„Von Gerechtigkeitsidealen und Aufstiegsphrasen beherrschte Schulpolitik“

Datum:  03.06.2015
Zur Lage der Bildung (1) – Abiturienten, bis es kracht!
von Jürgen Kaube

Noch nie war der Ansturm aufs Gymnasium so massiv wie heute. Die Folgen für Eltern, Schüler und Lehrer sind zermürbend – und die Politik weiß es besser.

Am Montag hatte die Bundeskanzlerin in Berlin zum Dialog eingeladen. Oberste Priorität hatten im Bürgergespräch die gewählten Themen:  Soziale Sicherheit, Gesundheit, Bildung.  Zwei Fragen wurden zum Zustand der Bildung gestellt.

(…) Ist es zu kritisch, wenn man das Ergebnis dieses Bürgerdialogs so zusammenfasst: Zu Bildung fällt uns nicht viel ein? Genauer: Wir finden sie irgendwie sehr wichtig, gleich nach Gesundheit, wir finden überdies, dass sie irgendwie noch viel wichtiger genommen werden müsste, aber wenn wir sagen sollen, was das denn hieße, dann sagen wir, was wir sowieso immer sagen, dass nämlich irgendwie mehr Geld hermüsste? Und dass Bildung natürlich leider Ländersache ist, dass also gerade dort über sie entschieden wird, wo das Geld fehlt.
Was in Berlin nicht zur Sprache kam, ist beispielsweise, dass das Schulsystem in Deutschland derzeit von unten aufgerollt wird. Erst, so ist die Tendenz, der inzwischen so gut wie alle Parteien folgen und jedenfalls kaum ein Bildungspolitiker scharf entgegentritt, legt man Haupt- und Realschulen zusammen, dann schafft man die Förderschulen ab und nimmt das Gymnasium ins Visier, um schließlich die integrierte Gesamtschule für eine Schulform zu halten, die alle anderen Schulformen ersetzen könne. In Niedersachsen steht es so schon im Gesetz, über analoge Absichten der nordrhein-westfälischen Schulpolitik sollte sich niemand hinwegtäuschen, von Berlin wollen wir besser schweigen, und in Schleswig-Holstein verfolgt man seit einiger Zeit ohnehin eine Lehrerausbildung, die keinen Unterschied mehr zwischen den Schulformen machen will. (…)

Das alles ist getragen von einem entschiedenen Willen, die alte Forderung „Bildung für alle“ auf dem Wege einer einheitlichen Verteilung der Abschlüsse zu verwirklichen.

Lange schon versuchen endlose Kataloge von „Kompetenzen“, die angeblich erworben und jedenfalls gefordert werden, darüber hinwegzutäuschen, was alles nicht mehr verlangt wird, von der Schreibschrift über die Rechtschreibung bis zur Kenntnis ganzer Bücher (stattdessen: Auszüge) oder älterer Vokabulare (stattdessen: Übersetzung von Droste-Hülshoff ins Tagesschau-Deutsch). Und warum wird es nicht mehr verlangt? Nicht weil es unsinnig wäre, sondern weil es Mühe macht und vermeintlich exklusive Folgen hat. Nicht alle sollen alles gleich gut können? Da sei die Schulpolitik vor. (…)

Schulpolitik erfolgt nicht, weil sich nachweisen ließe, dass sie den Unterricht verbessert, sondern insofern sie wertvoll aussieht.

Die Zahl derjenigen, die bei den Pisa-Tests das niedrigste Leistungsniveau nicht erreichte, ist deutlich höher als diejenige der Schüler ohne Abschluss. Zu Bildung fällt uns also vielleicht auch deswegen so wenig ein, weil ihr Sinn sich inzwischen oft ganz darin erschöpft, dass jemand ein Zertifikat vorweisen kann. Die Stimmen aus den Unternehmen, Verwaltungen und Hochschulen, die mitteilen, dass man dort immer weniger auf Abschlusszeugnisse gibt, bleiben unbeachtet .(…)

Womöglich ist es gerade eine von Gerechtigkeitsidealen und Aufstiegsphrasen beherrschte Schulpolitik, die den Übergang zu mehr sozialer Ungleichheit und rücksichtsloser Konkurrenz im Streben nach Abschlüssen herbeiführen wird, als sie sich albträumen lässt. Und vieles davon wird dann nur geschehen sein, weil ironischerweise ausgerechnet die Bildungspolitik meistens auf eine Weise vorgeht, die dem Begriff der Bildung widerspricht: undurchdacht.


Das Schulforum-Berlin wird über die weiteren Texte in der FAZ  „Zur Lage der Bildung“ berichten.

„Die Diskussion über Inklusion auf den harten Boden der Tatsachen zurückzuführen“

Datum:  25.05.2015
Inklusion an Schulen aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer
Meinungen, Einstellungen und Erfahrungen Ergebnisse einer repräsentativen Lehrerbefragung

Presseerklärung Verband Bildung und Erziehung (VBE)
(…) Es ist ist bislang wenig darüber bekannt, wie die Lehrer an allgemeinbildenden Schulen selbst als – neben den Eltern und Schülern – direkt Betroffene zum Thema Inklusion stehen, welche Chancen und Probleme sie konkret sehen und welche Erfahrungen sie selbst bislang gemacht haben. Vor diesem Hintergrund hat forsa im Auftrag des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) eine bundesweite Repräsentativbefragung unter Lehrern an allgemeinbildenden Schulen durchgeführt, um in dieser Gruppe erstmals ein fundiertes Meinungsbild zum Thema Inklusion zu ermitteln. Im Rahmen der Untersuchung wurden bundesweit insgesamt 1.003 Lehrer an allgemeinbildenden Schulen in der Zeit vom 2. März bis 16. April 2015 in Deutschland befragt.

Auszüge der Repräsentativbefragung:

  • Bei der – offen und ohne jede Vorgabe gestellten – Frage nach den Argumenten, die gegen eine gemeinsame Unterrichtung sprechen, werden sowohl grundsätzliche (pädagogische) Argumente genannt als auch solche, die sich auf die Ausstattung der Schulen und die Qualifizierung des Personals beziehen. Der häufigste grundsätzliche Einwand betrifft das Argument, dass eine individuelle Förderung beider Gruppen bei einer gemeinsamen Unterrichtung nicht möglich sei. Weitere Argumente sind eine Überforderung der Kinder mit einer Behinderung bzw. die Benachteiligung der Kinder ohne eine Behinderung. Auch die Überforderung der Lehrkräfte wird als Gegenargument genannt.
  • Unter den Gründen gegen eine gemeinsame Unterrichtung, die sich auf die fehlenden Rahmenbedingungen beziehen, wird vor allem das fehlende Fachpersonal an Regelschulen und die dafür unzureichende Ausbildung der Lehrer genannt. Dann folgen die materielle und finanzielle Ausstattung der Schulen, die aus Sicht der Lehrer gegen eine gemeinsame Unterrichtung von Kindern mit und ohne Behinderung sprechen. Auch bei dieser Frage wird von einem Teil der Lehrer angemerkt, dass das Für und Wider einer gemeinsamen Unterrichtung auch abhängig ist von der Art bzw. der Schwere der Behinderung eines Kindes.
  • Die überwältigende Mehrheit der Lehrer (97 %) spricht sich dafür aus, auch bei Einrichtung eines inklusiven Schulsystems die bisherigen Förder- und Sonderschulen alle (55 %) oder mindestens teilweise (42 %) zu erhalten. Nur 2 Prozent halten Förder- und Sonderschulen perspektivisch für entbehrlich. Für einen (mindestens partiellen) Erhalt der Förder- und Sonderschulen sprechen sich im übrigen Lehrer an Schulen, in denen es bereits inklusive Lerngruppen gibt, genauso häufig aus wie Lehrer an Schulen ohne Erfahrung mit inklusiven Lerngruppen.
  • Nur 13 Prozent beurteilen das Fortbildungsangebot in ihrem Bundesland, um sich auf die Arbeit mit inklusiven Schulklassen vorzubereiten, als (sehr) gut. 77 Prozent der Lehrer beurteilen das Fortbildungsangebot hingegen als weniger (41 %) oder überhaupt nicht gut (36%). Auch in dieser Frage ergeben sich zwischen den einzelnen Schulformen oder dem Grad der eigenen Erfahrung mit inklusiven Lerngruppen nur graduelle Unterschiede.
  • 75 Prozent der Lehrer geben an, dass an ihrer Schule bereits Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet werden. In 9 Prozent der Fälle ist dies geplant, 14 Prozent geben an, dass dies nicht geplant sei.
  • Lehrer, an deren Schule es bereits inklusive Lerngruppen gibt, geben die Zahl der Kinder in diesen Gruppen im Durchschnitt mit 18 Kindern an. Die Zahl der Kinder in diesen Gruppen mit sonderpädagogischem Förderbedarf wird im Schnitt mit 4 Kindern angegeben.
  • 29 Prozent der Lehrer, die an Schulen unterrichten, in denen bereits inklusive Lerngruppen bestehen, geben an, dass die Klassengröße von inklusiven Klassen im Vergleich zu nicht inklusiven Klassen verkleinert worden sei. 65 Prozent geben dagegen an, dass die Klassengröße beibehalten wurde, 4 Prozent, dass die Klasse sogar vergrößert wurde.
  • 65 Prozent der Lehrer, die Schulen mit inklusiven Lerngruppen unterrichten, geben an, dass solche Gruppen für gewöhnlich nur von einer Person unterrichtet werden. 34 Prozent geben an, dass solche inklusiven Lerngruppen für gewöhnlich von zwei oder mehr Personen unterrichtet werden. Wo Letzteres der Fall ist, unterrichtet der Fachlehrer vor allem gemeinsam mit einem Sonderpädagogen (82 %), deutlich seltener dagegen gemeinsam mit einem anderen Fachlehrer (29 %), einem Assistenten (25 %) oder mit einem Lehrer in Ausbildung oder im Praktikum (18 %).
  • Nur wenige der Lehrer an Schulen mit inklusiven Lerngruppen geben an, dass es an ihrer Schule Maßnahmen zur Unterstützung bei der Bewältigung von möglichen physischen oder psychischen Belastungen durch die inklusive Unterrichtung gebe (7 %). 87 Prozent der Lehrer geben an, dass es keine derartigen Unterstützungsmaßnahmen gebe.

zum Artikel:  VBE Pressemitteilung und FORSA-Umfrageergebnisse zum Thema: Inklusion an Schulen aus Sicht der Lehrerinnen und Lehrer, 18.05.2015

weitere Artikel zu Inklusion:   Seitenleiste unter „Schule und Inklusion“

Bildung ist keine Ware – Kein TTIP-Abkommen!

Bild:  Schulforum-Berlin

Bild: Schulforum-Berlin

Datum:  18.05.2015
Hochschulrektorenkonferenz zu TTIP: Bildung ist keine Ware

Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) fordert, Bildung aus dem geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA, TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership), explizit auszunehmen. Bildungsdienstleistungen werden dort nicht als öffentliche Aufgabe („public services“) definiert.

Die Europäische Union verhandelt zurzeit mit der US-Regierung über ein Freihandelsabkommen (TTIP). Verhandlungsführer ist die EU-Kommission. Ziel der TTIP-Verhandlungen ist es, die Handels-, Investitions- und öffentlichen Beschaffungsregeln transatlantisch zu harmonisieren. Mit dem Abschluss des TTIP-Abkommens werden die Mitgliedstaaten der EU einen Teil ihrer Souveränität abgeben, denn eine staatliche Regulierung ist in Sektoren, die dem Freihandel unterliegen, nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich. Dienstleistungen der so genannten Daseinsvorsorge sind aktuell von den TTIP-Verhandlungen nicht grundsätzlich ausgenommen. So sind Bildungsdienstleistungen in der Logik von Freihandelsverträgen keine öffentliche Aufgabe („public services“). (…)

Ergänzend zur Erklärung der Europäische Universitätsvereinigung (EUA) erhebt nun die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) gegenüber der EU-Kommission, aber auch gegenüber der deutschen Bundesregierung und den Ländern die Forderung, den Bereich der Hochschulbildung ganz aus den Verhandlungen herauszunehmen, da beiderseits des Atlantiks kulturell verankerte gegensätzliche Auffassungen über die Rolle von Staat und Individuum und ihrer Verantwortlichkeit für die Bildung bestehen. Während in Deutschland und weiten Teilen Europas Bildung, Kunst und Kultur als gesellschaftliche Aufgaben anerkannt sind, deren Finanzierung in der Verantwortung der Gesellschaft liegt, wird Hochschulbildung in den USA als eine Privatinvestition des Individuums angesehen. Die Inkompatibilität dieser beiden Bildungsverständnisse ist daher Ausgangspunkt für die Forderung, den Bildungssektor aus den Regelungen des Freihandelsabkommens auszunehmen und so auf Dauer in Deutschland eine stärkere Kommerzialisierung der Bildung im Sinne einer individuell zu finanzierenden Dienstleistung zu verhindern. (…)

zum Artikel:   Entschließung der 18. Mitgliederversammlung der HRK am 12. Mai 2015 in Kaiserslautern, Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP): Die Bildung aus den Verhandlungen ausschließen

Mangelnde Kohärenz fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Lehrerausbildung

Datum 16.05.2015
Mit Qualität in die Offensive – Das Potsdamer Modell der Lehrerbildung

Die Universität Potsdam war in der bundesweit ausgeschriebenen Qualitätsoffensive Lehrerbildung erfolgreich. Fördergelder in Millionenhöhe fließen.

Die mehr als 4000 Lehramtsstudierenden sollen an der Universität Potsdam nicht nur Fachwissen erwerben, sondern auch ihr berufliches Handwerk erlernen. Experten beklagen seit Langem die mangelnde Kohärenz fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Ausbildung. Die Lehrerbildung an der Universität Potsdam  will sich diesem Problem stellen und praxisnahe Ausbildungskonzepte entwickeln.

In Modellschulen, die Interesse an der universitären Begleitung neuer Unterrichtskonzepte haben, sollen Studierende fachlich angeleitet unterrichten und erforschen können, unter welchen Voraussetzungen sich Schule und Unterricht verändern lassen.

Die Fördergelder sollen auch dazu genutzt werden, die Gelingungsbedingungen eines inklusiven Unterrichts zu erforschen:  Wie müssen Lehr – und Lernsituationen gestaltet werden? Welche Lernaufgaben erweisen sich als günstig?  Wie lassen sich Kinder mit unterschiedlichen Formen von Beeinträchtigungen differenziert und individualisiert unterrichten? Neben den Lernschwierigkeiten und individuellen Beeinträchtigungen liegt der Fokus auf besonderer Begabung, eine mögliche Mehrsprachigkeit und die kulturelle Herkunft der Schüler.

aus Artikel (nicht online):  Der Tagesspiegel, Universität Potsdam, 16.05.2015, Antje Horn-Conrad, Mit Qualität in die Offensive


Folgerungen für die Lehrerbildung und das Lernen in Schule und Unterricht

Prof. John Hattie:
Die  Fragestellung bei den Untersuchungen von John Hattie, Professor für Erziehungswissenschaften an der University of Melbourne, ist: Was wirkt am besten? Denn irgendeinen Effekt hat jede Unterrichtsmethode. Er wollte aber wissen, was man tun kann, damit Schüler die größten Lernfortschritte machen. Für ihn kann nur das der Maßstab sein für jede Art von Veränderung in Schule und Unterricht.
John Hattie: “Das, worauf es ankommt, spielt sich nämlich im Unterricht ab, im Klassenraum, wo sich Lehrer und Schüler begegnen. Die Rahmenbedingungen von Schule dagegen – die Schulstrukturen oder das investierte Geld – haben nur geringen Einfluss. Leider wird in der Bildungsdebatte genau umgekehrt diskutiert.” 

Hattie erwartet von Lehrerinnen und Lehrern, Unterricht mit den Augen der Lernenden zu gestalten. Damit meint er, dass Lehrpersonen sich darüber im Klaren sind, was einzelne Schülerinnen und Schüler denken und wissen. Die Lehrpersonen sollten sich in die Lernprozesse hineinversetzen und diese in der Perspektive der Schülerinnen und Schüler wahrnehmen können, um vor diesem Hintergrund fähig zu sein, Lernprozesse aktiv gestalten zu können.
Solche Lehrer, die sich als Lernende ihrer eigenen Wirkungen verstehen, sind hinsichtlich der Lernprozesse und Lernerfolge von Schülerinnen und Schüler die einflussreichsten.


FreieWelt.net:  (…) Was also macht einen erfolgreichen Unterricht aus?
John Hattie:
(…) Dazu gehört etwa, dass eine Gruppe von Lehrern von einer Person geleitet wird, die ein Klima des Vertrauens erzeugt, damit die Lehrer debattieren, kritisieren und Unterrichtsreihen planen können, die a) herausfordernd sind, b) auf dem Vorwissen der Schüler aufbauen, c) die Balance zwischen allgemeiner und tiefgründiger Stoffbehandlung halten und am wichtigsten, d) dass sich alle einig sind, wie der Erfolg sich am Ende darstellen wird und die Erfolgskriterien klar benennen können, BEVOR sie mit dem Unterrichten beginnen.
Die Aussicht auf Erfolg erhöht sich, wenn der Lehrkörper sehr frühzeitig die Zielsetzung des Unterrichtes kommuniziert und sich ständig um Feedback in Bezug auf den Fortschritt der einzelnen Schüler bemüht sowie die Lehrmethoden im Lichte dieser Rückmeldungen anpasst. Die Aussicht auf Erfolg erhöht sich, wenn Schüler, die mit den Herausforderungen des Lernens kämpfen, das Lernen selbst beigebracht bekommen (sich zu konzentrieren, mit Bewusstsein zu arbeiten, Fehler und Fehlschläge zu tolerieren, gemeinsam an Problemlösungen zu arbeiten und verschiedene Lernstrategien auszuprobieren) und mit regelmäßigem Feedback über die nächsten Schritte versorgt werden.
Angemessene Herausforderungen, Klärung des Erfolgsbegriffes und Lehrer, die sich und ihren Unterricht immer weiter entwickeln – das sind Schlüsselkategorien für Unterrichtserfolg. Lehrer müssen darin unterstützt werden, ihren eigenen Einfluss auf den Lernerfolg in einem vertrauensvollen Umfeld ständig zu überprüfen und die Anforderungen der Lehrpläne gemeinsam festzulegen. Lehrer müssen eine Leidenschaft dafür entwickeln, alle Schüler zum Erfolg zu führen. (…)

Im Interview mit FreieWelt.net erläutert John Allan Hattie, was guten Unterricht ausmacht.


Prof. Jochen Krautz in:  Persönlichkeit und Beziehung als Grundlage der Pädagogik
(…) Daher ist die entscheidende Aufgabe des Lehrenden, eine Haltung gegenüber den Schülern zu entwickeln, die diese in der Sache herausfordert und im Lernen fördert, und dabei in einer offenen, anteilnehmenden, emotional warmen Beziehung zu ihnen bleibt. Hierzu bedarf es eines Verständnisses sowohl der grundsätzlichen Erziehungssituation wie auch der Individualität des Schülers (…)
(…) Lehrerbildung und schulische Praxis zeigen, dass Pädagogik im Kern ein interpersonales Beziehungsgeschehen zwischen Lehrenden und Lernenden ist, das auf Persönlichkeitsbildung zielt und eine gebildete Lehrerpersönlichkeit voraussetzt.

siehe auch unter der Seite „Lernen“.


siehe auch den Beitrag:

„Pädagogisch gestaltete Klassengemeinschaft“

Bürokratenchinesisch und Gagadeutsch der Berliner Bildungsbehörde

Datum:  03.05.2015
Wie gut ist das Deutsch der Schulsenatorin Sandra Scheeres?
Glosse von Harald Martenstein im Tagesspiegel vom 03.05.2015.

Ein Brief plus Merkblatt der Berliner Bildungsbehörde an die Eltern von Vorschulkindern soll  darüber informieren, wie wichtig es ist, Deutsch zu lernen. Beide Papiere enthielten sprachliche und grammatikalische Fehler sowie Auslassungen.
Es ist zu lesen:
„Ihr Kind hat in der Kindertageseinrichtung sein Sprachlerntagebuch erhalten, mit dem vor allem die Beobachtung seiner sprachlichen Entwicklung dokumentiert und mit Ihnen regelmäßig über die Fortschritte Ihres Kindes gesprochen (!) wird. Wenn Sie es wünschen, erhalten (!) selbstverständlich eine Kopie. Mit dem Erhebungsbogen der ,Quasta‘ auf der Grundlage des Sprachlerntagebuches wird im Sinne des Gesetzes zu dem vorgegebenen Zeitpunkt der Sprachstand für Kinder (von Kindern !) ab einem Alter von vier Jahren festgestellt. Es ist zu (!) dringend zu empfehlen, die weitere Förderung zu sichern.“

Die Bildungsverwaltung scheint wenig Interesse daran zu haben, ob die Eltern verstehen können, was ihnen mitgeteilt wird.

Das Schreiben sei „unseres Erachtens durchaus verständlich, sowohl im Inhalt als auch in der Gliederung“ teilte die Sprecherin von Bildungssenatorin Sandra Scheeres, Beate Stoffers, mit.

Immer mehr Grundschüler werden trotz massiver Rechtschreibdefizite in weiterführende Schulen entlassen. (siehe:  FAZ, Politik, 11.03.2015, Heike Schmoll, Rechtschreibung lehren! )
Sie scheinen in der Bildungsverwaltung angekommen zu sein.

Martensteins Glosse endet mit der Erkenntnis:  „Wenn es so weitergeht, kann kaum jemand noch einen geraden Satz schreiben oder einen klaren Gedanken fassen. Daran sind weder Schüler noch Lehrer schuld. Es liegt an einer Bildungspolitik, die Wissen als elitär verachtet und solche Briefe als ihre Visitenkarte in die Welt schickt.“

zum Artikel:  Der Tagesspiegel, 03.05.2015, Harald Martenstein, Wie gut ist das Deutsch der Schulsenatorin Sandra Scheeres?
siehe auch:  Der Tagesspiegel, 05.05.2015, Susanne Vieth-Entus, Finde die Fehler


In der Gemeinsamen Geschäftsordnung (GGO) der Berliner Verwaltung steht:
„Die Schriftsätze sollen knapp, klar und vollständig sein. Auf eine leicht verständliche Darstellung in gutem Stil und höflicher Form ist Wert zu legen. Es sind einfache Sätze zu bilden und geläufige Wörter zu verwenden.“  (…)  „Wer angeschrieben wird, soll von der Richtigkeit und Notwendigkeit der getroffenen Entscheidung oder Maßnahme überzeugt werden.“

Über 20.000 Eltern wurden angeschrieben!

Das Merkblatt ist in sieben Sprachen (Englisch, Französisch, Türkisch, Arabisch, Polnisch, Russisch und Vietnamesisch) übersetzt worden. Auch das Wort „Sprachstandsfeststellungsverfahren“?

Direktor Götz Bieber (LISUM): „Das war vielleicht nicht so gut“

Datum:  25.04.2015
Die Reform des Rahmenlehrplans wird verschoben
Heftig wurden die neuen Schullehrpläne kritisiert. Nun reagieren die Landesregierungen – und kritisieren ihr eigenes Institut.

Die Einführung der Rahmenpläne werden um ein Jahr verschoben. Die Gefahr scheint gebannt, dass Siebt- und Achtklässler in Geschichte statt einer Chronologie nur noch thematische Häppchen vorgesetzt bekommen.
Die Einwände zu den Lehrplanreformen in Berlin und Brandenburg kamen nicht nur von Pädagogen:
1.763 Lehrkräfte, 1.313 Fachkonferenzen, 86 Schulleitungen, 308 Vertreterinnen und Vertreter eines Gremiums bzw. einer anderen Organisation und 17 Vertreterinnen und Vertreter eines pädagogischen Fachverbands beteiligten sich an der onlinegestützten Befragung. Auch 245 Eltern sowie viele Klassen, Schülerinnen und Schüler gaben eine Rückmeldung.
Auch die etwa 900 Rückmeldungen, die in schriftlicher Form in den beiden Bildungsverwaltungen und am Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) eingegangen sind, werden nach Fächern und Themen zusammengestellt und analysiert.
Erst jetzt kommen die Bildungspolitiker Scheeres und Baaske zu der Erkenntnis: „Die Ergebnisse aus den anstehenden (!) Beratungen der Fachgruppen mit den Verbänden sind für uns besonders wichtig, denn die Beurteilung der Rückmeldungen durch Fachleute und Praktiker ist für uns mitentscheidend. Es geht darum, sachgerechte Kompromisse zu finden.“
Die Bildungsbehörden beabsichtigen, alle Anhörungsbeiträge in anonymisierter Form zu veröffentlichen.

Wie ist die Analyse der Beiträge der Kritiker durch die Bildungsverwaltung zu verstehen, wenn sie in ihrer Pressemitteilung „Einführung für Schuljahr 2017/18 geplant – Rahmenlehrplan: Mehr Zeit bis zur Einführung“ vom 23.04.2015 feststellt:
Die fast 4.000 Personen und Gruppen, die den Online-Fragebogen ausgefüllt haben, äußerten in den meisten Bereichen eine überwiegende bis vollständige Zustimmung  (?) zu den Befragungsaspekten. Sind hier die 900 Rückmeldungen in schriftlicher Form ausgeblendet und in der Zustimmung schöngerechnet?
Es muss die Frage erlaubt sein, wie bei solcher Zustimmungslage die nachfolgenden Zeitungs- und Kommentarüberschriften zu erklären sind?
“Aus Lehrplänen sind “Leerpläne” geworden”
„Einladung zum fachlichen Dilettantismus“
„Ein Schnitt durch die Geschichte“ – Die Kritik an den neuen Rahmenlehrplänen reißt nicht ab.
„Neuer Rahmenlehrplan – Das Niveau der Schulen sinkt“

Das von den Bildungspolitikern gescholtene Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM) übte auch Selbstkritik – insbesondere in Bezug auf das Fach Geschichte. „Das war vielleicht nicht so gut“, sagte Direktor Götz Bieber. Das Lisum hat nun die Aufgabe, anhand der Stellungnahmen eine fertige Fassung des neuen Rahmenlehrplans im Herbst vorzulegen.

zum Artikel:  Der Tagesspiegel, 24.04.2015, Susanne Vieth-Entus, Die Reform des Rahmenlehrplans wird verschoben


Jeder dritte Schülerjahrgang lernt unter anderen Voraussetzungen und Vorgaben der Bildungspolitik.
Die Unterrichtskonzepte ändern sich nicht deshalb, weil sie sich als untauglich erwiesen haben. Nach Belegen für ihre Wirksamkeit wird selten gefragt. Sie werden abgelöst, weil die Politik es will! Es wird auf Kosten ganzer Schülerjahrgänge auf Anweisung der Kultusbehörde experimentiert.
“Pädagogische Fragen sind leider häufig eine Domäne parteipolitischer Interessen, wobei politische Parameter und manchmal auch ideologische Standpunkte Vorrang vor sachlogischen Gesichtspunkten haben”.
Prof. Ulrich Steffens im Artikel: Mit den Augen der Lernenden, unter der Seite „Lernen

Prof. John Hattie: “Das, worauf es ankommt, spielt sich nämlich im Unterricht ab, im Klassenraum, wo sich Lehrer und Schüler begegnen. Die Rahmenbedingungen von Schule dagegen – die Schulstrukturen oder das investierte Geld – haben nur geringen Einfluss. Leider wird in der Bildungsdebatte genau umgekehrt diskutiert.”
zum Interview