtsstunden – im ganzen Schuljahr weit über 5000 Noten gibt; unterrichtet er vor allem zweistündige Fächer, so erhöht sich die Zahl schnell auf 6000 bis 7000 Noten pro Schuljahr. Man muss sich solche Zahlen vor Augen führen, um die Absurdität der kompetenzorientierten Benotung zu erkennen.

Als Lehrer ist man gegenwärtig die meiste Zeit am Rechnen, und zwar vor allem mit dem vergeblichen Versuch, seine Arbeitsbelastung zu reduzieren. Denn die Reaktion der Bildungsverwaltungen ist: Lehrerinnen und Lehrer müssen ihr Zeitmanagement verbessern. Es ist die für neoliberale Gesellschaften typische Forderung an das erschöpfte Selbst: Wenn du deine Arbeit nicht schaffst, musst du deine Abläufe optimieren. Es liegt an dir! Der Zynismus geht mittlerweile so weit, dass Lehrerinnen und Lehrern von externen Evaluationsbehörden empfohlen wird, in ihrer Freizeit, die es ja kaum noch gibt, „Wohlfühlteams“ zu bilden oder Workshops zur „Work-Life-Balance“ zu buchen.

Es mag paradox klingen, dass die so gehypte Neue Lernkultur entfremdete Arbeit und Lärm erzeugt; doch machen eben diese Zustände die technokratisch-metrische Grundstruktur der Kompetenz-Modellierung nun auch für diejenigen sichtbar, die sie bisher fetischisierten. Und auch den neoliberalen Selbstoptimierungsimperativ sollte man als das durchschauen, was er ist: eine Ausbeutungsstrategie. Vor allem aber führt die neue Unterrichtstechnokratie dazu, dass Bildung nur noch unter dem Aspekt der Operationalisierung und Messbarkeit betrachtet wird; deshalb spricht der Wiener Philosoph Konrad Paul Liessmann von der „Praxis der Unbildung“ [siehe Bücherliste].

Würden Klassen verkleinert, würde man sich vom Metrisierungswahn, der Output-Orientierung und vom Diktat des kooperativen Lernens abkehren, so würden sich Korrekturpensen, Lärm und Stress enorm verringern; und es gäbe mehr Zeit für schöpferische und zwischenmenschliche pädagogische Aufgaben – vor allem für eigenständige Unterrichtsgestaltung.

Zumindest was den Korrekturaufwand betrifft, produziert die Neue Lernkultur einen – leider sehr zweifelhaften – Kollateralnutzen: Da die Bildungsverwaltungen die Bedeutung von Orthographie und Grammatikfehlern für die Gesamtnote einer Klausur immer weiter marginalisieren, schleicht sich sowieso schon bei manchem Lehrer eine resignative Laxheit ein. Man streicht gar nicht mehr alle Fehler an. Das spart Zeit! – führt aber dazu, dass viele Schülerinnen und Schüler die Fehlerhaftigkeit ihrer Klausuren gar nicht mehr erkennen können. Und viele von ihnen werden später selbst Lehrerinnen und Lehrer … Auch hier gilt: Die Masse macht’s.

aus: Frankfurter Rundschau vom 12./13.01.2019, S.21

Dieser Beitrag erscheint mit freundlicher Genehmigung des Autors auf Schulforum-Berlin.

„Welche Bildung wollen wir für unsere Kinder?“

5 Fragen – 5 Antworten – mit Prof. Klaus Zierer, Erziehungswissenschaftler, seit 2015 Ordinarius für Schulpädagogik an der Universität Augsburg.

wissensschule.de, SCHULE_DIGITAL: Ganz gleich ob Computer, Tablet oder Smartphone, Kinder kommen heutzutage immer früher direkt oder indirekt mit digitalen Medien in Kontakt. Viele Eltern fragen sich daher zu Recht: Ist der frühe Umgang mit digitalen Medien schädlich für mein Kind? Wie ist Ihre Antwort auf diese Frage?

Klaus Zierer: Pauschal lässt sich auf diese Frage nur schwer antworten, da digitaler Medienkonsum nicht gleich digitaler Medienkonsum ist. Wenn ein Kind mit seiner Oma über Skype Kontakt hält, dann ist das ohne Zweifel ein Mehrwert der Digitalisierung – sofern dieser Kontakt nicht dazu führt, dass mögliche Besuche dadurch ersetzt werden, denn nichts ist so wirksam, als wenn sich Menschen in die Augen sehen. Wenn ein Kind alleine in seinem Zimmer bis spät in die Nacht hinein seine Zeit und damit auch seine Gedanken tot schlägt, dann ist das ein Super-GAU. Insofern lohnt es sich für Eltern, genau hinzusehen und abzuwägen. Entscheidend ist dabei die Frage: Warum nutze ich Medien – und was macht das mit mir und meinem Umfeld? Lande ich mit meiner Antwort auf diese Fragen nicht bei den Menschen, dann lohnt es sich innezuhalten: vermutlich befindet man sich auf einem gefährlichen Holzweg.

Sollte digitale Medienbildung bereits in der Grundschule vermittelt werden und wie sollten digitale Medien grundsätzlich in den Unterricht integriert werden?

Medienbildung ist bereits heute ein Thema in der Grundschule und findet sich in allen Lehrplänen wieder. Insofern ist es eine Selbstverständlichkeit, dass digitale Medienbildung in der Grundschule wichtig ist. Ich denke, bis hierher wird es auch großen Konsens geben. Die Kontroversen entstehen bei der Frage, was digitale Medienbildung eigentlich ist und wie diese Medienbildung aussehen soll. Die Forderung beispielsweise, alle Schulbücher und Hefte durch Tablets zu ersetzen, ist eine bildungspolitische Bankrotterklärung und ignoriert wissenschaftliche Erkenntnisse: So konnte selbst bei Digital Natives nachgewiesen werden, dass sie sich Unterrichtsinhalte besser merken können, wenn sie mit Papier und Bleistift mitschreiben als wenn sie sich ihre Notizen mit einem Laptop machen. Und ebenso konnte nachgewiesen werden, dass sie Texte besser verstehen, wenn sie diese auf Papier ausgedruckt lesen und nicht als digitale Fassung. In ähnlicher Weise halte ich die Forderung für überzogen, dass Kinder in der Grundschule programmieren lernen sollen. Die Frage, die sich stellt, lautet: Warum? So wird sich kaum eine Antwort finden, dass es ein Kind im Hier und Jetzt können muss, und selbst als Erwachsener ist es nicht zwingend. Die Theorie der Halbbildung von Adorno macht das deutlich: Wer von uns weiß denn, wie ein Computer funktioniert? Und wer von uns muss es bis ins kleinste Detail wirklich wissen? Damit zeigt sich, dass im Kern die klassischen Felder einer Medienbildung auch im Zeitalter der Digitalisierung greifen: Medienkunde, Mediennutzung, Mediengestaltung und Medienkritik. All das gehört zusammen und muss vernünftig in die Grundschule integriert werden. Dabei ist aus meiner Sicht wichtig: Wenn wir von den Grundschulen heute mehr verlangen, dann müssen wir an einer anderen Stelle aber auch was herausnehmen. Wir können dem Bildungssystem nicht immer mehr Aufgaben übertragen, sondern müssen auch grundsätzlich diskutieren, welche Aufgaben sind uns wichtig. Oder noch deutlicher: Welche Bildung wollen wir für unsere Kinder? So kommt man aus meiner Sicht zum entscheidenden Leitsatz: Pädagogik vor Technik! Digitale Medien haben dem Menschen zu dienen. Sie sollen Lernprozesse optimieren und Bildungsprozesse ermöglichen.

Bislang konnte keine seriöse Studie belegen, dass Kinder alleine durch Mediennutzung negativ beeinflusst werden. Voraussetzung für positive Medienerlebnisse ist, dass Medien hinsichtlich Inhalt, Format und Dauer dem Alter angemessen gebraucht werden. Würden Sie dem beipflichten und was bedeutet für Sie “dem Alter angemessen”?

In diesem Kontext gibt es ein schönes Zitat von Neil Postman: Wer annimmt, Digitalisierung „sei stets ein Freund der Kultur, der ist zu dieser vorgerückten Stunde nichts als töricht.“ Vielleicht müssten wir kurz klären, was „negativ beeinflusst“ bedeutet: Wenn damit gemeint ist, dass Menschen durch Mediennutzung einer suchtähnlichen Gefährdung ausgesetzt sind, dann ist die empirische Beweislast erdrückend. Das ist den Protagonisten im Silicon Valley übrigens bewusst und nicht umsonst sprechen sie von „addictive design“. Ebenso ist die Beweislast erdrückend, wenn damit gemeint ist, dass eine falsche Mediennutzung Lernprozesse erschwert oder sogar Bildungsprozesse unmöglich macht. So gibt es eine Vielzahl an Untersuchungen, die zeigen, dass Mediennutzung negative Effekte auf die Gesundheit von Menschen ebenso wie auf Lesekompetenzen usw. haben kann. Wer täglich mehrere Stunden sinnlos mit dem Smartphone spielt, setzt nicht nur seine Gesundheit, sondern auch sein Lernen und seine Bildung aufs Spiel – und schadet noch dazu dem Ökosystem. Das ist die negative Seite der Medaille, die nicht aus dem Auge verloren werden darf – bei allen Möglichkeiten der Mediennutzung. Wo diese liegen, haben Sie angedeutet: „dem Alter angemessen“. Ich würde diesen Gedanken weiterführen in Richtung: Warum nutze ich welche Medien? Das ist für mich die entscheidende Frage – nicht nur in der Pädagogik, sondern auch für das ganze Leben. Und überall dort, wo ich feststelle, dass der Mensch hinter die Technik tritt, dann ist es Zeit, die Mediennutzung einzustellen. [siehe dazu auch das Interview mit Prof. Dr. Teuchert-Noodt in der Tageszeitung junge Welt, 19./20.Januar 2019, Nr.16]

Es gibt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Mediennutzung. Ist somit nicht auch das Elternhaus stärker gefordert, digitale Medienkompetenz zu vermitteln, statt nur die Schulen damit allein zu lassen?

Es zählt zu den größten Chimären der Bildungspolitik, dass es gelingen könne, Bildung ohne das Elternhaus zu denken. Das Elternhaus wird immer einen Einfluss auf den Lebensweg eines Menschen haben und insofern sind Mütter und Väter immerzu gefordert, ihre Verantwortung ernst zu nehmen. Wer glaubt, seinen Kindern mit einem eigenen Smartphone im Kindergarten oder täglichen Fernsehstunden am Nachmittag etwas Gutes zu tun, ist auf dem Holzweg. Diese Eltern sollten mehr mit ihren Kindern spielen – und weniger mit ihrem Smartphone. Leider tragen sich solche Situationen in bildungsfernen Elternhäusern statistisch gesehen öfter zu als in bildungsnahen, wie Sie andeuten. Insofern könnte Digitalisierung das Problem einer Bildungsungerechtigkeit in Zukunft noch verschärfen und eben nicht verringern, wie manche in Unkenntnis der Empirie argumentieren. Folglich ist eine intensive und wertschätzende Kooperation zwischen Schule und Elternhaus ein Schlüssel für mehr Bildungsgerechtigkeit. In dieser wird es vor allem auch darum gehen müssen, einen gemeinsamen Wertekosmos hinsichtlich einer Mediennutzung aufzubauen. Nur so kann in der Schule und im Elternhaus in dieselbe Richtung gearbeitet werden.

In Ihrem Buch “Lernen 4.0. Pädagogik vor Technik – Möglichkeiten und Grenzen einer Digitalisierung im Bildungsbereich” [siehe nebenstehende Bücherliste] geht es zentral um die These, dass Digitalisierung als Strukturmaßnahme wenig bringen wird. Was genau sollte bedacht und angepackt werden, damit digitales Lernen für alle Beteiligten ein Erfolgsmodell wird?

Erfolgreiche Digitalisierung im Bildungsbereich braucht im Wesentlichen drei Dinge: Erstens Strukturen. Zweitens Menschen, die diese Strukturen zum Leben erwecken. Und drittens eine Vision von Bildung, die handlungsleitend wird. Das Entscheidende aber nun: Das Letzte ist das Wichtigste! Ohne diese Vision ist alles andere inhaltsleer und ziellos. Leider können wir das derzeit in vielen Feldern beobachten: Es wird kräftig investiert – zur Freude der Wirtschaft – aber ohne eine Idee davon zu haben, was eigentlich damit erreicht werden soll. Aussagen, wie zum Beispiel „Wir müssen bei der Digitalisierung im Feld experimentieren“, offenbaren dieses Unvermögen. Also lasst uns zunächst gründlich überlegen, welche Bildung uns wichtig ist und welche Gesellschaft wir wollen. Sodann lasst uns die Menschen so stärken, dass sie dies erreichen können. Dafür werden gewisse Strukturen zu verändern sein, die dann aber nicht nur zufällig wirken, sondern den Menschen dienen und auf ein Ziel hin ausgerichtet sind.

zum Artikel: wissensschule.de, Rubrik SCHULE_DIGITAL

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